In Kolumbien fanden nicht nur in den verschiedenen Wiedereingliederungszonen (ETCR) des Landes die Feierlichkeiten zum dritten Jahrestag des Friedensabkommens statt, sondern im Rahmen des internationalen Tages zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen auch vielfältige Aktionen statt. Gerade Lateinamerika bzw. Kolumbien gehören zu den sehr männerdominierten Gesellschaften, in der Frauen oftmals eine untergeordnete Rolle einnehmen müssen und weniger Rechte besitzen. Schon vor dem Friedensabkommen war die Diskussion zu Frauen- und Genderthemen in der ehemaligen Guerilla stark von unterschiedlichen Polen geprägt und nur langsam konnte sich die Erkenntnis durchsetzen, dass alle die gleichen Rechte haben.
Am zurückliegenden 23. November fand eine bemerkenswerte Feier in der ETCR Jhon Bautista Peña in der Gemeinde Anorí in der Provinz Antioquia statt. Nach mehr als einem Monat Vorbereitungen führte die farianische Gemeinschaft, wie die ehemaligen Kämpferinnen und Kämpfer der FARC heißen, einen Akt im Rahmen des internationalen Tages zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen durch. Die großen Säle des Dorfes waren mit Plakaten und Botschaften in Anspielung auf den aufständischen Feminismus geschmückt, um die zahlreichen Besucher*innen und Delegationen zu empfangen.
Gegen 10 Uhr erreichten drei große Chivas, große Überlandbusse für schwieriges Gelände, die ETCR und mehr als 200 Besucher*innen passierten den Eingang zum Dorf. Zuerst gab es eine Führung durch die kollektiven und produktiven Projekte der Wiedereingliederung, in der die ehemaligen Kämpfer*innen beschäftigt sind. Dazu gehörten die Obst- und Gemüsegärten, die Schneiderei, eine Bäckerei, die Geflügelzucht, die Bibliothek und das haus der Erinnerung. Klar erkennbar sind die Friedensbemühungen der Gemeinschaft, auch wenn der Staat den Verpflichtungen zur Einhaltung der vereinbarten Punkte nur wenig nachkommt. Als größtes Problem wird die Landfrage genannt, die Dritten und nicht den dort Lebenden, geschweige denn dem Staat oder der Kommune, gehören.
Nach den Führungen ging es in die große Aula, dem zentralen Ort der Gedenkfeier. Unter kulturellen und künstlerischen Aktivitäten wie Theater, Aktivitäten mit einem Gender-Schwerpunkt, Musik und anderen gemeinsamen Aktionen, die von verschiedenen Gruppen und Kollektiven aus Medellín, aber auch Anorí und anderen lokalen Orten durchgeführt wurden, baute man eine vertrauensvolle und freundliche Atmosphäre auf. Es wurde über den Frieden diskutiert und dass genau dieser Frieden nur dann vollständig erreicht wird, wenn Frauen und sexuelle Unterschiede berücksichtigt werden, Bevölkerungsgruppen, die in der Vergangenheit die Last eines macho- und patriarchalischen Systems tragen mussten, teilweise auch in der Guerilla.
Am Ende dieses ebenfalls mit Forderungen an die Politik befüllten Gedenktages unterzeichneten die verschiedenen anwesenden Organisationen, Institutionen und Gruppen einen Pakt mit dem Titel „Anorí frei von Gewalt gegen Frauen“, in dem sie ihre Verpflichtung bekräftigten, die Gemeinde zu einem Gebiet zu machen, welche den Aufbau der Gleichstellung der Geschlechter bestmöglich vollziehen muss. Victoria Sandino, Senatorin der Republik und Mitglied der Nationalen Kommission für Frauen, Geschlecht und Vielfalt der FARC, die ebenfalls an den Aktivitäten teilgenommen hat, erklärte: „Dies ist ein ganz besonderer Tag. Wir sind aus dem Feminismus heraus zum Gedenken an den 25. November, den Internationalen Tag zur Beseitigung der Gewalt gegen Frauen, angereist und tun dies nicht nur mit den ehemaligen Kämpfern, die in der ETCR leben, sondern auch mit den umliegenden Gemeinden. Und dies ist möglich dank der Unterzeichnung der Friedensabkommen, die vor drei Jahren unterzeichnet wurden. Unser Engagement für den Frieden bleibt intakt und unser Kampf für die Gleichstellung der Frauen in allen Bereichen verstärkt sich nur.“
Im Januar 2020 treffen sich die Delegierten der Partei der Alternativen Revolutionären Kraft des Volkes – FARC zu ihrem Kongress. Dieser Kongress ist nicht nur ein elementarer Bestandteil in der Entscheidungsgewalt der Partei, sondern vor allem richtungsweisend zur Bestimmung der Zukunft. Und die Zukunft sieht zumindest innerhalb der Partei alles andere als rosig aus, auch wenn die Rose das Parteilogo ist. Denn die Partei durchläuft derzeit einen schwierigen Prozess, der von Spaltungen, Unzufriedenheit und ernüchternden Wahlergebnissen geprägt ist.
An diesem Wochenende finden in dem Weiler Hector Ramírez, eine der ehemaligen Wiedereingliederungszonen der FARC im Rahmen des Friedensprozesses, die nun zu legalen Dörfern konvertierten, die Feierlichkeiten zum 3. Jahrestag der Unterzeichnung des Friedensabkommens statt. Das Dorf Agua Bonita, in dem sich die ehemalige Wiedereingliederungszone befindet, gehört zu den mittlerweile am besten entwickelten der auf dem ganzen nationalen Territorium bestehenden Zonen. Sie liegt in der Gemeinde La Montañita in der südkolumbianischen Provinz Caquetá.
Nach dem der aktuelle Präsident Iván Duque nach einem Jahr und etwas mehr als drei Monaten im Amt ist, erlebt er die größte Mobilisierung seit vielen Jahren in Kolumbien und erfährt damit seine bisher größte politische Krise. Grund der im ganzen Land getätigten Demonstrationen, Streiks und anderen Aktionen sind die Sozialreformen der Regierung sowie die aktuelle politische und soziale Situation im Land wie die mangelnde Umsetzung des Friedensabkommens mit der FARC.
In einem aktuellen Kommuniqué äußert sich die Partei FARC besorgt über die politischen Interventionsbestrebungen der kolumbianischen Regierung:
Mit großer Spannung erwartet man in diesen Tagen in Kolumbien die Mobilisierung zum Nationalstreik am 21. November. Gründe für den Nationalstreik sind die ökonomische, soziale und politische Situation im Land sowie die angekündigten Reformen der Regierung zu Arbeits- und Sozialfragen. Im Land gibt es derzeit eine große Unzufriedenheit aufgrund der Regierung unter Iván Duque, die dafür auch bei den zurückliegenden Kommunalwahlen abgestraft worden ist. Es gibt einen Anstieg der Gewalt im Land und für die einfachen Menschen ist es mittlerweile ein alltäglicher Kampf für ihre elementarsten Rechte.
Für die Medien in Lateinamerika war es ein gefundenes Fressen. Nichts ist besser, als über den bösen Weltkommunismus und revolutionäre Subjekte zu schreiben, die von Land zu Land ziehen, um Terror zu verbreiten. So ähnlich klingen alle Berichte zur Festnahme bzw. Auffinden des Argentiniers „Camilo“, der mit bürgerlichen Namen Facundo Morales Schoenfeld heißt. Klar ist aber auch, nicht nur für die Medien, auch für die Geheimdienste war Camilo ein Mysterium, der mit jungen Jahren zur FARC-EP kam, in der Elite-Struktur der mobilen Kolonne Teófilo Forero eine politische Funktion hatte und zuletzt von der Bildfläche verschwand. Wir als Solidaritätsnetzwerk Kolumbieninfo schrieben bereits vor Jahren im Oktober 2012 über ihn. Schließlich ist er einer von mehreren Internationalisten (Chile, Ecuador, Frankreich, Niederlande, Venezuela) innerhalb der FARC-EP gewesen. Nun wurde er bei den Protesten in der Nähe von Santa Cruz in Bolivien verletzt aufgefunden und befindet sich derzeit in einem Krankenhaus. Angeblich unterstützte er bei den Protesten den aus seinem Amt geputschten Evo Morales.
Nachdem ehemalige hochrangige Kommandierende der FARC-EP wie Iván Márquez, Jesús Santrich, El Paisa, Romaña und andere im kolumbianischen Osten die neue FARC-EP (Zweites Marquetalia) ausgerufen haben und wieder zu den Waffen gegriffen haben wird nun mit Spannung geschaut, wie die bereits unter Waffen stehenden Fronten um Gentil Duarte (Fronten 1, 7 und 27) dazu verhalten. Im Allgemeinen muss davon ausgegangen werden, dass die Gruppe um Iván Márquez zwar politische Führungspersonen in ihren Reihen hat, jedoch keine kämpferische Truppe. Bei der Gruppe um Márquez und Santrich handelt es sich um eine kleine Gruppe, die zwar enorm politisch geschult sind und in ihren Erklärungen einen klaren politischen Charakter erkennen lässt, vor allem auch mit der Suche um nationale und internationale Öffentlichkeit, doch bei den sogenannten dissidentischen Gruppen um Gentil Duarte handelt es sich um große Gruppen von Hunderten Kämpfern und Milizionären, die über eine politisch-militärische Kontrolle von großen Regionen im Süden Kolumbiens verfügen. Damit können Márquez und Santrich nicht aufwarten.
Kommuniqué der FARC zum Ausreiseverbot für Victoria Sandino nach Europa:
Nach dem Massaker an der indigenen Nasa-Gemeinschaft in der Gemeinde Toribío durch die Kolonne Dagoberto Ramos der dissidentischen FARC gab es einen Aufschrei in Kolumbien. Wiederholt wird der mangelnde Schutz von lokalen Gemeinschaften sowie von sozialen und politischen Bewegungen kritisiert. Im Mittelpunkt steht dabei die kolumbianische Regierung, die oftmals Hinweise der Gemeinden missachtet und Schutz verwehrt. Im Gegenteil, das Militär ist in viele Fälle von Ermordungen von sozialen Aktivisten und ehemaligen FARC-Kämpfern involviert.
Unterschiedlich könnten die Wahrnehmungen bezüglich der Regionalwahlen in Kolumbien kaum sein. Während innerhalb der FARC-Führungsriege das Ergebnis positiv angesehen wird, rumort es an der Basis. Und tatsächlich, erhofft hatten sich viele mehr von der ersten Teilnahme an den Regionalwahlen. Immerhin zeigen sie schließlich ein Bild davon, wie weit die Verankerung einer Partei und in diesem Fall der ehemaligen Guerilla, mit der Bevölkerung und der sozialen Basis ist. Und so muss das Resultat als durchwachsen angesehen werden.