Kolumbien ist zu einem großen Friedhof geworden

Eine neue Welle der Gewalt und Massaker hat Kolumbien fest in seiner Hand. Junge Menschen, Bauern, Linke und Andersdenkende sind diese Opfer der „kollektiven Morde“, wie Präsident Duque die Massaker und die systematische Auslöschung der Opposition beschönigt. Das Wort Massaker vermeidet er, obwohl die taten genau das sind. Sie erinnern an die schlimmen Jahrzehnte, als Kolumbien inmitten des Bürgerkrieges stand und paramilitärischer Terror alltäglich war.

Schon nach der Unterzeichnung des Friedensvertrages zeichnete sich ab, dass außer der ehemaligen aufständischen Bewegung FARC und den einfachen Menschen des Landes, die ehemals herrschende Clique und Oligarchie kein Interesse an Frieden, Fortschritt und Veränderungen haben. Es begann, wie damals in den 1980er Jahren mit der linken Partei Unión Patriótica, ein systematisches Morden von ehemaligen Guerillakämpfern und linken oppositionellen. Diametral dazu stand kein Interesse des Staates für Sicherheit zu sorgen, geschwiege denn das Friedensabkommen umzusetzen.

Nun schellen die Alarmglocken. In den zurückliegenden Wochen häufen sich die Massaker in allen Regionen des Landes, vor allem jedoch dort, wo sich die ehemalige FARC-EP nach ihrer Waffenniederlegung und dem Friedensprozess zurückgezogen hat und wo nun paramilitärische Strukturen das Vakuum füllen. Auch wenn die Urheber der Massaker nicht immer gleich zu benennen sind, Regionen wie Antioquia oder Bolívar stehen klar unter ihrem Einfluss. Es scheint, dass in Kolumbien nicht nur die Pandemie herrscht, sondern auch die Massaker, die immer wiederkehrender werden.

Warum nun diese Welle immer tödlicher und blutiger wird, lässt sich nur schwer sagen. Es sind sicherlich mehrere Faktoren, die dafür verantwortlich sind. Zum einen ist da das Nichtagieren des Staates und seine nicht vorhandene Verfolgung der Taten und fehlende Schutzmechanismen. Paramilitärische Gruppen, gedeckelt und unterstützt von rechten Politikern, Großgrundbesitzern, Wirtschaftsunternehmen und teilweise auch durch die staatlichen Sicherheitskräfte, fühlen sich sicher in ihrem Treiben ermuntert.

Zu den rechten Politikern gehört der ehemalige Präsident Alvaro Uribe Veléz, der als Unterstützer des Paramilitarismus gilt und unter anderem deswegen vor einer Anklage steht. Derzeit ist er inhaftiert. Ist auch deswegen die systematische Gewalt im gesamten Gebiet ausgebrochen? Immer wieder gibt es Enthüllungen, die zeigen, wie stark die kolumbianische Politik mit dem Paramilitarismus verbandelt ist. Hierfür hat sich längst das Wort Para-Politik etabliert.

Gerade Regionen wie Antioquia, Cauca, Nariño, Norte de Santander, Bolívar und Putumayo sind von der Gewalt betroffen. Über 55 Massaker im Jahr 2020 im ganzen Land sind eine eindeutige Sprache. Betroffen sind vor allem Regionen, in denen kriminelle Banden und paramilitärische Gruppen ihren Einfluss vergrößern wollen. Einher geht dies mit Gewalt gegen jene, die sich für einen Ersatz der illegalen Pflanzkulturen, also zum Beispiel Koka, einsetzen und im Substitutionsprogramm mitmachen.

Die sozialen Aktivisten und die linke Opposition sind die einzigen im Land, die Veränderungen herbeiführen können und in der Bevölkerung Gewicht haben. Daher sind sie das bevorzugte Ziel des paramilitärischen Terrors, der die Interessen der Großgrundbesitzer, der transnationalen Konzerne und der Oligarchie gegen linke Ideen und Transformationen verteidigt. Kein Wunder also, dass es anhaltende Diskussionen über die vielleicht zu vorzeitige Entwaffnung, den nur spärlich umgesetzten Friedensprozess und die Rückkehr einer bewaffneten FARC-EP gibt.

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