Ein Jahr FARC-EP – Zweites Marquetalia

In der Zeitschrift und dem Webportal Semana gab es am Wochenende einen Artikel über die Szenarien und die aktuelle Situation der FARC-EP, zweites Marquetalia und dem Konflikt mit anderen Organisationen, auch im Kontext des Bruderkrieges gegen die FARC-EP unter Gentil Duarte. Wir haben in den zurückliegenden Wochen bereits mehrmals über den sogenannten Bruderkrieg in der FARC-EP geschrieben, wollen euch aber die wichtigen Auszüge aus dem Artikel von Semana präsentieren, der abschließend einen guten Überblick gibt, auch von den Massenmedien die Informationen immer mit Vorsicht zu genießen sind.

Im letzten Jahr, als am 29. August die Erklärung von Iván Márquez, Jesús Santrich, El Paisa, Romaña und anderen hochrangigen Kommandierenden zur Gründung der FARC-EP, zweites Marquetalia, erfolgte, gab es mehrere Szenarien für den sozialen und bewaffneten Konflikt in Kolumbien. Durch das Gewicht und die Bekanntheit ihrer Kommandierenden gab es die Befürchtung, dass sich große Teile der schon dissidentischen FARC-EP unter Gentil Duarte der FARC-EP, Zweites Marquetalia, anschließen würden. Doch das Szenario einer sich vereinten großen Guerillaorganisation hat sich bisher nicht erfüllt.

Auch ein Zusammenkommen mit dem ELN, der anderen linken Guerillaorganisation, fand bisher nicht statt, wie von einigen vermutet wurde. Andere wiederum, und dies war bisher auch das Wahrscheinlichste, dachten, dass die neue FARC-EP zwar hochrangige und politische Kommandierende haben, aber keine Basis bzw. keine militärischen Strukturen im Hintergrund. Im Vergleich zu den FARC-EP um die 1., 7., 27. und 40. Front im Osten und dem Westlichen Koordinationskommando war die FARC-EP, Zweites Marquetalia, tatsächlich schwach aufgestellt. Doch nun zeigt sich, dass eine Veränderung stattfindet und sich die FARC-EP, Zweites Marquetalia, nicht nur auf politischer Ebene, sondern auch militärisch und territorial konsolidiert und wächst. Auch wenn sie noch nicht der größte Akteur sind.

Schätzungen aus den staatlichen Sicherheitskräften gehen mittlerweile von rund 1000 Personen aus, die der FARC-EP, Zweites Marquetalia, angehören. Rund 3000 gehören zur anderen FARC-EP um Gentil Duarte und dem Westlichen Koordinationskommando. Doch die Präsenz des Zweiten Marquetalia hat sich vom Osten in den Westen erhöht. Nun haben sie Strukturen in den Provinzen Nariño, Cauca, Antioquia, Casanare, Vichada und Arauca. Zu den ersten Strukturen, die sich dem Zweiten Marquetalia angeschlossen haben – neben den bereist bestehenden Strukturen im Osten Nahe der Grenze zu Venezuela, gehörten die 18. Front „Román Ruiz“ in Antioquia (wir berichteten am 27. September 2019 darüber) und auch die 28. Front „José María Córdoba“ aus Casanare und Boyacá wenige Wochen vorher.

Gespräche zwischen Iván Márquez und Gentil Duarte sind bisher nicht erfolgreich gewesen. Zwar wurde Gentil Duarte Platz angeboten, doch schließlich wollte er sich denjenigen nicht unterordnen, die die Ideale der FARC-EP mit dem mittlerweile gescheiterten Friedensprozess verraten hatten. Zudem hatte Gentil Duarte nun in den drei Jahren eine schlagkräftige Armee um sich und wollte seinen Einfluss nicht mit anderen teilen. Dies ist auch der heutige Stand zwischen den beiden „Bruder-Strukturen“ der FARC-EP. Schlimmer noch, in verschiedenen Regionen kämpfen beide gegeneinander um die Macht.

Ein Beispiel dafür zeigt sich derzeit im Cauca im Westen des Landes. Hier gibt es Gerüchte, dass die FARC-EP, Zweites Marquetalia, unter dem Kommando von Walter Mendoza neue Strukturen aufbaut und es Verhandlungen mit Strukturen der anderen FARC-EP gibt. Auch aus Nariño wird berichtet, dass hochrangige Kommandierende des Zweiten Marquetalia vor Ort sind, um Strukturen aufzubauen. So soll laut staatlichen Sicherheitskräften El Paisa verantwortlich sein, um Teile der ehemaligen Front Óliver Sinisterra, die ehemals stärkste Struktur im Süden, zu sammeln und für ihr revolutionäres Projekt zu gewinnen. Ebenso gibt es Versuche, den Einfluss im Osten zu vergrößern. So gab es Kämpfe in Arauca zwischen Kämpfern der 10. Front, zu gentil Duarte gehörend, und Kämpfern des Zweiten Marquetalia.

Es kann abschließend festgehalten werden, dass ein jahr nach der Erklärung zur Gründung der FARC-EP, Zweites Marquetalia, zwar noch nicht die größte Guerillaorganisation entstanden ist und es auch keine Vereinigung mit dem Kommando der bereits bestehenden dissidentischen Strukturen der FARC-EP um Gentil Duarte gab, doch sie haben es geschafft, in einem Großteil des Territoriums präsent zu sein und Hunderte von neuen Kämpfern sowie neue Strukturen zu gewinnen. Damit ist das Zweite Marquetalia langfristig zu einer ernsten Gefahr für Gentil Duarte geworden, bei dem sich das Kräfteverhältnis derzeit immer weiter, wenn auch langsam, verschiebt.

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