Iván Márquez in Venezuela getötet

Am gestrigen Tag des 2. Juli verdichteten sich in Kolumbien die Hinweise, die von offiziellen Stellen jedoch nicht endgültig bestätigt sind, dass Iván Márquez als Oberkommandierender der FARC-EP, Zweites Marquetalia, bei einem Angriff getötet wurde. Sollte sich dies bestätigen – und selbst aus Venezuela treffen immer mehr Meldungen dazu ein, dann wäre das der nächste Schlag gegen die aufständische Bewegung.

Nach bisherigem Kenntnisstand wurde am Samstag im Morgengrauen auf venezolanischem Territorium eine Militäroperation durchgeführt, bei der Luciano Marín Arango alias Iván Márquez, ums Leben kam. Bisher sind alles nur Spekulationen, ob es sich um eine verdeckte Militäroperation Kolumbiens handelte oder um ein Attentat der Strukturen der FARC-EP um Iván Mordisco, die sich wiederum für die Ermordung an Gentil Duarte rächen wollten.

Beide politisch-militärischen Linien der FARC-EP stehen in einem Krieg gegeneinander und zögern nicht, gezielte Angriffe gegen die jeweiligen Mitglieder Linien durchzuführen. Zuletzt ist ein Großteil der Kommandierenden aus den beiden Linien der aufständischen Bewegung getötet worden, wobei oftmals nicht ganz klar ist, wer die Verantwortlichen der Anschläge auf venezolanischem Territorium sind.

Mit einem Tod von Márquez würde die aufständische Bewegung die wohl derzeit schillerndste Persönlichkeit verlieren. Er ist einer der Köpfe der alten FARC-EP gewesen und in seinem politischen Diskurs anerkannt. Zudem verfügte Márquez über viele nationale und internationale Kontakte. Sein politischer Stellenwert wird nicht zu ersetzen sein. Unter Márquez gab es eine strategische Allianz zwischen der FARC-EP, Zweites Marquetalia, mit der ELN.

Luciano Marín Arango alias Iván Márquez ist mittlerweile 67 Jahre alt und hat mehr als vier Jahrzehnte in der aufständischen Bewegung verbracht. Er ist ausgebildeter Rechtsanwalt und stammt au der Provinz Caquetá, wo er am 16. Juni 1955 in Florencia geboren wurde. Schon in jungen Jahren begann er seine politische Laufbahn, zuerst in den Kommunistischen Partei. Er engagierte sich in der Kommunalpolitik der Provinzhauptstadt Florencia.

In den frühen 1980er Jahren schloss er sich der 14. Front der FARC-EP an, kurz vor dem Friedensprozess während der Regierung des ehemaligen Präsidenten Belisario Betancur, der schließlich zur Geburt der Patriotischen Union (UP) führte. Auch dort wurde er Mitglied, sogar im kolumbianischen Kongress, ging aber nach den gescheiterten Friedensbemühungen wieder zurück zur Guerilla.

Márquez wurde nach dem Tod von Jacobo Arenas im Jahr 1990 Mitglied des Sekretariats der FARC-EP. Zuletzt war er der Oberkommandierende des sogenannten Karibischen Blocks der FARC-EP im Nordwesten, wozu er abkommandiert wurde. In den letzten Friedensverhandlungen mit der Regierung von Santos war er der Hauptunterhändler in Havanna, Kuba, und sorgte schließlich zum noch gültigen Friedensabkommen.

Im April 2018 reiste Márquez jedoch in die Wiedereingliederungszone von Miravalle, Caquetá, und verließ sie dann zusammen mit Hernán Darío Velásquez, alias „EL Paisa“, die beide dem Friedensprozess den Rücken kehrten. Im August 2019 gaben „Márquez“, „Santrich“ und „El Paisa“ in einem Video bekannt, dass sie zu den Waffen gegriffen hätten, um die FARC-EP neu aufzubauen. Sie waren der Ansicht, dass das Friedensabkommen nicht umgesetzt werden würde. Nun endet jedoch die Geschichte von Iván Márquez und dem Zweiten Marquetalia.

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Provinz Cauca ist Schauplatz von schweren Kämpfen

Einheiten der Guerilla FARC-EP stehen wiederholt seit einigen Tagen in schweren Kämpfen mit den staatlichen Sicherheitskräften in verschiedenen Regionen der im Südwesten Kolumbiens gelegenen Provinz Cauca. Dabei handelt es sich unter anderem um einen Vorfall am 22. Juni, bei dem ein indigenes Mitglied verschwand, bei dem die Medien kommunizierten, dass die Ursache in einer Aktion der FARC-EP lag. Nun gab die FARC-EP mit ihrem Westlichen Koordinationskommando jedoch ein Kommuniqué heraus in der die Sache anders dargestellt wird. Tatsächlich kommt es häufig vor, dass sich bewaffnete Akteure als Guerilleros ausgeben, um der aufständischen Bewegung zu schaden. Zuletzt sorgte da ein Vorfall in Putumayo für Aufsehen. Untenstehend ist das übersetzte Kommuniqué.

In der Gemeinde Caldono gab es Anfang der Woche starke Kämpfe zwischen Einheiten der Mobilen Kolonne Dagoberto Ramos und der staatlichen Polizei. Dabei wurde aus dem Ort und der Umgebung die Polizeistation angegriffen. Hierzu gibt es mehrere Videos, die von der lokalen Bevölkerung aufgenommen wurden und die in ihren Häusern Schutz suchen mussten. Zudem gab es zahlreiche Diskussionen mit der indigenen Wache und den Einheiten der Guerilla über ihre Präsenz und das Verlassen des indigenen Territoriums. Aus anderen Orten der Gemeinde wurden mindestens zwei Tote gemeldet. Einer der Toten soll vorher von Einheiten der Mobilen Kolonne Dagoberto Ramos an einem Kontrollpunkt festgehalten werden.

An einer alten Mautstelle der Panamericana am Ort Tunía; Gemeinde Piendamó, gab es ebenso Kämpfe beziehungsweise einen Angriff von Einheiten der Guerilla auf eine Patrouille von Armee und Polizei, der über 30 Minuten dauerte. Die Panamericana als strategischer Korridor und Verkehrsachse ist immer wieder Ziel von Auseinandersetzungen. Zuletzt, vor zwei Tagen, starben bei Kämpfen mindestens zwei Guerilleros der FARC-EP. So kam es in der Gemeinde El Tambo zu Kämpfen zwischen der Front Carlos Patiño der FARC-EP und der Nationalen Armee. Die Auseinandersetzungen im Süden Caucas setzten sich auch in den folgenden Tagen fort und zeigen deutlich, wie stark die Provinz vom bewaffneten Konflikt betroffen ist. Besonders stark präsent ist die FARC-EP mit ihren verschiedenen Strukturen des Westlichen Koordinationskommandos.

 

Hier das Kommuniqué der FARC-EP:

 

Über die Kämpfe in Buenos Aires, Cauca, und die Ermordung des Gemeindemitglieds Jeison Dizú Güetio

  1. Juni 2022

Wir informieren die nationale und internationale Gemeinschaft, die Medien und insbesondere die indigenen Gemeinschaften von Cauca über die Situation, die sich seit gestern im indigenen Schutzgebiet Las Delicias, Gemeinde Buenos Aires, abgespielt hat.

Gestern wurden wir von Mitgliedern der Gemeinde über die Festnahme am Nachmittag und die anschließende Ermordung in den nächtlichen Stunden des als Jeison Dizú Güetio identifizierten Gemeindemitglieds aus Las Delicias durch bewaffnete Personen, die sich als Mitglieder der ELN ausgaben, informiert. Außerdem machten sie einen Kontrollpunkt in der Zeit, fragten nach Jeisons Vater, um ihn mitzunehmen.

Wir wurden sofort informiert, unsere Einheiten begannen mit der Suche nach der Gruppe, die das Gemeindemitglied festgehalten hatte und es begannen gestern gegen 21:00 Uhr Konfrontationen, und die Luftwaffe war um 2:00 Uhr morgens anwesend, um die Flucht der bewaffneten Gruppe zu unterstützen. Von dem Moment an, in dem Mitglieder der Nationalen Armee, mit denen wir derzeit Konfrontationen führen, am selben Ort anwesend sind, möchten wir sie darüber informieren, dass es sich nicht um eine Konfrontation zwischen illegalen bewaffneten Gruppen handelt, wie von den Medien berichtet, sondern zwischen Einheiten der Mobilen Kolonne Jaime Martínez und der Nationalen Armee.

Basierend auf falschen Informationen, die beabsichtigen, die Aufmerksamkeit von dem abzulenken, was passiert ist, stehen wir vor einem möglichen Fall von einem falschen Positiven [falso positivo – Person die unschuldig Repression erfährt oder eine als vermeintliches Mitglied der Guerilla ermordete Person] gegen ein Mitglied der indigenen Gemeinschaft von Las Delicias.

Wir fordern die Medien auf, das Territorium zu betreten und die Informationen persönlich zu überprüfen, wir fordern die Angehörigen auf, entsprechende Beschwerden einzureichen, und wir fordern die indigenen Behörden auf, jegliche Aggression durch staatliche Kräfte zu achten. Wir müssen uns daran erinnern, dass es bereits viele Fälle von Identitätswechseln von Gruppen durch die Nationale Armee gibt, die von den Gemeinden angeprangert werden. Die Wahrheit kann nicht eingeschüchtert werden, um die Kriegstreiber dieses Landes zu begünstigen.

Volk und Würde, Manuel Marulanda lebt, der Kampf geht weiter!

 

Mobilen Kolonne Jaime Martínez

Westliches Koordinationskommando

Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens, Armee des Volkes

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Über 50 Tote bei Aufstand im Gefängnis Tuluá

Bei einem Aufstand und Fluchtversuch von Insassen im Gefängnis Tuluá in der westlichen Provinz Valle del Cauca sind bisher 51 Tote und Dutzende Verletzte zu verzeichnen. Der Fluchtversuch, so die staatlichen Medien, sollte in der Nacht von Montag zu Dienstag stattfinden und brach in einem Gefängnistrakt aus. Laut der staatlichen Medien gab es eine große Auseinandersetzung unter den Insassen und dann wurden Matratzen angezündet. In dem Trakt saßen mehr als 200 Insassen, im gesamten Gefängnis mehr als 1200. Es ist mit 17% überbelegt und offenbart ein seit Jahrzehnten existierendes Problem in Kolumbien. Die Gefangenen leiden unter unmenschlichen Bedingungen, es gibt eine permanente Überbelegung, Gewalt, kaum medizinische Versorgung und keine soziale Infrastruktur wie Rehabilitationsprogramme.

Schon in den Jahren zuvor gab es immer wieder Meldungen und Kampagnen von sozialen Organisationen zu den unmenschlichen Bedingungen in den kolumbianischen Gefängnissen. Davon betroffen waren auch politische Gefangene, die teilweise weit weg von ihrem zu Hause und teilweise isoliert untergebracht werden. Oftmals haben kriminelle und paramilitärische Strukturen innerhalb der Gefängnisse unter Mithilfe der korrupten Beamten die Macht übernommen. Zu Zeiten der alten FARC-EP konnten wenigstens politische Häftlinge vereint in Trakten untergebracht werden. Aufgrund ihrer Sozialisation in der aufständischen Bewegung versuchte man, einen politisch strukturierten Tagesablauf und auch Unterstützung von außen zu organisieren. Individuelle Häftlinge haben oftmals nur ihre Familien und sonst keine Unterstützung.

Der neugewählte Präsident Gustavo Petro sagte, die Regierung müsse ihre Gefängnispolitik neugestalten. „Der kolumbianische Staat hat das Gefängnis als einen Ort der Rache und nicht der Rehabilitation angesehen“, schrieb er auf Twitter. Petro, der sein Amt im August antreten wird, wies auf frühere Vorfälle hin, die zum Tod von Gefangenen im maroden und überfüllten Gefängnissystem Kolumbiens geführt hatten, darunter im Jahr 2020 in der größten Einrichtung des Landes, La Modelo in Bogotá. „Was in Tuluá passiert ist, wie das Massaker in La Modelo, zwingt zu einem vollständigen Umdenken in der Gefängnispolitik“, schrieb Petro. Bei diesem Vorfall wurden während der Coronavirus-Pandemie bei Protesten gegen unhygienische Bedingungen in ihrer Einrichtung mindestens 23 Gefangene getötet und über 80 verletzt.

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Erste Diskussionen zu Gesprächen mit FARC-Gruppen

Nach der Wahl von Gustavo Petro zum neuen Präsidenten Kolumbiens gibt es erste Stimmen für Gespräche mit den sogenannten dissidentischen Gruppen der FARC-EP, die sich dem im Jahr 2016 unterzeichneten Friedensabkommen zwischen FARC-EP und Regierung entzogen haben. So unterbreitet unter anderem der Senator Iván Cepeda diesen Vorschlag, der sogleich von großen Medien aufgegriffen wurde und zu zahlreichen Diskussionen führte. So entzogen sich mehrere Kommandierende aus der FARC-EP, Zweites Marquetalia, dem Friedensprozess, weil sie weder mit den Vereinbarungen noch mit der Umsetzung zufrieden waren. So tauchten der ehemalige Verhandlungsführer Iván Márquez sowie Jesús Santrich, Romaña und El Paisa, im August 2019 in einem Video auf, bei der sie die Widerbewaffnung verkündeten. Ein Teil der hochrangigen Kommandierenden wurde bei Militäroperationen bereits getötet.

Der ehemalige Präsident Iván Duque hielt immer an seiner Position fest, dass diese Dissidenten Kriminelle seien und verweigerte jegliche Verhandlungsoption. Senator Iván Cepeda, der ab dem 20. Juli den Sitz des Historischen Pakts übernehmen wird, hat jedoch einen Vorschlag vorgelegt. Eine der Prioritäten des gewählten Präsidenten Gustavo Petro besteht darin, den allumfänglichen Frieden in Kolumbien zu erreichen, wofür er persönlich vorschlug, dass die sogenannten Dissidenten eine zweite Chance bekommen. So meinte dazu Cepeda: „Ich denke, es könnte dazu dienen, die Dissidenten, die aus der Nichtumsetzung des Abkommens hervorgegangen sind, wieder in das Friedensabkommen aufzunehmen und auf diese Weise die FARC-Dissidenten zu beenden.“

So könnten die Meinungsverschiedenheiten durch die langsame und teilweise nicht vorhandene Umsetzung des Friedensabkommens ausgeräumt werden und die FARC-EP, Zweites Marquetalia, wieder in den Friedensprozess eingegliedert werden. So fehlen bisher wichtige Aspekte in der Umsetzung des Friedensabkommens, die auch aktuell in der neu entstandenen aufständischen Bewegung eine große Rolle spielen. Darunter zählen zum Beispiel die Agrarreformen, politische Reformen und Aspekte der Drogenhandelspolitik. Allerdings spielte dieser Vorschlag in der Kommunikation von Gustavo Petro bisher noch keine Überlegungen. Jedoch wird mit der Öffnung der Debatte durch Cepeda zumindest eine gesellschaftliche Diskussion geführt werden, wir man zukünftig mit Teilen der FARC-EP umgeht.

Im Zuge des Wahlerfolges von Gustavo Petro erfolgte die Veröffentlichung eines Kommuniqués der FARC-EP, Zweites Marquetalia, in der sie ihre volle Unterstützung für Gustavo Petro und Francia Márquez (afrokolumbianische Vizepräsidentin) zum Ausdruck brachten und bezeichneten die Ankunft des neuen Präsidenten im Regierungspalast Casa de Nariño als das Zeichen für den Wandel, den die Kolumbianer seit einigen Jahren fordern. So heißt es darin: „Lasst uns die Regierung des Lebens und der Hoffnung unterstützen (…) Die Politik der Liebe ist angekommen.“ Und weiter: „Lasst uns mit Leib und Seele alles tun für das gemeinsame Ziel, den vollständigen Frieden für Kolumbien zu erreichen. Wir müssen reden, um den Krieg zu beenden.“ Von Vorteil könnte zudem sein, dass die kooperierende ELN bereits ein Angebot für Gespräche an Gustavo Petro und seine Regierung unterbreitet hat. Sollte es also zu Gesprächen mit der ELN kommen, dann wäre die FARC-EP sicher politisch unter Zugzwang.

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Studie zur Situation in Provinz Arauca

Die Provinz Arauca war Anfang des Jahres von einem schweren bewaffneten Konflikt zwischen Akteuren betroffen, der immer noch weiter schwelt. Zudem herrscht eine kritische humanitäre Situation, die auf eine erhebliche Eskalation der Gewalt zurückzuführen ist, die die Bevölkerung betrifft. Dazu hat die Stiftung Pares eine kurze Studie zur aktuellen Situation veröffentlicht.

Wichtig ist es demnach, den erbitterten Krieg hervorzuheben, der sich zwischen den bewaffneten Strukturen, die auf dem Territorium operieren, hervorzuheben. Dies betrifft auf Seiten der FARC-EP die 10. und 28. Front sowie die Strukturen der Nationalen Befreiungsarmee (ELN). Gerade zu Beginn des Jahres 2022 war Arauca aufgrund der zahlreichen Morde im Grenzgebiet zwischen Arauca und Venezuela das Epizentrum der Gewalt und das Thema in den Nachrichten. So vor allem die Morde, bei denen nach Angaben des Verteidigungsministeriums die Hauptopfer Mitglieder der FARC-EP und Mitglieder der ELN waren, mit insgesamt 27 Morden in den ersten Tagen dieses Jahres.

Zudem gab es in den ersten 100 Tagen in der Provinz insgesamt 12 Vorfälle von Entführungen, gefolgt von Sprengstoffanschlägen (9) und bewaffneten Konfrontationen (5). Die häufigste Gewalt in Arauca waren Morde, da bis April insgesamt 159 Fälle gemeldet wurden, wobei der Januar mit insgesamt 65 Morden am gewalttätigsten war. Beim Vergleich der ersten vier Monate mit dem Jahr 2021 ist ein durchschlagender Trend der mörderischen Gewalt in der Provinz festzustellen, der darauf hindeuten kann, dass 2022 sicherlich das gewalttätigste des letzten Jahrzehnts, also seit 2012, sein wird. In dem Jahr, also 2012, begannen die Friedensverhandlungen der Regierung mit der FARC-EP.

In Bezug auf die am stärksten von der Eskalation der Gewalt betroffenen Gemeinden sind Saravena mit insgesamt 71 Tötungsdelikten betroffen, gefolgt von Arauquita mit 29 und Tame mit 26. Das zeigt, dass die Gemeinde Saravena weiterhin am stärksten von der Eskalation betroffen ist und hier die territorialen Kämpfe zwischen FARC-EP und ELN eine große Rolle spielen. Neben der Tötung von acht sozialen Anführern sind auch die Zwangsvertreibung eine der alarmierenden Formen der Gewalt. Mit einer Zahl von 1.120 Personen im Januar und 2.400 im Februar weist die Ombudsstelle darauf hin, dass dieses Phänomen größtenteils auf die bewaffneten Konflikte in Arauca sowie im Grenzgebiet zu Venezuela zurückzuführen ist.

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Ein linker Präsident in Kolumbien

In Kolumbien wurde in der Nacht mit Gustavo Petro das erste Mal ein linker Präsident in der jüngeren Geschichte des Landes gewählt. Auch wenn wir mit dem Begriff „links“ nicht gleich einen Systemwandel in Kolumbien vermuten – immerhin hat Gustavo Petro auch eine neoliberale Agenda – so gibt es in der Politik jedoch andere Ansprüche an das politische Regieren und in der Auseinandersetzung, als sein Gegenkandidat, der als Frauenhasser, Nazianhänger und korrupter Politiker alles andere als progressiv ist. Auch für die Umsetzung des Friedensprozesses, das Einbinden von populären und linken Organisationen sowie perspektivische Gespräche mit den aufständischen Bewegungen steht Gustavo Petro, selbst einmal Mitglied der Guerilla M-19, für eine andere Politik, die etwas mehr Hoffnung bringt.

Die vorläufigen Ergebnisse der Wahlauszählung des kolumbianischen Nationalregisters zeigen, dass Gustavo Petro vom Historischen Pakt der neue gewählte Präsident ist, nachdem er seinen Gegner Rodolfo Hernández von der Liga der Gouverneure gegen Korruption bei der Stichwahl besiegt hat. Nach dem Gewinn der Präsidentschaftswahlen in Kolumbien wandte sich der Kandidat Gustavo Petro in seiner ersten Rede als gewählter Präsident an seine Landsleute: „Dieser Tag, der zweifellos historisch ist, ist Geschichte, was wir in diesem Moment schreiben für Kolumbien, für Lateinamerika, für die Welt, eine neue Geschichte, denn was hier heute passiert ist, mit diesen 11 Millionen männlichen und weiblichen Wählern, ist zweifellos eine Veränderung“, sagte er.

In seiner Rede und seinem Politikansatz verweist er auf drei spezifische Achsen: Frieden, soziale Gerechtigkeit und Umweltgerechtigkeit. Der neu gewählte Präsident erklärte, seine Regierung setze auf ein „großes nationales Abkommen zur Friedensschaffung“, bei dem die kolumbianische Gesellschaft „mehr Möglichkeiten“ habe. „Wir werden die Macht nicht einsetzen, um den Gegner zu vernichten, das bedeutet, dass wir uns selbst vergeben“, versicherte er und lud auch seine Gegner zu seiner neuen Regierung ein. Mit Francia Márquez wird es zudem eine afrokolumbianische Vizepräsidentin geben, die sich im Cauca für Frieden und soziale Gerechtigkeit eingesetzt hat. Sie stand in einem permanenten Konflikt mit der aufständischen Bewegung vor Ort, da sie sich klar gegen Krieg und Ausbeutung positionierte.

Bisher gibt es keine wesentlichen Meldungen über den Wahlvorgang aus den verschiedenen Regionen, die auch im Kontext des bewaffneten Konfliktes stehen. Einzig aus San Vicente del Caguán in der Provinz Caquetá, ein Epizentrum der FARC-EP, wurde ein Angriff auf eine Armeeeinheit gemeldet, wobei ein Soldat dabei. Zwei Personen, vermutlich von der 40. Front der FARC-EP „Jorge Briceño Suárez“, töteten den Soldaten. Dies kann jedoch auch im Zusammenhang mit den zuletzt erfolgten Angriffen und Liquidierungen der staatlichen Sicherheitskräfte auf Kommandierende der Guerilla stehen. Es wird generell interessant sein, wie sich nun die Politik zwischen Regierung und den aufständischen Bewegungen, beziehungsweise auch deren Positionierungen, darstellen werden.

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Nächster Kommandant der FARC-EP getötet

Die aufständische Bewegung muss den nächsten schweren Schlag gegen die Kommandoebene hinnehmen. Bei Kämpfen der Guerilla mit den staatlichen Sicherheitskräften in der Gemeinde Suárez, Provinz Cauca, wurde gestern der Tod von Leider Yohani Noscué, alias Mayimbú, bestätigt. Er war seit Januar, seit dem Tod von alias Jhonier, der oberste Kommandierende des Westlichen Koordinationskommando der FARC-EP im Südwesten, vor allem In Valle del Cauca, Cauca, und Nariño. Dabei handelt es sich um insgesamt 12 Strukturen mit rund 1800 Personen unter Waffen. Diese Strukturen sind mit Iván Mordisco und seinen Strukturen im Osten des Landes alliiert und führen einen Krieg um die Hoheit in den Territorien gegen ELN und FARC-EP, Zweites Marquetalia.

Mit dem Tod von Jhonier (Euclídes España Caicedo) im Januar dieses Jahres hatte Mayimbú das Oberkommando über die starken Strukturen im Südwesten erhalten. Mayimbú, geboren im Jahr 1991, begann seine Laufbahn in der aufständischen Bewegung schon in einem jungen Alter von gerade einmal 12 Jahren, als er operative Aufgaben als Milizionär übernahm. Mit dem Mindesteintrittsalter von 15 Jahren war er dann Mitglied der FARC-EP in der 6. Front, die auch in seinem jetzigen Gebiet im Cauca operierte. Vor seinem Oberkommando war er der Kommandierende der mobilen Kolonne Jaime Martínez, die in den Gemeinden Suárez und Buenos Aires operiert.

Das Westliches Koordinationskommando (Comando Coordinador de Occidente) ist eine Konföderation von Guerillafronten im Westen, die nach 2018 entstanden sind. In der letzten Zeit konnten sie ihren Einfluss enorm ausdehnen und bekämpften neben dem Staat und paramilitärischen Gruppen auch das ELN und die wenigen Strukturen der befeindeten FARC-EP, Zweites Marquetalia. Zum Westlichen Koordinationskommando gehören unter anderem die Front Carlos Patiño, die mobile Kolonne Jaime Martínez, die mobile Kolonne Dagoberto Ramos, die Front Rafael Aguilera sowie Fronten Adán Izquierdo, Franco Benavides und Urías Rondón.

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Angriff der FARC-EP mit zivilen Opfern

Bei einem Angriff mit einem Sprengsatz der FARC-EP auf eine Patrouille der Polizei in der Gemeinde Cartagena del Chairá in der Provinz Caquetá hat mindestens vier Todesopfer, alles Zivilisten, versursacht. Am Freitag explodierte am Vormittag eine Bombe in der ländlich geprägten Region im Süden Kolumbiens, die Schäden und zivile Opfer, darunter ein Kind, verursachte. Die Gegend ist eine Hochburg der Guerilla. Der Bürgermeister der Kleinstadt musste diese im Februar 2021 wegen Morddrohungen seitens der Guerilla verlassen.

In der Region um Cartagena del Chairá sind zwei starke Strukturen der FARC-EP aktiv, darunter die 40. Front „Jorge Briceño“ und die 62. Front „Miller Perdomo“. Alle Strukturen stehen unter dem Kommando des Oberkommandierenden Iván Mordisco, der die Führung nach dem Tod von Gentil Duarte übernommen hat. In der vergangenen zwei Wochen gab es eine Häufung an militärischen Aktivitäten der Guerilla gegen die staatlichen Sicherheitskräfte, die als Rache für den Tod an Duarte gewertet werden können.

Unterdessen gibt es Meldungen, dass bei einer Militäroperation der Armee im Nordwesten der Provinz Antioquia der Kommandierende der 36. Front Ricardo Abel Ayala Ortega alias Cabuyo getötet wurde. Diese Front sowie die 18. Front der FARC-EP in Antioquia waren mit der FARC-EP, Zweites Marquetalia, um Iván Márquez alliiert. In der letzten Zeit häuften sich die Meldungen über Aktionen gegen Kommandierende der verschiedenen Strukturen der Guerilla. Mit Cabuyo fällt damit eine weitere Person aus einer Kommandoebene, obgleich die 36. Front zuletzt kaum durch große Aktivitäten auffiel.

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FARC-EP erkennt Mord an Gentil Duarte an – Angriffe der Guerilla

In einem Kommuniqué des Zentralen Generalstabs der FARC-EP vom 30. Mai erkennt die Guerilla den Tod ihres ermordeten Kommandierenden Gentil Duarte an. Dabei wird Wert daraufgelegt, dass es nicht nur ein schwerer Schlag gegen die FARC-EP ist, sondern aufgrund der 41jährigen Erfahrung in der aufständischen Bewegung ein Schlag gegen alle Guerillas auf nationaler und internationaler Ebene. Gentil Duarte gehörte zu jenen Personen, die den mobilen Guerillakrieg perfektionierten, so das Kommuniqué.

„Der Zentrale Generalstab der FARC-EP grüßt herzlich und brüderlich das ganze kolumbianische Volk, alle Revolutionäre in der Welt, populäre und soziale Organisationen, progressive Parteien, Gewerkschaften, Studierende, Arbeitende, Frauen und Männer im Allgemeinen, unsere Guerilla-Einheiten im gesamten ausgebreiteten nationalen Territorium, Bolivarischen Milizen, die Zellen der PCCC, Bolivarische Bewegung für das Neue Kolumbien, an unsere politischen Gefangenen und an jeden, der bereit ist, gegen die ungerechten Irrtümer an jedem Ort der Welt zu kämpfen.

Wir bedauern, Ihnen mitteilen zu müssen, dass der kolumbianische Staat zusammen mit der Botschaft der Vereinigten Staaten am 4. Mai um 1:30 Uhr unter Ausnutzung des schmutzigen Krieges und auf niederträchtige Weise unser Kommandanten und Kamerad Gentil Duarte, feige ermordet wurde, während er mit seiner Partnerin in seinem Bett schlief (…)“ heißt es im Kommuniqué.

In dem Kommuniqué gibt es allerdings keinen Hinweis darauf, dass Iván Mordisco der neue Oberkommandierende ist. Allerdings hatte er bereits vor Tagen in einer Mitteilung an die Einheiten der Guerilla seine Befehlsgewalt kundgetan. Auch die verfeindete Guerilla ELN meldete sich zu Wort und gab bekannt, dass sie nichts mit dem Tod des Oberkommandierenden zu tun haben. Als Antwort auf den Mord an den Oberkommandierenden Gentil Duarte gab es mehrere Angriffe der Guerilla, vor allem im Südosten des Landes, wo die FARC-EP auch ihre Bastion hat. Die Angriffe ereigneten sich trotz eines zuvor am 24. Mai erlassenen einseitigen Waffenstillstandes im Zuge der Präsidentschaftswahlen.

So fanden Angriffe in den Provinzen Caquetá, Guaviare und Meta statt. Besonders im Fokus waren die Gemeinden Cartagena del Chairá, Caquetá, die Gemeinde San José del Guaviare in der gleichnamigen Provinz sowie in La Macarena und Vistahermosa in der Provinz Meta. Dabei gab es Verletzte auf Seiten der staatlichen Sicherheitskräfte, die im Mittelpunkt der Angriffe standen.

Während der Präsidentschaftswahlen konnte der fortschrittliche Kandidat Gustavo Petro zwar im ersten Wahlgang gegenüber den anderen Kandidaten gewinnen, doch in der notwendig gewordenen zweiten Runde kann Rodolfo Hernández, der von den Rechten unterstützt wird, rechnerisch die Mehrheit erlangen. Zuvor betonte die FARC-EP bereits im Kommuniqué zum Waffenstillstand: „Wir laden das gesamte kolumbianische Volk ein, für die Kandidaten zu stimmen, die bewiesen haben, dass sie dem Regime entgegentreten und mit voller moralischer und ethischer Autorität echte und programmatische wesentliche Veränderungen vorschlagen.“

Und weiter: „Das kolumbianische Volk zeigte seine Entscheidung zum Wandel während der gewaltigen und kämpferischen Demonstrationen im Zuge des nationalen Streiks im Jahr 2021. Das war eine tägliche Botschaft an die rückwärtsgewandte Oligarchie, wozu ein Volk, das des Elends, des Hungers und der Rückständigkeit überdrüssig ist, die uns der kolumbianische Staat unterworfen hat.

Die FARC-EP, die sich keiner Vereinbarung über Täuschung und Verrat unterworfen hat, setzt ihre Überzeugung fort, unblutige Lösungen zu suchen, die der großen Mehrheit echte Lösungen bieten. In diesem Sinne begleiten wir alle Bürger, um bei den Wahlen noch einmal zu zeigen, dass ihr Wunsch nach Veränderung und einer vielversprechenden Zukunft für alle Kolumbianer uns nicht aufhalten kann.“

Somit bleibt es auf politischer Ebene weiterhin interessant. Zum einen, wie die Guerilla den Wechsel ihres Oberkommandierenden vollziehen wird, der vor allem charakterlich und aufgrund seiner Kampferfahrungen eine schillernde Figur war. Zum anderen auch, ob es einen politischen Machtwechsel gibt und wenn nicht, ob es dann Auswirkungen auf die politisch-militärische Arbeit der Guerilla hat, wenn es grundlegendes Potenzial der unzufriedenen Menschen im Land gibt, aufgrund eines gescheiterten politischen Neuanfangs.

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Fehde zwischen Blutsbrüdern

Miguel Botache Santillana alias „Gentil Duarte“ war der Oberkommandierende der FARC-EP und hatte, zumindest in Großteilen des Landes, die mächtigsten militärischen Strukturen. Bei einem Angriff, sehr wahrscheinlich von den konkurrierenden Guerillabewegungen ELN und FARC-EP, Zweites Marquetalia, durchgeführt, wurde er Anfang Mai in Venezuela im Bundesstaat Zulia getötet. Sein Tod ereignete sich auf ähnliche Weise wie die von anderen Guerillaführern, darunter die Jesús Santrich, El Paisa und Romaña. Die letztgenannten drei gehörten jedoch der FARC-EP, Zweites Marquetalia, an, die unter der Linie von Iván Márquez steht und mittlerweile mit dem ELN alliiert ist. Zwischen der FARC-EP unter Gentil Duarte, nun ist Iván Mordisco der Oberkommandierende, und der FARC-EP unter Iván Márquez herrscht ein erbitterter Kampf um politische Deutungshoheit und vor allem um die Kontrolle von Territorien in Kolumbien.

Der Kampf zwischen den ehemaligen revolutionären Bruderorganisationen wird also so erbittert geführt, dass gegenseitig die Guerilleros und ihre Kommandierenden ermordet werden, anstatt sich einem gemeinsamen Feind zu widmen. Aber zu tief sind die Furchen. Während es vor geraumer Zeit Gespräche zwischen beiden sich als Nachfolgeorganisationen der FARC-EP bezeichnenden Organisationen gab, sind diese in einer Fehde geendet. Wie wir bereits berichteten, gab es erfolgslose Gespräche zum Zusammenführen beider Organisationen, doch zu unterschiedlich waren die Vorstellungen und Erwartungen beiderseits. Iván Márquez wurde von der einen Fraktion als Verräter der revolutionären Organisation angesehen, weil er im Friedensprozess der Verhandlungsführer war. Doch er wollte die Unterordnung der sich dem Friedensprozess entziehenden Gruppen unter Duarte und Mordisco an seine später gegründeten Strukturen des Zweiten Marquetalia, was diese jedoch ablehnten.

Die Fehde, ausgetragen in Kolumbien und im Nachbarland Venezuela, sorgt nun dafür, dass sich die aufständische Bewegung ihrer Führungspersonen entledigt. Der lachende Dritte ist der kolumbianische Staat mitsamt seinen Sicherheitsorganen. Auffallend sind die ähnlichen operativen Vorgehensweisen der Angriffe, über die es vor allem immer Spekulationen und wenig Fakten gibt. Nicht ganz ausgeschlossen ist ebenso eine Beteiligung kolumbianischer Kräfte oder zumindest das Weitertragen von Informationen aus den aufständischen Bewegungen heraus an kolumbianische Sicherheitskräfte. So wurde Gentil Duarte bereits am 4. Mai, nachdem er mit Sprengstoff angegriffen worden war, getötet. Unklar sind die Initiatoren. Es gibt Meldungen von einem Kommando des ELN, Meldungen von einem Angriff des Zweiten Marquetalia, aber auch eine kooperative Aktion.

Nun stehen sich also auf der einen Seite Iván Márquez, Kommandierender des Zweiten Marquetalia, und Iván Mordisco, Kommandierender der Strukturen um die 1.und 7. Front gegenüber, die sich frühzeitig von den Friedensverhandlungen unter Márquez lossagten. Die jüngsten Guerillakommandierenden, die in ähnlichen Umständen wie Gentil Duarte getötet wurden, waren Seuxis Pausias Hernández alias Jesús Santrich, Henry Castellanos Garzón alias Romaña und Hernán Darío Velásquez Saldarriaga alias El Paisa. Alle waren schillernde Kommandierenden in der alten FARC-EP und schließlich nach dem Scheitern des Friedensabkommens Mitglieder des Zweiten Marquetalia. Mit Gentil Duarte stirbt somit der vierte Anführer der sogenannten dissidentischen FARC-Gruppen innerhalb kürzester Zeit. Eine Annäherung der beiden verfeindeten Strukturen ist derzeit nicht zu erwarten, auch nicht aktuell, zum Jahrestag der Gründung der FARC-EP am 27. Mai in Erinnerung an die Operation Marquetalia im Jahr 1964.

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Kommandant Gentil Duarte getötet

Am gestrigen 25. Mai wurde der Tod von Miguel Botache Santillana, besser als „Gentil Duarte“, bekannt. Er war der Kommandant der FARC-EP und befehligte die größte Struktur in Kolumbien. Die ersten Informationen über den Tod von Gentil Duarte berichten über einen möglichen Angriff des ELN auf ein Lager der FARC-EP in der Gemeinde Jesús María Semprún im venezolanischen Bundesstaat Zulia. Eine ähnliche Version besagt, dass Anfang Mai die Sicherheit des Lagers der FARC-EP überrumpelt und Sprengstoff gezündet wurde. Dabei starb Gentil Duarte und mindestens drei weitere Guerilleros. Von mehreren Quellen wurde eine Nachricht bekannt, dass alias Iván Mordisco nun der Kommandierende der sieben Strukturen ist, die den selbsternannten Block „Jorge Briceño“ bilden.

Gentil Duarte hatte sein Operationszentrum der Strukturen im Osten des Landes und sein Herz war in der Provinz Guaviare. Daher gab es auch Spekulationen um seinen Aufenthalt und seinen Tod weit entfernt in Venezuela. Eine der Hypothesen könnte sein, dass er bei der Jagd der kolumbianischen Sicherheitsbehörden, vor allem bei der Operation der Polizei am 29. Juli 2021 in Agua Claro, Gemeinde San Vicente del Caguán, schwer verletzt wurde und sich wegen medizinischen Gründen in Venezuela befand. Es könnte auch eine Schutzmaßnahme sein, nach dem immer mehr Kommandierende ausgeschaltet worden sind, zuletzt zum Beispiel im Januar dieses Jahr im Westen des Landes Euclides España Caicedo alias „Jhonier“, der die Strukturen im Westlichen Koordinationskommando befehligte.

Der getötete Kommandant Gentil Duarte soll 56 Jahre alt geworden sein. Er stammte aus Florencia, Provinz Caquetá, und hatte rund 40 Jahre Erfahrung in der aufständischen Bewegung. Er stieg schnell innerhalb des ehemaligen Ostblocks der FARC-EP auf, seit er der 14. Front beigetreten war und schließlich die 7. Front befehligte. Als Kommandant dieser Front führte er vor allem Aktivitäten in der Gemeinde La Macarena in der Provinz Meta durch. Schnell gewann er das Vertrauen der Kämpfer und konnte über gute Kontakte zum ehemaligen Oberkommandierenden des Ostblocks, alias Mono Jojoy oder auch Jorge Briceño aufwarten. Zuletzt war er nicht nur Teil des Generalstabs des Ostblocks, sondern auch Mitglied des Zentralen Generalstabs der FARC-EP und wurde Teil des Verhandlungsteams der Guerilla im Zuge der Friedensverhandlungen im kubanischen Havanna.

Kurz nach der Ankündigung von Iván Mordisco, nicht mit seiner 1. Front am Friedensprozess teilzunehmen und stattdessen den bewaffneten Kampf fortzuführen, sendete man Gentil Duarte nach Kolumbien, um dieses Problem zu lösen. Nach seiner Ankunft im Land bot ihm die 1. Front jedoch an, Teil dieser ersten sogenannten Dissidentengruppe zu werden. Seit Ende 2016 schloss sich Gentil Duarte dann der neuen FARC-EP an und baute die Guerilla im ganzen Land mit unterschiedlichen Strukturen auf. Dabei wurde ihm Iván Mordisco sogar unterstellt. Seit dem ist es den Strukturen der FARC-EP unter Gentil Duarte gelungen, im Osten und Südosten die Hoheit gegenüber anderen Guerilla-Strukturen zu erlangen.

Mit der 1., 7., 28. und 62. Front ist die Guerilla besonders in Caquetá, Meta und Guaviare präsent. In der Provinz Arauca führt sie mit der 10. und 28. Front einen harten Kampf gegen ELN und FARC-EP, Zweites Marquetalia. Im Norden, in der Provinz Norte de Santander, ist sie mit der 33. Front unter alias „Jhon Mechas“ präsent. In der südlichen Provinz Putumayo gibt es Operationen mit der Front Carolina Ramírez. Auf der anderen Seite ist es der Linie um Gentil Duarte im Südwesten des Landes gelungen, sich durch das Westliche Koordinationskommando (CCO) zu konsolidieren und ihre Präsenz in einem großen Teil des Departements Cauca, im Norden von Nariño, im Süden und Osten von Valle de Cauca, sowie im Westen von Huila und Tolima auszubauen.

Mit Iván Mordisco gibt es zwar nun einen Kommandierenden, der Gentil Duarte wahrscheinlich gleichwertig ersetzen kann. Doch die Zukunft der Guerilla ist mehr denn je in unsicheren Bahnen, denn mit dem ELN und der FARC-EP, Zweites Marquetalia, unter Iván Márquez gibt es eine starke Allianz auf der anderen Seite, die enormen Druck auf bestimmte Territorien auslösen. Es wird für neuen Zündstoff sorgen, wenn sich bestätigt, dass beide zusammenarbeitende Gruppen am Tod von Gentil Duarte beteiligt waren. Auf der anderen Seite sind die Strukturen der FARC-EP unter Iván Mordisco zumindest im Südosten so gefestigt, dass ihnen so schnell keine andere revolutionäre Bewegung gefährlich werden kann.

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Waffenstillstand der FARC-EP zu den Wahlen

„Die FARC-EP, Zweites Marquetalia, schließt sich dem einseitigen Waffenstillstand an, der von den Genossen des ELN erklärt wurde und mit dem versucht wird, die Wahl des neuen Präsidenten von Kolumbien mit einer Atmosphäre der Ruhe zu umgeben.“ Und weiter: „Es ist jetzt oder nie. Kolumbien muss sich befreien, muss sich aus dem schrecklichen Strudel des internen Krieges befreien, der es ihm nicht erlaubt, den Kopf zu heben. Je länger der Krieg andauert, desto größer werden die Wunden, wie unser Oberbefehlshaber Manuel Marulanda Vélez zu sagen pflegte“, so das Kommuniqué der FARC-EP, Zweites Marquetalia, welches am Wochenende veröffentlicht wurde.

Dieses Prozedere eines temporären Waffenstillstandes wird seit vielen Jahren von der aufständischen Bewegung praktiziert. Zum einen drückt es den Willen nach einer politischen Lösung des Konfliktes aus, zum anderen sollen tatsächlich so viele Menschen wir möglich überzeugt werden, ihr Kreuz zu setzen. Häufig ist es jedoch so, dass die Guerilla ihre Kandidaten vorher in Gesprächen mit der Bevölkerung deklariert. In diesem Jahr dürfte es mit dem Wahlbündnis des Historischen Paktes unter Gustavo Petro allerdings nicht so komplex sein. Die Wahlen finden am nächsten Wochenende statt. Zudem wird in dem Kommuniqué wieder einmal die Nähe zwischen ELN und der FARC-EP unter Iván Márquez deutlich.

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