Camilo – ein argentinischer Internationalist

Für die Medien in Lateinamerika war es ein gefundenes Fressen. Nichts ist besser, als über den bösen Weltkommunismus und revolutionäre Subjekte zu schreiben, die von Land zu Land ziehen, um Terror zu verbreiten. So ähnlich klingen alle Berichte zur Festnahme bzw. Auffinden des Argentiniers „Camilo“, der mit bürgerlichen Namen Facundo Morales Schoenfeld heißt. Klar ist aber auch, nicht nur für die Medien, auch für die Geheimdienste war Camilo ein Mysterium, der mit jungen Jahren zur FARC-EP kam, in der Elite-Struktur der mobilen Kolonne Teófilo Forero eine politische Funktion hatte und zuletzt von der Bildfläche verschwand. Wir als Solidaritätsnetzwerk Kolumbieninfo schrieben bereits vor Jahren im Oktober 2012 über ihn. Schließlich ist er einer von mehreren Internationalisten (Chile, Ecuador, Frankreich, Niederlande, Venezuela) innerhalb der FARC-EP gewesen. Nun wurde er bei den Protesten in der Nähe von Santa Cruz in Bolivien verletzt aufgefunden und befindet sich derzeit in einem Krankenhaus. Angeblich unterstützte er bei den Protesten den aus seinem Amt geputschten Evo Morales.

Geboren wurde er in San Miguel in Argentinien. Er studierte Soziologie und reiste bereits früh durch lateinamerikanische Länder. Er war Mitglied der Kommunistischen Partei in Argentinien. Im Jahr 2002 kam er nach Kolumbien und schloss sich wenig später durch internationale Kontakte der FARC-EP an. Zu jener Zeit befand sich die FARC-EP im Friedensprozess mit der Regierung Pastrana. Zeitnah wurde er mit politischen Aufgaben beauftragt. So war er für die Kontakte und Rekrutierung in den öffentlichen Universitäten, vor allem im Süden des Landes, zuständig. Neben Bogotá und Cali gehörten Neiva und Florencia zu seinem Aktionsfeld. Soziale Organisationen und vor allem soziale Proteste nutzte er zum Knüpfen von Kontakten, für politische Diskussionen und die klandestine politische Arbeit der FARC-EP. Ab Mitte der 2000er Jahre, inmitten des Militärplans Plan Colombia und der Zerstörung vieler politischer Strukturen der FARC-EP durch Repression, begann er mit der Wiederbelebung der PCCC, der Klandestinen Kommunistischen Partei Kolumbiens.

Er wurde auch mit der politischen Arbeit in der gefürchteten mobilen Kolonne Teófilo Forero betraut, einer Elite-Einheit der FARC-EP unter dem Kommando von Hernán Darío Velásquez Saldarriaga alias „El Paisa“. Heute befindet sich El Paisa bei der dissidentsichen Gruppe der FARC-EP (Zweites Marquetalia) mit Iván Márquez und Jesús Santrich. Die Teófilo Forero hatte ihren operativen Raum besonders in den Provinzen Huila und Caquetá in der östlichen Kordillere. Sie bestand aus mehreren Kompanien, unter anderem der Compañía Wilfredo Castañeda und der Compañía Sonia La Pilosa, benannt nach der vom Militär getöteten Lebensgefährtin von El Paisa. In der Hierarchie rückte er aufgrund seines politischen Verständnisses schnell nach oben auf. Er war auch zuständig für die politische Arbeit innerhalb der mobilen Kolonne Teófilo Forero und mit den Massen.

Zuletzt war er Teil der Compañía Wilfredo Castañeda und seine politische Arbeit trug besonders bei der lokalen Bevölkerung in der Region El Pato Früchte. Diese Region ist ein Beispiel für die bewaffnete Kolonisation in Kolumbien gewesen. Seit Jahrzehnten lebten hier Guerilla und Bevölkerung eng miteinander. In Diskussionen und Schulungen hatte er ständigen Kontakt nicht nur zu den eigenen Kämpferinnen und Kämpfern, sondern auch zu den Leuten in Guayabal, Puerto Amor, Santana Ramos und Guacamayas. Berichte gibt es jedoch auch, die ihn als streng und nicht sonderlich beliebt bei der eigenen Truppe charakterisieren. Teilweise wurde er aufgrund seiner rigiden politischen Haltung und seiner Art als Argentinier gefürchtet. Er war kein Kämpfer, sondern ein „politischer Kommissar“.

In den letzten Jahren der aufständischen Bewegung, als sie sich im Friedensprozess mit der Regierung Juan Manuel Santos befindet, wird Camilo angeblich seines Amtes enthoben. Ein Milizionär der FARC-EP hatte ihn mit Bauern beim Trinken gesehen. Für einen politischen Beauftragten und für den Kommandanten „El Paisa“ geht das gar nicht zusammen. Weitere Diskussionen gibt es um die Haltung von Camilo zum Friedensprozess. Er stellt sich gegen diesen und wittert Verrat an der revolutionären Sache. Er wird abgeschoben und ist nicht Teil des Wiedereingliederungsprozesses der FARC-EP. Es gibt Gerüchte, er will sich den dissidentischen Gruppen anschließen. Er wird im Süden in der Provinz Putumayo gesehen. Vermutlich nutzt er diesen Weg, um über die Grenze zu kommen. Nun wissen wir, er war in Bolivien. Doch wir wissen noch nicht alles über sein Leben und Wirken, er bleibt ein Mysterium.

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