Die aktuelle Lage der FARC-EP, Zentraler Generalstab

Der Zentrale Generalstab der FARC-EP ist ein Zusammenschluss von Strukturen mit unterschiedlichen Ursprüngen und Motivationen. Hauptsächlich ist diese Guerilla aus einigen wichtigen Kommandeuren der aufgelösten FARC-EP hervorgegangen, die den Friedensprozess verlassen haben oder die kurz nach der Unterzeichnung des Abkommens wegen Unzufriedenheit über das Ausgehandelte bzw. die Nichteinhaltung des Vereinbarten ausgestiegen sind. Parallel dazu bildeten sich zwischen 2017 und 2018 weitere damals noch als dissidentische Gruppen der FARC-EP aus ehemaligen Friedensunterzeichnern und Teilen enttäuschter Milizionäre oder aus Personen, die keinen Anreiz sahen, ihren Prozess der Wiedereingliederung fortzusetzen.

Die unterschiedlichen Gruppen befanden sich teilweise überall, vor allem jedoch im Süden des Landes und hatten noch keinen Kontakt untereinander. Der Zentrale Generalstab ging dann von einer Zersplitterung der Dissidentenstrukturen zu einer Koordinierung über und befindet sich derzeit in einem Prozess der Vereinheitlichung. Gentil Duarte und Iván Mordisco, zwei Kommandanten, die aus dem Friedensprozess ausgestiegen sind, haben das Projekt der Dissidentenkoordination seit 2018 entwickelt, als sie begannen, Abgesandte in verschiedene Regionen des Landes (Cauca, Nariño, Catatumbo, Arauca und Antioquia) zu entsenden, um ihren territorialen Einfluss auszuweiten und in diesen Schlüsselgebieten Einfluss zu gewinnen.

Die Koordinierung wurde ab dem Jahr 2019 noch deutlicher. Allerdings handelte es sich nicht um eine homogene und hierarchische Gruppe, sondern um einen Zusammenschluss von verschiedenen Strukturen mit fließender Kommunikation und relativ erfolgreicher Koordination. Anstelle eines einheitlichen Kommandos gab es eine fast vollständige Mitverwaltung und Autonomie auf regionaler und lokaler Ebene der Strukturen. Seit 2023 wird sie im Rahmen des totalen Friedens intern gestärkt: Alle Kommandeure konnten sich treffen und gemeinsame Entscheidungsszenarien bilden. Der aktuelle Friedensprozess stärkt also die interne Struktur der Guerilla.

Obwohl die Entstehung und Motivation dieser Strukturen vielfältig ist und selbstverständlich über eine rein wirtschaftliche Logik hinausgeht, nicht so wie die Medien es behaupten, ist jedoch das Wachstum und die Stärkung der Guerilla auch eng mit den finanziellen Ressourcen von Wirtschaftszweigen wie Drogenhandel, illegaler Bergbau oder Erheben der Revolutionssteuer verbunden. Mehrmals berichteten wir, dass eine illegalisierte Organisation auch nur illegale Möglichkeiten der Finanzierung hat. Doch darüber hinaus wurde schnell der Kontakt mit der lokalen Bevölkerung gesucht, Regeln des Zusammenlebens erstellt und übernimmt die FARC-EP hoheitliche Aufgaben in Landesteilen, wo der Staat faktisch nicht präsent ist.

Wie in ihrem Entstehen unterschiedlich sind auch die Kommandanten des Zentralen Generalstabs, der Fronten und der mobilen Kolonnen von unterschiedlichem Profil. Sie reichen von Kämpfern mit umfassender Erfahrung und Führungsqualitäten innerhalb der FARC bis hin zu Kommandanten mit wenig Guerillaerfahrung, die Führungspositionen in den Strukturen übernommen haben. Über das lokale Auftreten einer Struktur in einem Gebiet entschiedet häufig auch die Erfahrung der Kommandanten, auch wenn es jetzt mehr Kommunikation und Unterstützung untereinander gibt.

In den beiden Blöcken Jorge Suárez Briceño und des Südostens ist eine große Zahl erfahrener und routinierter Kommandanten vertreten. Der Block Magdalena Medio weist weniger erfahrene Profile auf, obwohl es dort anerkannte Milizenführer gibt. Im Gemeinsamen Ostkommando besteht das Profil eher aus ehemaligen Kämpfern, die aus dem Gefängnis entlassen wurden. Diese Heterogenität verstärkt sich auf den unteren und lokalen Kommandoebenen mit zunehmend jüngeren Kommandanten, die wenig Indoktrination oder Erfahrung in der Guerilla haben, sondern aktuell im Rahmen der neu entstandenen Möglichkeiten ihre Ausbildung bekommen.

Das Vereinigungsprojekt des Zentralen Generalstabs der FARC-EP hat in den letzten drei Jahren ein beträchtliches Wachstum erfahren und durch seine regionale Koordinierung eine nationale Wirkung erzielt. Obwohl sie die am stärksten konsolidierte Bewegung aus der ehemaligen FARC-EP ist, im Vergleich zur schwächelnden FARC-EP, Zweites Marquetalia, ist sie nicht so mächtig und einflussreich wie die ehemalige FARC-EP vor dem Friedensabkommen von 2016. Sie hat derzeit über 3500 Mitglieder und verfügt über Einfluss in 173 Gemeinden in 22 Provinzen, obwohl ihre Präsenz in den verschiedenen Landesteilen unterschiedlich ist und sie im Südosten und im Südwesten am stärksten ist.

Obwohl es gelungen ist, 27 der rund 40 aus dem Friedensprozess mit der FARC-EP hervorgegangenen Strukturen in fünf regionalen Blöcken zu organisieren, ist der Zentrale Generalstab nach wie vor ein Sammelsurium von Strukturen mit teilweise unterschiedlichen Interessen und Arbeitsweisen. Es gibt zwar Koordinierung und Kommunikation, aber weder eine einheitliche Befehls- und Kontrollstruktur noch gemeinsame Leitlinien für alle Strukturen. Diese sind derzeitig im Entstehen. Noch wirkt das Auftreten wie eine Föderation von Gruppen mit unterschiedlichem Grad der Artikulation und einem hohen Maß an Autonomie in seiner territorialen Funktionsweise. Trotzdem muss erwähnt werden, dass der Aufbau bis hierher eine große Leistung war, denn der staatlichen Repression oder dem Druck anderer bewaffneter Akteure muss zeitgleich auch widerstanden werden.

Der Block Kommandant Jorge Suárez Briceño und der Südost-Block sind die beiden Mutterblöcke des Zentralen Generalstabs. Ihre Befehlshaber Gentil Duarte und Iván Mordisco haben das Vereinigungsprojekt entwickelt und waren die ersten, die sich 2016 vom Friedensprozess distanzierten. Ihr Wachstum ist so groß, dass sie die Kontrolle über eine der ehemaligen FARC-Hochburgen, den Süden des Landes, zurückerobert haben. Sie sind militärisch nicht sehr aktiv, was nicht notwendig ist aufgrund der territorialen Kontrolle und ihr Erstarken war nicht von territorialen Streitigkeiten geprägt, sondern eher von Szenarien der Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Kommandanten der Dissidenten und der Koexistenz mit anderen Gruppen.

Der Westliche Block Kommandant Jacobo Arenas, ehemals Westliches Koordinationskommando, gehört sicherlich zu den aktivsten der FARC-EP. Es hat mittlerweile neun Strukturen (Fronten und mobile Kolonnen) integriert hat, die hauptsächlich in Cauca und Nariño und auch in Valle del Cauca, Huila und Tolima operieren. Die Koordinierung zwischen seinen Fronten war der Schlüssel zur erfolgreichen Expansion des Zentralen Generalstabs im Südwesten des Landes, was ihn heute zu einem der einflussreichsten Blöcke macht. Alle Strukturen haben sich in ihrer territorialen Entwicklung gegenseitig unterstützt und es gibt einen hohen Grad der Kommunikation.

Der Block Magdalena Medio Kommandant Gentil Duarte operiert in einem Korridor, der Catatumbo, den Süden von Bolívar, Bajo Cauca und den Norden Antioquias verbindet. Ihre wichtigste Front ist die 33. Front, da sie die wichtigsten Anführer bündelt und die Expansion nach Antioquia und Bolívar koordiniert hat. Sie ist einer der wichtigsten Blöcke für den Zentralen Generalstab, da sie fast alle Strukturen der Guerilla vereint, die im Norden und im nördlichen Zentrum des Landes entstanden sind. Er ist der einzige Block, der ein befreundetes Verhältnis zur ELN unterhält, was sich bei der Eindämmung der Paramilitärs im Norden des Landes als nützlich erwiesen hat.

Das Östliche Koordinationskommando ist eine der Strukturen, die trotz ihrer vergleichsweisen geringeren territorialen Ausdehnung im Vergleich zu den anderen Blöcken ein Protagonist der politisch-militärischen Arbeit ist, insbesondere wegen ihres Konfliktes mit der ELN. Sie hat zwei Hauptfronten, die in Arauca und Casanare operieren: die 10. und 28. Front. Ihre Kommandanten waren zwar Teil des Friedensabkommens, haben sich dann aber dem Friedensprozess entfernt, nachdem sie Dank ihm freigelassen wurden. Es sind Arturo Paz und Antonio Medina.

Aktuell befindet sich diese Organisation in einem, wenn auch stockenden Friedensprozess mit der kolumbianischen Regierung. Dank ihrer dezentralen Arbeitsweise, ihrer lokalen Autonomie und ihrer Fähigkeit, sich schnell neu zu formieren, kann sie sich an die Aktionen der staatlichen Sicherheitskräfte anpassen. Sie hat die klare Absicht, weiter zu expandieren, denn obwohl sie am Verhandlungstisch sitzt, hat sie neue Fronten im Westen und Osten der Provinz Huila konsolidiert und lädt die Bevölkerung weiterhin offen über soziale Netzwerke ein, sich ihren Reihen anzuschließen, übt Kontrolle über die Bevölkerung aus und definiert sich als politischer Akteur in vielen Teilen des Landes, sicher auch, weil staatliche Strukturen fehlen und die Guerilla diese übernimmt.

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