In verschiedenen Landesteilen, besonders jedoch im Westen von Kolumbien, gab es strategische Schläge der kolumbianischen Sicherheitskräfte gegen die aufständische Bewegung. Die Operationen von Geheimdienst, Polizei und Militär führten zu empfindlichen Verlusten bei den verschiedenen Strömungen der sich als FARC-EP bezeichnenden Organisationen. Zum einen gab es einen operativen Erfolg gegen die FARC-EP, Zweites Marquetalia, bei ihrem Versuch, im Cauca Fuß zu fassen. Zum anderen gegen die unter FARC-EP unter Gentil Duarte und ihm angeschlossene Gruppen, sowohl im Süden als auch im Westen des Landes. Beide Strömungen sehen sich als die Nachfolger der sich entwaffneten FARC-EP, stehen aber im Dissens zueinander und kämpfen jeweils um die politische und militärische Deutungshoheit.
Zu den operativen Erfolgen der staatlichen Sicherheitskräfte gehörte das praktische Ausschalten der FARC-EP um Iván Márquez, ihren Einfluss in der Provinz Cauca zu festigen. So wurde der Anführer mit dem Alias-Namen „Pocillo“ oder „Grande“ Anfang Oktober in Popayán festgenommen. Er befehligte eine Gruppe, die zuletzt zur FARC-EP, Zweites Marquetalia, gehörte und um den Einfluss in der Region gegen seine ehemalige Struktur der FARC-EP „Jaime Martínez“ rang. Seit dem Jahr 2016 befehligte er dissidentischen Strukturen der FARC-EP, die sich zuletzt im Westlichen Koordinationskommando zusammenschlossen und unterstand direkt dem Kommandierenden alias „Mayimbú“, der die Mobile Kolonne Jaime Martínez befehligte.
Doch als alias „Pocillo“ Kenntnis nahm, dass sich um Iván Márquez eine neue FARC-EP bildete, wechselte er Anfang dieses Jahr die Seiten. Iván Márquez und andere Kommandierende entsandten sogenannte Emissäre, die Kontakt zu potenziellen Partnern suchten und sie mit Waffen und Personal unterstützen wollten. So war sein Auftrag nun, die anderen FARC-EP-Strukturen zu bekämpfen um den Einfluss des „Zweiten Marquetalia“ zu erhöhen und im Cauca Fuß zu fassen. Mit ihm wechselten einige andere Kämpfer aus der Mobilen Kolonne Dagoberto Ramos und der Mobilen Kolonne Jaime Martínez die Seiten. Ein Teil von ihnen, 12 Personen, konnten in einer Operation nur eine Woche nach seiner Festnahme ebenfalls im Cauca festgenommen werden. Zwischen den unterschiedlichen Strukturen kam es zu einem „Bruderkrieg“, über den wir berichteten.
Damit dürfte vorerst der Versuch der FARC-EP, Zweites Marquetalia, im Westen des Landes Fuß zu fassen gescheitert sein. Innerhalb dieses Bruderkrieges bzw. mit dem Erscheinen des Zweiten Marquetalia im Cauca festigte sich die Allianz des Westlichen Koordinationskommandos, dem neben der Jaime Martínez und Dagoberto Ramos auch die Front Carlos Patiño und die Kompanie Adan Izquierdo unterstehen. Sie hatten sich zuletzt in einem Bündnis zusammengeschlossen und näherten sich der FARC-EP unter Gentil Duarte und Iván Mordisco aus dem Osten des Landes mit ihren Fronten 1, 7 und 27 an. Sie bezeichnen sich als die „wahre“ FARC-EP, da sich bereits während des Friedensprozesses gegen das Friedensabkommen und die Entwaffnung stellten, während die FARC-EP, Zweites Marquetalia, erst später im Rahmen der Nichtumsetzung des Friedensabkommens entstand und ihr Kommandierender Iván Márquez als ehemaliger Verhandlungsführer als „Verräter“ gilt.
Schläge gab es aber auch gegen das erwähnte Westliche Koordinationskommando. So gab es Operationen gegen die Front Adan Izquierdo, die zuletzt mit einer bemerkenswerten Aktion und der Festnahme mehrerer Soldaten auf sich aufmerksam machte. Ihr Ziel ist die Konsolidierung ihres Einflusses in der zentralen Kordillere zwischen Valle del Cauca und Tolima. Zudem gab es eine Operation gegen die Front Carolina Ramírez in der Provinz Putumayo, bei dem einer ihrer hochrangigen Kommandierenden festgenommen wurde. Diese Einheit speist sich aus ehemaligen Kämpfern der 32., 48. und 49. Front sowie neurekrutierten Mitgliedern und ist mit der FARC-EP um Gentil Duarte und Iván Mordisco alliiert. Auch über diese Struktur haben wir bereits in einem Artikel berichtet.
Hunderte ehemalige Kämpfer der FARC-EP, soziale Aktivisten und Menschenrechtsverteidiger aus allen Teilen des Landes haben am vergangenen Wochenende in Bogotá ein Ende der Gewalt und Garantien für Politik und Sicherheit für die Gebiete gefordert, aus denen sich die oben genannten Gruppen als Pilgerreisende auf den Weg nach Bogotá machten. Die Pilgerreise stand unter dem Motto „Für den Frieden und für das Leben“ und wurde von vielen solidarischen Menschen begleitet und unterstützt.
Am 21. Oktober begann ein Marsch, der sogenannte Pilgermarsch für das Leben und den Frieden, von der Gemeinde Mesetas in der Provinz Meta mit dem Ziel der Hauptstadt Bogotá. Ziel des Marsches, der von der Partei FARC, den ehemaligen Kämpfer*innen der Guerilla im Prozess der Wiedereingliederung sowie von sozialen und politischen Organisationen initiiert wurde, ist es auf die bedrohliche Situation der Morde an ehemaligen Guerillakämpfer*innen und an sozialen Aktivist*innen aufmerksam zu machen. Bisher liefen die Teilnahmenden unter anderem durch die Orte Granada und Villavicencio, wo es je ein Programm von kulturellen und politischen Aktivitäten gab. Gemeinsam wollen die Kämpferinnen und Kämpfer aus verschiedenen Landesteilen am zentralen Platz in Bogotá, dem Plaza Bolívar, ankommen.
Übersetztes Kommuniqué der Partei FARC zu der Ermordung ihrer beiden Genossen Albeiro und Mandela in Meta (südöstliches Kolumbien):
Seit mehreren Jahren hat sich in Kolumbien ein Gedenktag etabliert, der den ermordeten und vor allem allgemein der derzeitig inhaftierten politischen Gefangenen gilt. Auch wenn dieser Tag unserer Meinung nach in der zurückliegenden Zeit in Vergessenheit geraten ist, wollen wir kurz innehalten und all jenen gedenken, die für ihr politisches Engagement und ihren politischen Kampf vom kapitalistischen System eingekerkert sind.
Duque muss gehen – Politische Erklärung der FARC-EP, Zweites Marquetalia
Demütigender Schlag gegen die kolumbianische Armee, als eine Front der FARC-EP-Front 20 professionelle Soldaten in den Bergen Caucas entwaffnete.
Kommuniqué der FARC-EP, Zweites Marquetalia:
Von der
Eine neue Welle der Gewalt und Massaker hat Kolumbien fest in seiner Hand. Junge Menschen, Bauern, Linke und Andersdenkende sind diese Opfer der „kollektiven Morde“, wie Präsident Duque die Massaker und die systematische Auslöschung der Opposition beschönigt. Das Wort Massaker vermeidet er, obwohl die taten genau das sind. Sie erinnern an die schlimmen Jahrzehnte, als Kolumbien inmitten des Bürgerkrieges stand und paramilitärischer Terror alltäglich war.
In der Zeitschrift und dem Webportal Semana gab es am Wochenende einen Artikel über die Szenarien und die aktuelle Situation der FARC-EP, zweites Marquetalia und dem Konflikt mit anderen Organisationen, auch im Kontext des Bruderkrieges gegen die FARC-EP unter Gentil Duarte. Wir haben in den zurückliegenden Wochen bereits mehrmals über den sogenannten Bruderkrieg in der FARC-EP geschrieben, wollen euch aber die wichtigen Auszüge aus dem Artikel von Semana präsentieren, der abschließend einen guten Überblick gibt, auch von den Massenmedien die Informationen immer mit Vorsicht zu genießen sind.
Einige Medien berichten erneut über den Konflikt und „Bruderkrieg“ der FARC-EP im Cauca. Im Mittelpunkt stehen Veröffentlichungen von Fotografien von sehr gut ausgestatteten Guerillakämpfern der Front Carlos Patiño der sogenannten dissidentischen FARC-EP, die zum Westlichen Koordinationskommando gehört. In diesem Koordinationskommando sind diverse Strukturen der FARC-EP unter einem einheitlichen Kommando zusammengefasst. Diese sind den Strukturen der FARC-EP im Osten um die Erste Front Armando Ríos und anderen Fronten wie der 7. oder 27. Front sehr nahe, die unter dem Kommando von Gentil Duarte stehen.