Die politischen Erklärungen der FARC-EP – Das Manifest der FARC-EP

In der zurückliegenden Woche gab es die Veröffentlichung eines Politischen Manifestes, welches wir weiter unten dokumentieren, aber auch am Wochenende veröffentlichte die wiederbelebte FARC-EP eine politische Erklärung unter dem Titel „Es ist besser stehend zu sterben, als kniend zu leben“, welches sich größtenteils auf das Manifest beruft.

Darin heißt es unter anderem: „Als neue konstituierte Führung teilen wir offiziell mit, dass zwischen dem 22. und 25. August auf einem außerordentlichen Treffen der Kommandierenden beschlossen wurde, den bewaffneten Kampf der FARC-EP fortzusetzen und den Wiederaufbau und Wiederbelebung unserer Organisation und ihrer Strukturen zu formalisieren, der Milizen, der Klandestinen Kommunistischen Partei und der Bolivarischen Bewegung für ein Neues Kolumbien und wir den Strategischen Plan Bolivarische Kampagne für ein Neues Kolumbien beginnen, dessen Richtlinien vom Politischen Manifest der oben genannten Strukturen befolgt werden.“

Dies ist also ein Aufruf an die noch existenten Strukturen im Land, wie zum Beispiel der Klandestinen Kommunistischen Partei oder der Bolivarischen Bewegung, ihre Arbeit wieder aufzunehmen. Nochmals wird betont, dass die Entscheidung zur Wiederaufnahme der Waffen „die Reaktion auf den Verrat des Staates am Friedensabkommen von Havanna und der Aufmarsch des bescheidenen, ignorierten und verachteten Kolumbiens in Richtung Gerechtigkeit, die die Hügel der Zukunft auf der Suche nach wahrem Frieden aufblitzen lässt und die Flügel seiner Sehnsüchte ausbreitet in der perfiden Absicht des Establishments und in der Erwägung, dass der Aufstand keine geschlagene oder besiegte Flagge ist.“

Wiederum wird der Guerilla der ELN ein Kooperationsangebot unterbreitet und an diejenigen Genossen, „die die Fahnen dieser wehenden Heimat nicht eingeklappt haben.“ Ziel ist nicht der einfache Soldat oder Polizist, der die Interessen des Volkes respektiert, sondern „diese ausschließende und korrupte, mafiaartige und gewalttätige Oligarchie, die glaubt, dass sie dem Land weiterhin die Türen der Zukunft versperren kann.“

Der frühere Präsident Santos schwor mit eindringlicher Stimme des Friedensnobelpreises, dass er wie vereinbart kein einziges Komma ändern werde. Aber die wichtigen Punkte des Havanna-Abkommens wurden ab dem Moment seiner Unterzeichnung zurückgezogen. Und jetzt versichert Iván Duque, der Nachfolger des Mörders vom Kommandanten Alfonso Cano in der Präsidentschaft der Republik, ohne zu protestieren, dass das, was er nicht unterzeichnet hat, ihn nicht verpflichtet und ignoriert, dass das Abkommen mit dem Staat unterzeichnet wurde.

Betont wird ganz klar als politisches Ziel eine konstituierende verfassungsgebende Versammlung. „Mit der Einführung des endgültigen Abkommens von Havanna wurde die Verpflichtung bekundet, alle Parteien, politischen und sozialen Bewegungen und alle im Land lebenden Kräfte aufzufordern, ein umfassendes NATIONALES POLITISCHES ABKOMMEN zur Festlegung institutioneller Reformen und notwendigen Anpassungen zu schließen, um den Herausforderungen des Friedens zu begegnen und einen neuen Rahmen für das politische und soziale Zusammenleben zu schaffen.“

Wir dürfen uns nicht von Kriegern und Tyrannen in die Enge treiben lassen. Lasst uns eine einzige Faust hochhalten und für eine neue Übergangsregierung zusammenarbeiten, die das Produkt einer großen Koalition von Kräften des Lebens, sozialer Gerechtigkeit und Demokratie ist, um einen neuen Friedensdialog einzuberufen, der alle bewaffneten Akteure einbezieht, damit wir einen endgültigen, stabilen und dauerhaften Frieden finden können, ohne weitere Morde an sozialen Führern und ehemaligen Guerillakämpfern, so die aktuelle Erklärung vom 1. September.

Dazu erschienen in den letzten Stunden Aufrufe verschiedenen Kommandierenden, die sich nun in der neubewaffneten FARC-EP befinden. So veröffentlichte Oscar Montero alias El Paisa einen Aufruf unter dem Namen „Für den Kampf für einen wirklichen Frieden mit Sozialer Gerechtigkeit“ sowie die Kommandierenden Edinson Romaña und Aldinever Morantes einen Aufruf an die Gemeinden und Personen in den sogenannten Widereingliederungszonen mit dem Titel „Den Frieden erbettelt man nicht, ihn erobert man kämpfend“. WEs bleibt abzuwarten, in wie weit diese Erklärungen dafür sorgen, neue politisch-militärische Schlagkraft und vor allem neue Personen zu gewinnen.

Nun zum Politischen Manifest der FARC-EP, veröffentlicht am 29. August 2019, welches wir aus dokumentarischen Zwecken aufführen:

MANIFEST

Solange es Mut zu kämpfen gibt, gibt es Hoffnung zu siegen

Eine neue Etappe des Kampfes für das Erwachen des Bewusstseins

Von Inírida aus, das mit der Zärtlichkeit seines Süßwassers den Amazonasdschungel und den Orinoco streichelt, umströmt vom Duft nach reifer Ananas des Vaupés, verkünden wir der Welt, dass das zweite Marquetalia begonnen hat. Wir berufen uns dabei auf das universelle Recht aller Völker der Welt, sich bewaffnet gegen die Unterdrückung zu erheben.

Es ist die Fortsetzung des Guerillakampfes als Antwort auf den Verrat des Staates am Friedensabkommen von Havanna. Es ist der Marsch des einfachen, ignorierten und verachteten Kolumbiens hin zur Gerechtigkeit, die die Hügel der Zukunft erhellt. Es wird die Zukunft des sicheren Friedens sein, der nicht verraten wird, die ihre Flügel der Sehnsüchte des Volkes ausbreitet und sich über die Niederträchtigkeit des Establishments erhebt.

Die Rebellion ist weder verloren noch besiegt; deshalb setzen wir das Vermächtnis von Manuel und Bolívar fort und arbeiten von unten und mit den Unteren für den politischen und sozialen Wandel.

Wir wollen unsere Kräfte mit der ELN-Guerilla und mit denjenigen Genossinnen und Genossen koordinieren, die weiterhin die Fahne für eine Heimat für alle hochhalten.

Dieser Aufstand erhebt sich nicht wie der Phönix aus der Asche, um in den Tiefen des abgelegenen Dschungels zu agieren. Nein. Er wird leuchtend aus dieser nebligen Ferne fliegen, um mit der Kraft der Liebe die Träume von einem würdevollen Leben und einer guten Regierung zu umfassen, nach der sich die einfachen Menschen sehnen.

Das Angriffsziel ist weder der Soldat noch der Polizist, der Offizier oder der Unteroffizier, der die Interessen der Bevölkerung achtet. Angriffsziel wird die ausschließende und korrupte, mafiöse und gewalttätige Oligarchie sein, die glaubt, dass sie weiterhin die Tür zur Zukunft eines Landes verschließen kann.

Eine neue Modalität zu operieren wird der Staat kennenlernen. Wir werden nur auf die Offensive reagieren. Wir werden uns unter Klassenbrüdern nicht weiter gegenseitig töten, damit eine unverfrorene Oligarchie weiterhin unser Schicksal manipuliert und sich immer mehr auf dem Rücken der öffentlichen Armut und an den Dividenden des Krieges bereichert.

Während der letzten Phase des Friedensprozesses in Havanna und in der kurzen Zeit von einem Jahr nach der Unterzeichnung des Abkommens konnten wir feststellen, dass es Militärs und Polizisten gibt, die den Frieden für Kolumbien ersehnen, genau wie die einfach Menschen. Sie – das uniformierte Volk – waren von den Vorteilen des Friedensabkommens angetan und wollten jetzt ihren Familien mehr Zeit widmen, einer Berufsausbildung, sie sollten sich vorbereiten auf die Verteidigung der Souveränität und ihre Waffen in den Dienst des Volkes stellen. Wir wissen, dass sie genug Macht haben wollten, um den korrupten Oberkommandierenden der Institution die Schulterklappen abzureißen…

Sie wollen nicht länger von schwachsinnigen Politikern instrumentalisiert werden für Falsos Positivos, Morde an sozialen Anführern und Ex-Kombattanten. Sie wollen nicht länger Komplizen von Paramilitarismus, Zwangsvertreibung, unmenschlicher Landenteignung und von einer Wirtschaftspolitik sein, der Millionen Kolumbianer zum Opfer gefallen sind. Es empört sie, dass nur sie sich jetzt auf die Anklagebank setzen müssen, während die politische Führung, welche die Befehle gab, das Schauspiel mit dem Spott der Straflosigkeit gleichgültig betrachtet.

Nach dem Friedensabkommen von Havanna distanzierte sich die überwiegende Mehrheit von der absurden Vorstellung, Handlanger Washingtons in einem ungerechten Krieg gegen Venezuela zu sein. Mitbürger und Weltbürger, unser Leitspruch ist: Frieden für die Kolumbianer, Frieden für unsere Nachbarländer, Frieden für die Kasernen, die ihre Visiere und Kanonen nicht gegen die Gemeinschaften richten. Einheit, Einheit, Einheit… Mobilisierung der Unzufriedenheit mit den schlechten Regierenden und für den Aufbau einer neuen gerechten Gesellschaftsordnung.

Wir geben hiermit den vollständigen Verzicht auf Entführungen mit wirtschaftlichen Absichten bekannt. Wir werden dem Dialog mit Geschäftsleuten, Viehzüchtern, Händlern und den Wohlhabenden des Landes Vorrang einräumen, um auf diesem Weg ihren Beitrag zum Fortschritt der ländlichen und städtischen Gemeinschaften zu erreichen. Die einzige Zwangssteuer – immer in Funktion der Finanzierung der Rebellion – wird von illegalen Ökonomien und den multinationalen Unternehmen erhoben, die unsere Bodenschätze plündern.

Wir werden mit euch gemeinsam hart im Kampf gegen Korruption, Straflosigkeit vorgehen, gegen die staatlichen Diebe, die wie Blutegel das Blut und sogar die Seele aus dem Volk saugen.

Wir werden weiterhin die Guerilla sein, die die Umwelt, den Dschungel, die Flüsse und die Fauna schützt, wie sie die Kolumbianer kennen und wir werden weiterhin die weltweiten vernünftigen Bemühungen unterstützen, dem Klimawandel Einhalt zu gebieten. Rechnet mit unserem massiven Widerstand gegen das Fracking, dass unser Grundwasser verschmutzt.

Wir wollen mit allen Strömungen des humanistischen Denkens zusammenarbeiten, um die Heimat der Zukunft aufzubauen. Wir Kolumbianer haben die Navigationskarte des Befreiers, um den Weg zu gehen hin zu „einer Volksregierung, einer zutiefst gerechten, moralischen Regierung, die Unterdrückung, Anarchie und Schuld in Ketten legt. Eine Regierung, die Unschuld, Menschlichkeit und Frieden herrschen lässt“.

Mit den Worten Marulandas: Wir verpflichten uns von Herzen und unermüdlich zum stetigen Kampf für die Veränderungen, motiviert durch die große Sache des Friedens mit sozialer Gerechtigkeit und Souveränität, für eine neue alternative Regierung, die das Land aus der allgemeinen Krise rettet.

Ja, unser strategisches Ziel ist der Frieden in Kolumbien mit sozialer Gerechtigkeit, Demokratie, Souveränität und Würde. Das ist unsere Fahne, die Fahne des Rechts auf Frieden, der das Leben garantiert. Das Leben ist das höchste Recht. Keines der fundamentalen Rechte kann angewendet werden, wenn es kein Leben gibt.

Deshalb wollen wir Frieden für alle mit Nahrung, Arbeit, Wasser, Wohnraum, Gesundheit, Bildung, Straßen, Handel, Anbindung, Erholung und die umfassendste Demokratie.

Der verratene Frieden

Die Geschichte Kolumbiens ist eine Geschichte, die vom Verrat an den Abkommen und den Hoffnungen auf Frieden geprägt ist.

Im Jahr 1782, nach Unterzeichnung eines Vertrags mit der spanischen Krone, der das Ende der Unterdrückung versprach, wurde der Guerillero Comunero José Antonio Galán am Ende verraten, verhaftet und bei lebendigem Leib gevierteilt. Die zerstückelten Teile seines Körpers wurden an Ortseingängen von Dörfern zur Schau gestellt, als Lektion und brutale Abschreckung um die Rebellion zu verhindern.

Nach der Schlacht von Boyacá – Morgenröte der Unabhängigkeit Unseres Amerika – breitete sich der Verrat wie Nebel aus, angetrieben von einem ungezügelten Streben nach Reichtümern und Macht. Und Santander war der Kopf des Verrats. Gemeinsam mit der Regierung in Washington versuchte er mit allen Mitteln, den Befreier Simón Bolívar umzubringen und sein Erbe zu zerstören; er verlieh den Mördern des Marschalls Antonio José, der die koloniale Unterdrückung mit seinen internationalistischen Soldaten in der Steppe von Ayacucho besiegt hatte, das Kreuz von Boyacá. Santander ist der Held der kolumbianischen Oligarchie und ihr Vorbild; er ist nicht der Held des Volkes.

Diese Santander-Oligarchie schnitt das Leben Jorge Eliécer Gaitán ab, dem vom Volk geliebten Anführer, der deshalb die Hoffnung auf Erlösung war. Ihre Unnachgiebigkeit verzieh Guadalupe Salcedo nicht, dem Anführer der liberalen Guerillas des Llano, der in der Befriedung der 1950er Jahre erschossen wurde. Sie ließen auch von Jacobo Prías Alape nicht ab, dem Sprecher der kommunistischen Guerilla bei den Friedensgesprächen mit der Regierung der Nationalen Front. Er wurde 1960 in der Ortschaft Gaitania hinterrücks ermordet.

Die politische Bewegung Unión Patriótica, die aus dem ersten Friedensdialog Regierung – Farc hervorging, wurde mit Schüssen ausgelöscht. Mehr als 5.000 Mitglieder und Anführer der UP wurden getötet. Eine ganze Generation von Revolutionärinnen und Revolutionären wurde massakriert.

Nach der Unterzeichnung des Friedensabkommens mit der Guerilla M-19, ermordete der Staat ihre wichtigsten Kommandanten, die Genossen Iván Marino Ospina, Álvaro Fayad und Carlos Pizarro Leongómez.

Und im Jahr 2011 ordnete ein Präsident der Republik mit Vorsatz und Tücke die Ermordung des Farc-EP-Kommandanten Alfonso Cano an, mit dem er seit Monaten Sondierungskontake hatte, um Friedensgespräche aufzunehmen. Dieser Verrat geschah nach der Bombardierung der Luftwaffe mit dem erschwerenden Umstand, dass der Kommandant der Aufständischen gefangen genommen und völlig wehrlos war.

Seit der Unterzeichnung des Friedensvertrags in Havanna und der naiven Entwaffnung der Guerilla im Gegenzug für Nichts, hört das Gemetzel nicht auf. Innerhalb von zwei Jahren wurden mehr als 500 Anführerinnen und Anführer sozialer Bewegungen ermordet, 150 Guerilleros sind tot, inmitten der Gleichgültigkeit und Untätigkeit eines Staates.

Als wir das Abkommen von Havanna unterschrieben haben, taten wir das mit der Überzeugung, dass es möglich ist, das Leben der einfachen und entrechteten Menschen zu ändern. Aber der Staat hat nicht einmal die wichtigste seiner Verpflichtungen erfüllt, nämlich das Leben seiner Bürger zu schützen und insbesondere Morde aus politischen Gründen zu verhindern. All das: die Trickserei, der Verrat und der Wortbruch, die einseitige Veränderung des Vertragstextes, die Nichterfüllung der Vereinbarungen seitens des Staates, die juristischen Konstrukte und die rechtliche Unsicherheit haben uns gezwungen, in die Berge zurückzukehren. Wir waren ideologisch nie besiegt oder geschlagen. Deshalb geht der Kampf weiter. Die Geschichte wird auf ihren Seiten festhalten, dass wir gezwungen waren, wieder zu den Waffen zu greifen. Wir übernehmen das Erbe von Manuel Marulanda Vélez. Wir sind die Kontinuität jener Heldentat, die 1964 in Marquetalia initiiert wurde.

Ex-Präsident Santos schwor mit der gekünstelten Stimme des Friedensnobelpreisträgers, dass er nicht ein einziges Komma des Vereinbarten ändern, dass er das im guten Glauben Unterschriebene erfüllen und uns nicht betrügen werde. Aber er hat es weder gewagt, an die Kleinbauern Ländereien zu übertragen, auf denen sie seit Jahrzehnten leben, was ganz leicht zu machen wäre. Sowohl der Landfonds wie auch die freiwillige Ersetzung illegaler Pflanzungen, begleitet von alternativen Projekten und der Verbesserung der Lebensbedingungen auf dem Land, sind vorerst in den Labyrinthen des Vergessens steckengeblieben. Nichts hat Santos getan, um die Versenkung der politischen Reform im Kongress zu unterbinden und er wusste, wie alle Kolumbianer, dass keine Guerilla sich entwaffnet, wenn keine vollen Garantien auf politische Partizipation für alle existieren. Und obendrein sabotierten sie die Speziellen Einschreibungen des Friedens für die Wahlen, die dazu vorgesehen waren, dass die Opfer der am stärksten vom Konflikt betroffenen Regionen eine Stimme im Kongress der Republik haben.

Dies sind Kernpunkte des Friedens. Jetzt versichert sein Nachfolger in der Präsidentschaft, Iván Duque, bedenkenlos, dass das, was er nicht unterschrieben hat, ihn auch nicht verpflichtet und er verleugnet so, dass das Abkommen mit dem Staat, nicht mit einer Regierung geschlossen wurde.

Wer sind Duque und das Centro Democrático, dass sie die Verpflichtung eines Staates negieren, die zur Verfassungsnorm erhoben wurde, die heute offizielles Dokument beim Sicherheitsrat der Vereinten Nationen und Sonderabkommen des Artikel 3 der Genfer Konvention ist? Der Staat, der seine Verpflichtungen nicht anerkennt, verdient weder den Respekt der Internationalen Gemeinschaft, noch seines eigenen Volkes.

Wir waren kurz davor, mittels Dialoges den längsten Konflikt der Hemisphäre zu beenden, aber wir scheiterten, weil das Establishment die Prinzipien zur Regelung der Verhandlungen nicht achten wollte, die Vertragstreue und den guten Glauben. Als sie erreicht hatten was sie wollten, nämlich die Übergabe der Waffen, zerstörten sie das Friedensabkommen bewusst, zerrissen dieses ‒ wie die Uribe-Anhänger sagen ‒ „verfluchte Papier“.

Im Rückblick war der erste Schritt des Verrats die Einberufung einer unangebrachten Volksbefragung, denn da der Frieden ein übergeordnetes Recht ist, gibt es nichts zu befragen. Es scheint so als wollte Santos eher Uribe eine Niederlage zufügen, als den Frieden absichern. Und er hat damit die wichtigste Errungenschaft Kolumbiens in den vergangenen Jahrzehnten aufs Geratewohl der Lüge, der Politikasterei und der medialen Manipulation des Uribismus ausgesetzt.

Der Gesetzgebungsakt 002 von 2017, der die staatlichen Institutionen zur Erfüllung des Friedensabkommens verpflichtet, wurde zusammenhangslos geschwächt, bis hin zum Verfassungsgericht, das dies absegnete. Falls einige Inhalte des Abkommens nicht mit der Verfassung vereinbar waren, wäre der Weg gewesen, sie so abzuändern, dass sie nicht im Widerspruch zu den Bestimmungen im Abschlussabkommen stehen, immer unter Einhaltung der internationalen Menschenrechtskonventionen und des humanitären Völkerrechts.

Die Abänderungen durch dieses Gericht beschädigten die Vereinbarung über Opfer und die Friedensjustiz, schafften die Autonomie der Sonderjustiz für den Frieden als abschließende Gerichtsbarkeit ab, modifizierten die Kontrollmechanismen nur um den Guerilleros eine Falle zu stellen, schlossen am Konflikt beteiligte Dritte aus und schützten sie durch Straffreiheit und weiteten die besondere Zuständigkeit für die Präsidenten der Republik aus. Das Gericht änderte unter Missachtung klarer Bestimmungen des Römischen Statuts bezüglich der Rekrutierung von Minderjährigen auch das Amnestiegesetz.

Dieses Gericht, das ein Urteil gefällte hatte, laut dem das Abkommen von den kommenden drei Regierungen nicht geändert werden kann, gab am Ende die Zügel an rechte Parlamentarier ab, die es unter dem Vorwand seiner normativen Umsetzung im Schnellverfahren vernichteten. Wir fragen: An welchem Ort des Planeten ist ein Friedensvertrag, der offiziell von einer Guerilla und einem Staat unterschrieben und von der Welt begrüßt wurde, einseitig auf diese infame Art durch Personen zerstört worden, die niemals Bevollmächtigte der beiden Seiten waren?

Der Generalstaatsanwalt, rechte Kongressmitglieder der Fraktion von Uribe und Duque und die Botschaft der USA dirigierten das unentschuldbare Scheitern des Friedens.

Die Worte von Jorge Eliécer Gaitán, an die wir beim Auftakt der Friedensgespräche in Oslo erinnert haben, erlangen heute, angesichts dieser Realität, eine überwältigende Gültigkeit:

„Glückselig diejenigen, die verstehen, dass die Worte der Eintracht und des Friedens nicht dazu benutzt werden dürfen, Gefühle des Grolls und der Vernichtung zu verbergen; unglückselig diejenigen, die in der Regierung hinter der Güte der Worte die Verachtung für die Menschen des Volkes verstecken, denn sie werden auf den Seiten der Geschichte als schändlich gekennzeichnet sein!“

Für die Nachfahren Santanders gilt weiterhin „Zuerst das Gesetz – in dem Fall das Strafrecht des Feindes – soll die Republik zum Teufel gehen“. Diese fundamentalistische Sichtweise zerstörte den Frieden.

Wie soll der Frieden auf diesen tristen Ruinen aufgebaut werden? Mit Etwas muss man anfangen. Und das muss eine neue Regierung im Nariño-Palast sein, die von einer großen Koalition der Kräfte des Lebens, der sozialen Gerechtigkeit und Demokratie eingesetzt wird und einen neuen Friedensdialog einberuft. Ein neuer Dialog, der die Hinterhältigkeit und Böswilligkeit beseitigt und an die Kette legt, der die Guerillakräfte einbezieht und alle bewaffneten Akteure, damit wir einen nachhaltigen, stabilen und dauerhaften Frieden schaffen können, besiegelt mit der kollektiven Verpflichtung des Nie Wieder. Ein neuer Friedensvertrag ohne erneute Morde an sozialen Anführern und ehemaligen Guerilleros, bei dem die Waffen wirklich aus der Politik herausgenommen und nicht mehr eingesetzt, nicht übergeben werden.

Schluss mit dem Santanderismus

Wenn wir uns nicht vom Fluch des Santanderismus befreien, werden wir Kolumbianer weder jemals Frieden, noch ein würdiges Heimatland haben. Mit dieser Last wird es unmöglich sein, weiterzukommen. Santander war ein falscher Nationalheld und „der Archetyp der Simulation: er hatte kein Gesicht, sondern eine Maske“. „Er war nicht das Paradigma Kolumbiens, sondern seiner Zerstörung“. Der Santanderismus ist „der Sieg des Gauners über den ehrenhaften Menschen“. „Ein schäbiger Wortverdreher, der seine Krallen auf dem Rücken der Rechtsverträge schärfte“, das war Francisco de Paula Santander. Er raubte die Anleihe von 1824. Er war unschlagbar in den Details, das heißt, bei Wahlen, Seilschaften, Klientelismus, Schmähungen, Intrigen, beim Organisieren von Mehrheiten im Kongress …; er kontrollierte die Justiz und die Legislative; er manipulierte die Presse von Bogotá. Er plante mit den USA, das Befreiungsheer zu spalten und zu demoralisieren; den Panama-Kongress zu sabotieren; Kolumbien zu zerteilen; seinen Rassismus durchzusetzen, Bolívar und Sucre zu ermorden und das politische und legislative bolivarische Werk abzuschaffen. Und er forderte die Invasion Perus in Groß-Kolumbien. Zurecht sagte der Befreier: „Was Santander angeht, so bleibt diesem perversen Mann schon nichts mehr zu tun, er hat alle Register der Intrige, der Bosheit gezogen, und damit will er mir Schaden und seine Partei schaffen … Die Existenz dieses Scheusals der Ungerechtigkeit ist ein ständiger Angriff auf die Regierung, mich selbst und auf Kolumbien.“

Eine neue Form Politik zu machen

Aus dem Blickwinkel der Pflicht und der Unschuld gesehen ist die Politik eine ausgeprägte Manifestation von Altruismus, die ‒ fernab von jeglichem individualistischen materiellen Interesse ‒ dazu führt, den Bürgern und der Heimat zu dienen, nicht um des Goldes oder des Ruhmes oder der Vorherrschaft willen, sondern um der Liebe und reiner Gefühle der Menschlichkeit willen; für die Würde des Lebens und der Heimat.

Aber die Politik in Kolumbien hat – mit Ausnahme ehrenhafter Ausnahmen ‒ aufgehört, eine lobenswerte Praxis zu sein, um sich in die Kunst des Diebstahls und der Täuschung zu verwandeln, begleitet von einer sonoren und demagogischen Rednergabe.

Die Mehrheit der Politiker und ihrer in der Exekutive, Legislative und Judikative eingesetzten Läufer denken nicht daran zu dienen, sondern sich zu bereichern. Sie denken sich jeden Tag Gesetze und noch mehr Gesetze aus, um Großunternehmen, das Kapital und sich selbst zu begünstigen, während sie das Volk weit, weit weg von ihren Herzen halten. Käufliche Justizbeamte legen das Gesetz mit zweierlei Maß aus.

Ein großer Teil unserer Probleme resultiert aus ihren absurden Gesetzen. Die Kontrolle der öffentlichen Finanzen, der Abschluss von Verträgen, saftige Bestechungsgelder, das ist das Einzige, was ihrem Ehrgeiz genügt. Und um das zu erreichen, kaufen sie alles: Sitze, Bürgermeister-, Gouverneursämter, Präsidentschaften der Republik, und auch hungrige Köpfe im Dunkeln, damit sie ihnen ihre Stimme geben.

Der Staat ist übernommen worden von den Gesetzlosen und der Mafia der Korruption und Straflosigkeit. Ihn zu retten und befreien liegt in den Händen der Mobilisierung des Bewusstseins, der Nation in Massen, des vereinten Volkes. Das ist die Kraft, die es kann.

Das Wort hat der Souverän

Ja, wir müssen diese Republik aus den Ruinen erheben. Und das kann nur das Volk tun, der wahre Souverän. Über ihm steht nur der Himmel. Die soziale und politische Bewegung Kolumbiens hat das Wort.

In der Einleitung zum Abschlussvertrag von Havanna steht eine Verpflichtung, die im starren Firmament der Nicht- Erfüllungen ausgesetzt wurde und die wiederbelebt werden muss; es handelt sich um den Aufruf an alle Parteien, alle politischen und sozialen Bewegungen und an alle lebendigen Kräfte des Landes, ein umfassendes NATIONALES POLITISCHES ABKOMMEN zu schließen, das darauf abzielt, die notwendigen institutionellen Reformen und Anpassungen zu bestimmen, um den Herausforderungen des Frieden zu begegnen und einen neuen Rahmen für das politische und soziale Zusammenleben zu schaffen.

Das herrschende System der neoliberalen Politiken, der Korruption und des Kriegs der aktuellen Klassenmacht hat uns zu zwei Wegen geführt: entweder es gibt eine Neuformierung als Ergebnis eines politischen Dialoges und die Institutionalisierung der Veränderungen, die aus einem offenen verfassungsgebenden Prozess hervorgehen oder diese Veränderungen werden früher oder später durch den Ausbruch der Unzufriedenheit eines ganzen Volkes in der Rebellion erobert werden.

Lasst uns weiter den am besten abgestimmten Ausweg versuchen; öffnen wir alle Wege der Annäherung; lasst uns analysieren und die vielen Antworten und Plattformen zusammenbringen, die im populären Lager und von kritischen Intellektuellen des Landes erarbeitet wurden und lasst uns mit ihnen eine einzige Fahne hissen, um als offener verfassunggebender Prozess zu marschieren und die Exklusion, das Elend und die enorme Ungleichheit zu überwinden; hin zur grundlegenden Demokratisierung des Staates und des sozialen Lebens, zur Wiederherstellung der Souveränität und mit dem Ziel, die Prozesse der Veränderung in Unserem Amerika zu beeinflussen und das Wohlergehen und gute Leben unseres Volkes sicherzustellen. Es geht auch darum, unsere Bestrebungen zu verstärken und sie auf eine neue Ebene zu bringen, wo dann eine verfassungsgebende Versammlung, die ausreichend repräsentativ ist und volle Handlungsgarantien hat, den strukturellen Veränderungen, die Kolumbien benötigt, den entscheidenden Impuls gibt.

Die jungen Menschen, die Frauen, die Kleinbauern, die Schwarzen und Indigenen, die Transportarbeiter, die Interessensvertretungen, die politischen Parteien, die Gewerkschaftszentralen, die Arbeitslosen, die Christen und die Angehörigen anderer religiöser Glaubensrichtungen, die Umweltschützer, die Sportler, die kommunale Bewegung, der Regenbogen LGTBI, diejenigen, die den Frieden erträumen, jede und jeder, wir alle müssen unsere Kräfte bündeln um das Ziel eines neuen Landes zu erreichen, einer neuen sozialen Ordnung; mit einer Wirtschaft, die im Dienst der Nation steht und geleitet von den Grundsätzen der Menschlichkeit die interne Produktion und Beschäftigung stimuliert. Kostenlose und qualitativ hochwertige Bildung auf allen Ebenen wird als das wichtigste Anliegen der Republik gesehen. Eine internationale Politik des Friedens nimmt die Idee Bolívars wieder auf, in dieser Hemisphäre eine Große Nation der Schwesterrepubliken zu bilden, die unsere Unabhängigkeit und Freiheit garantiert. Eine neue Ordnung, die mit der Proklamation der Souveränität die Auslieferung von Staatsangehörigen ächtet, das willkürliche Agieren multinationaler Konzerne und die Präsenz ausländischer Militärbasen auf dem Territorium verbietet.

Die transformatorische Kraft

Die Einheit der sozialen und politischen Bewegung des Landes mit ihren im Wind wehenden Fahnen für ein würdiges Lebens ist die transformatorische Kraft, die Kraft der sozialen Veränderung für deren Aufbau wir uns einsetzen müssen.

Die Stärke des Volkes liegt in der EINHEIT, in der nationalen Minga für die Würde Kolumbiens und seiner Menschen. Die transformatorische Kraft bildet sich mit der Einheit und der Stärke der verschiedenen Strömungen des Bewusstseins, die aus allen Himmelsrichtungen zusammenkommen, in denen der Wunsch nach einem neuen Heimatland brennt. Wir dürfen uns nicht von den Kriegstreibern und Tyrannen zurückdrängen lassen. Lasst uns eine einzige erhobene Faust sein, für eine neue Regierung, eine Übergangsregierung. Nicht weiter so wie bisher. Übernehmen wir das Ruder von Kolumbien und lenken es ohne Zeit zu verlieren an die Ufer der menschlichen Würde. Wir sind mehr. Setzen wir die Kraft der Einheit und der Vernunft ein, um eine Regierung in den Nariño-Palast zu bringen, die ihre Bürger liebt, ihre Nachbarn respektiert, Kriegsgegner, souverän und solidarisch mit den Völkern ist; mit einigen neuen Institutionen, in denen kompetente, ehrliche Menschen mit Verdiensten und menschlichen Gefühlen zusammenarbeiten. Eine Regierung, die für das Glück des Volkes sorgt.

Der Kampf geht weiter.
Mit Bolívar, mit Manuel, mit dem Volk an die Macht!

FARC, Ejército del Pueblo

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