Wie funktioniert der Zentrale Generalstab der FARC-EP?

Wie der Zentrale Generalstab der FARC-EP funktioniert, diese Frage stellen sich viele Institutionen, Medien und Beobachter. Auch wir als Informationsportal haben dies des Öfteren versucht zu erklären und können ähnliche Schlüsse ziehen, wie es die Stiftung Konfliktbewältigung (Fundación Conflict Responses – CORE) zuletzt herausgestellt hat. Wesentliche Merkmale sind vor allem in der zeitlichen Komponente zu sehen und auch im aktuellen Prozess, Verhandlungen mit der Regierung zu führen. Der potenzielle Friedensprozess ist einer der wesentlichen Faktoren in der Herausbildung von Befehlsstrukturen und einer kollektiven Entscheidungsgewalt im Zentralen Generalstab. Wichtig ist, dass erst die Verhandlungen mit der Regierung dafür gesorgt hat, dass es ein Treffen aller Kommandierenden der FARC-EP gab. Dies festigte die Strukturen enorm, wie wir es bereits im April (Bemerkungen zum Plenum und öffentlichen Auftritt der FARC-EP) und auch im März (Der Friedensprozess als Chance der Politisierung) herausstellten.

Schon früh bei der Gründung der Strukturen rund um den Zentralen Generalstab, der damals noch nicht so existierte, gab es ein Treffen der Kommandierenden im Jahr 2017 in der Region Guayabero. In jener Zeit leitete Gentil Duarte die verschiedenen Einheiten der Guerilla im Südosten. Zur gleichen Zeit war Iván Mordisco dafür verantwortlich, Waffen, Geld und Kämpfer in andere Gebiete des Landes wie Arauca, Catatumbo, Putumayo und Cauca zu schicken, um zu versuchen, lokale Einheiten zu stärken und sicherzustellen, dass sie sich dem Projekt unter Gentil Duarte anschließen. Die damaligen dissidentischen Strukturen waren im Aufwind, nach dem der Friedensprozess der „alten“ FARC-EP aus dem Jahr 2016 immer mehr als Scheitern angesehen wurde. So tauchten überall im Land neue Strukturen auf, die unter dem Banner der FARC-EP agierten. Noch waren diese Strukturen lose und eher lokal begrenzt. Gentil Duarte und Iván Mordisco erkannten die Wichtigkeit der Reorganisation und Neustrukturierung.

Das vielleicht beste Beispiel für diese Leute, die in die Regionen entsendet wurden, um das gemeinsame Projekt der FARC-EP zu stärken war Jhonier, der schließlich das „Wetsliche Koordinationskommando“ formierte. In diesem Bündnis waren schließlich mindestens sieben Einheiten organisiert, darunter Fronten, mobilen Kolonnen und Kompanien. Anfang 2020 ging das Bündnis, dass sich der 1. und 7. Front unterordnete, das erste Mal an das Tageslicht. Seitdem gewann das Westliche Koordinationskommando an Stärke. Jhonier war vorher auf der mittleren Kommandoebene der 1. Front im Süden des Guaviare tätig gewesen und wurde zu diesem Zweck Ende 2019 von Duarte und Mordisco und Duarte in die Provinz Cauca entsandt. Im gleichen Zeitraum, zwischen 2017 und 2020, gab es weitere Vernetzungen mit Strukturen in Antioquia, Arauca und Norte de Santander, die sich mit dem Projekt verbanden – immer mit Hilfe von Geld, Waffen und Kämpfern.

Zu dieser Zeit koordinierte der Zentrale Generalstab nur wenig untereinander. Gentil Duarte selbst war in der „alten“ FARC-EP Mitglied des Zentralstabs des Ostblocks der FARC-EP, hatte also durchaus Erfahrungen. war. Das erste Mal, dass ein Sekretariat des Zentralen Generalstabs in der Öffentlichkeit auftauchte – also ein kollektives Entscheidungsgremium, war ein Kommuniqué am 12. September 2019 als Reaktion auf das Erscheinen der FARC-EP, Zweites Marquetalia im August 2019 unter dem Kommando von Iván Márquez. Und erst am 16. April 2021 gab es wieder ein Kommuniqué der Gesamtstruktur, diesmal als Zentraler Generalstab der FARC-EP. Dies geschah im Zuge der Auseinandersetzungen der 10. Front mit den venezolanischen Streitkräften. Immer weiter ging die interne Kommunikation voran, sowohl in den beiden großen Blöcken im Osten und auch Westen, als auch intern als Zentraler Generalstab, der sich im Dezember 2021 noch einmal in einem Jahresrückblick positionierte.

Nach dem Tod von Gentil Duarte im Mai 2022 nahm die interne Kommunikation und auch das nach Außenauftreten zu. Iván Mordisco übernahm das Kommando des Zentralen Generalstabs und es wurden neue Entscheidungen über andere Einheiten der Organisation getroffen: zum Beispiel die einseitige Einstellung der Feindseligkeiten vor den Präsidentschaftswahlen 2022, das Verbot der Entwaldung (obwohl es hauptsächlich die Einheiten des Ostens betraf) der Befehl an Antonio Medina als Kommandanten der 10. Front, den Konflikt mit der ELN zu beenden. Es kam auch zu ersten Treffen und die Einbeziehung von Kommandierenden aus anderen Landesteilen bei vertraulichen Treffen mit der Regierung. Man erkennt also die Stärkung der kollektiven Entscheidungsgewalt als vorher nur das Orientieren an Entscheidungen.

Angesichts dieser Tendenz gibt es innerhalb des Zentralen Generalstabs ein Paradoxon: Je geringer der Fokus auf die Organisation – auf die Fronten und Kolonnen – desto deutlicher werden die Statuten und Disziplinarmechanismen angewendet. Gleichzeitig ist die Qualität der Statuten und Disziplinarmechanismen in mehreren Teilen des Landes sehr unterschiedlich und wird mitunter nicht einheitlich angewandt. In den Einheiten des Ostens gibt es laut CORE-Stiftung eine strikte Anwendung der Statuten und klare und partizipative Disziplinarmechanismen, während im Südwesten diese anscheinend nicht konsequent angewendet werden und viel von den Kommandierenden abhängt. Das bedeutet, dass die Tendenz, eine Organisation mit mehr Führung und Kontrolle zu sein, noch einen langen Weg vor sich hat, bis sie sich konsolidiert hat.

Neben Iván Mordisco als Oberkommandierender, der eine größere Partizipation und Vertikalität in der Entscheidungsfindung bevorzugt, trotzdem aber strikte Maßnahmen in der Durchsetzung fordert, ist es vor allem der angehende Friedensprozess, der für eine interne Stärkung der FARC-EP sorgt. Das Treffen der Kommandierenden in der Ebene des Yarí zwischen Ende März und Anfang April, war das erste Treffen, an dem fast alle Kommandierenden der verschiedenen Strukturen der FARC-EP teilnehmen und gemeinsam Entscheidungen treffen konnten. Die interne Tendenz des Zentralen Generalstabs geht in Richtung Zentralisierung, aber unter gemeinsamer Beteiligung der verschiedenen regionalen Einheiten in einem großen Bündnis. Die aktuelle Situation ermöglicht es den Kommandierenden, einen Fokus auf die Politisierung der Einheiten zu legen und an einem Gesamtkonzept zu arbeiten, dass erst am Anfang steht, fragil ist und noch lange nicht beendet sind wird.

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Immer wieder Propaganda der FARC-EP

In den zurückliegenden Tagen war die Propaganda der FARC-EP wieder einmal in den öffentlichen Medien zu finden. Garniert werden die Artikel mit einer potenziellen Angst in der Bevölkerung vor der terrorisierenden Guerilla. Dass die Guerilla seit Jahrzehnten in den verschiedenen Regionen präsent ist, einen weitreichenden Austausch mit der Bevölkerung pflegt und auch sonst Maßnahmen wie Justiz und Sicherheit übernimmt, weil der Staat nicht in der Lage dazu ist, wird jedoch verschwiegen. Dabei ist es mehr als normal, dass gerade um den Jahrestag der Gründung der FARC-EP öffentliche Aktionen der aufständischen Bewegung stattfinden.

Laut Medien sorgten das Auftauchen eines Plakats und anderer Materialien im Zusammenhang mit der FARC-EP in der Provinz Santander für Aufregung. In der Gemeinde El Playón gab es vielzähliges Propagandamaterial der 33. Front der FARC-EP zu sehen, darunter große aufgehängte Plakate an Landstraßen. In Neiva, Provinz Huila, untersucht die Polizei Flugblätter, die der FARC-EP zugeschrieben werden. Sie wurden zum Beispiel an verschiedenen öffentlichen Orten plakatiert. Auch aus der Provinz Caquetá werden ähnliche Vorfälle gemeldet.

Ebenso für Aufsehen sorgte eine öffentliche Feier der Front Carlos Patiño in der Provinz Cauca. Hier wurde im Süden der Provinz in einer Gemeinde der 59. Jahrestag der Gründung und des Kampfes der FARC-EP gefiert. Die Feier fand am 27. Mai im Sportzentrum des in Playa Rica statt und wurde von vielen lokalen Menschen besucht, zu der Alkohol konsumiert und zum Rhythmus der von einigen Gastkünstlern gesungenen Lieder gesungen wurde. Bereits im Vorfeld lud die Front Carlos Patiño die Bevölkerung zur Feier ein. Alle genannten Strukturen gehören zum Zentralen Generalstab der FARC-EP unter dem Kommando von Iván Mordisco.

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Die Geburt der FARC-EP – 59 Jahre Widerstand

Die Geschichte der kolumbianischen Guerilla FARC-EP, die bis heute existiert, ist eng mit der kolumbianischen Geschichte verknüpft, die ihren Ursprung in der tiefen sozialen Ungleichheit, Ungerechtigkeit und in den elitären Machtverhältnissen hat. Aus einer Selbstverteidigungsgruppe von Bauern, die sich gegen die repressiven staatlichen Sicherheitskräfte und Paramilitärs zur Wehr setzten, vertrieben von ihrem Land, herausgerissen aus ihrem einfachen Leben, hineingeraten in den Hunger von Machtbesessenen, entwickelte sich die größte und mittlerweile älteste Guerilla des lateinamerikanischen Kontinents. Der Angriff im Mai 1964 auf Marquetalia, gelegen in der Provinz Tolima, ist das Gründungsdatum der FARC.

Im Mai 1964 beginnt der militärische Angriff auf Marquetalia mit 16. 000 Mann, der im Rahmen des Plan LASO (Latin American Security Operation) vom Pentagon der Vereinigten Staaten entwickelt wurde. Sie errichteten riesige Belagerungsringe gegen die sogenannte „unabhängige Bauernrepublik“ in den Bergen, verriegelten alle Ausgänge, schossen mit Maschinengewehren und Raketen, landeten Truppen und drangen tief in das Gebiet ein, füllten die Nacht mit Explosionen und Leuchtkörpern, griffen Ziele mit Napalmbomben an und besetzten die Berge. Hubschrauber und Bomber erschütterten die Luft mit ihren Kriegsgeräuschen.

Die ersten Zusammenstöße mit den Bauern Marulandas finden am 27. Mai in der Schlucht des Flusses Atá statt, einem Meilenstein, der das Gründungsdatum der FARC markiert. Die Angreifer fielen in einen Hinterhalt, die Bauern unter Manuel Marulanda Vélez empfingen sie mit blitzendem Feuer, das aus dem Nebel kam und schlugen sie zurück. Entgegen aller Erwartungen stürzten sie über den Krieg mobiler Partisanen, eine unbesiegbare Taktik. Die 48 Männer schlugen kurz zu und verschwanden, um wieder zuzuschlagen und wieder zu verschwinden. Sie hatten die Moral von Revolutionären und echten Kämpfern, sie kannten das Territorium und zogen sich schließlich der Übermacht zurück, um ein revolutionäres Projekt zu wagen.

 

„Als vor 60 Jahren die Oligarchie den Bruderkrieg in unserem Land durch offiziellen Terrorismus und parteipolitischen Hass entfesselt hat, um Veränderungen im Besitz von Land und der Wiederherstellung der politischen Macht zu suchen, hat sie die enorme Widerstandsfähigkeit unseres Volkes und die kolossalen Dimensionen seiner Würde verleugnet.

Wie Hunderttausende Bauern wurde Pedro Antonio Marín seither von der Regierung und den paramilitärischen Attentätern der damaligen Zeit verfolgt, gezwungen, ihre Ruhe, Arbeit und Besitztümer aufzugeben und sich dann zu verteidigen, um die offizielle Barbarei zu überleben, die in der schrecklichen Episode unserer nationalen Geschichte fast 300. 000 Landsleute das Leben kostete und die ungestraft zur Plünderung von Millionen Hektar fruchtbaren Bodens führte, die in die Hände mächtiger liberaler und konservativer Führer im ganzen Land übergingen.

Seitdem hat er dank seiner Führungskraft und seiner enormen politisch-militärischen Fähigkeiten, der später Manuel Marulanda Vélez zu Ehren des ermordeten Gewerkschaftsführers heißen sollte, seine militärische Erfahrung assimiliert und eine Vision der revolutionären und kommunistischen Welt entwickelt, die es ihm ermöglichte, die tieferen wirtschaftlichen, sozialen und politischen Ursachen nicht nur seiner eigenen persönlichen Situation, sondern auch der tiefen Ungleichgewichte, der Gewalt und der Ungerechtigkeiten in unserer Gesellschaft voll und ganz zu verstehen.

Als 1964 die Oligarchie im Süden von Tolima eine neue verbrecherische Militäroffensive gegen die Bauernschaft unter dem Namen Plan LASO unter offener Leitung des amerikanischen Pentagons startete, erhob sich Manuel Marulanda Vélez zusammen mit 47 Bauern nach unzähligen politischen Friedensdemonstrationen, die nicht befolgt wurden, bewaffnet, um der Aggression entgegenzutreten und der Lösung auf den Grund zu gehen: um die politische Macht zu kämpfen und die Grundlagen für eine Gesellschaft mit sozialer Gerechtigkeit zu legen, die zum Sozialismus übergeht. Wenn Washington und die Oligarchie den revolutionären Kampf auf demokratischen Wegen nicht zulassen, dann wählen wir diese einzig mögliche Option und die FARC wird geboren.“

Aus Resistencia Internacional, Mai 2009

Internationales Organ der FARC-EP, 37. Ausgabe

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Kommt der Krieg zurück?

Nicht einmal sechs Monate dauerte der bilaterale Waffenstillstand, den die Regierung von Gustavo Petro mit den Aufständischen des Zentralen Generalstabs der FARC-EP unter dem Kommando von Iván Mordisco vereinbart hatte. Der Bruch des bilateralen Waffenstillstands wurde nach einem Sicherheitsrat bekanntgegeben, den es nach mehreren Vorfällen gab, darunter die Ermordung von vier Minderjährigen in der Provinz Putumayo.

Der Öffentlichkeit wurde diese Entscheidung der Regierung vor allem mit dem Vorfall in Putumayo begründet, die von der Front Carolina Ramírez verübt wurde. Dabei ging es um die Rekrutierung von Jugendlichen in einem Gebiet zwischen Putumayo und Caquetá und ihre Desertation. Die Front erklärte: „Wir haben unseren Friedenswillen seit dem 22. September 2022 unter Beweis gestellt“ und versichert, dass dies durch die Einstellung der „Offensive gegen die Streitkräfte und die anschließende Zustimmung zu einem bilateralen Waffenstillstand belegt wird, um ein günstiges Umfeld für einen eventuellen Dialog zu schaffen.“

Der bilaterale Waffenstillstand ist derzeit nur in den vier Provinzen des Landes ausgesetzt, in denen die meisten der Gruppen operieren: Caquetá, Meta, Guaviare und Putumayo. In diesen Regionen gibt es aber nun große Besorgnis bei führenden Persönlichkeiten und gesellschaftlichen Organisationen, die alle Akteure auffordern, den Weg des Dialogs wieder aufzunehmen, da sie eine Eskalation der Gewalt befürchten. Getragen wird diese Befürchtung vor allem von den zahlreichen sozialen Organisationen, die hier engagiert sind.

Von Seiten der FARC-EP wird der Bruch des Waffenstillstandes als vorschnelle Entscheidung gebrandmarkt. Obwohl ein Überwachungsmechanismus und auch ein Verhandlungstisch für Friedensgespräche vorgeschlagen wurde, ist seitdem nichts weiter von Seiten der Regierung passiert. In mehreren Kommuniqués der Guerilla wurde dies der Regierung bereits mitgeteilt. Generell scheint es keine große Motivation für Gespräche zu geben, auch Medien, Sicherheitskräfte und die rechtskonservative Gesellschaft mobilisieren gegen Friedensgespräche.

Der Zentrale Generalstab der FARC-EP reagierte am Montag auf die Entscheidung der kolumbianischen Regierung, den bilateralen Waffenstillstand teilweise einzustellen, mit der Warnung, dass diese Entschlossenheit „den Krieg auslösen wird.“ Und weiter: „Ein einseitiger Bruch wird einen Krieg auslösen und die Zahl der Toten, Verletzten und Gefangenen erhöhen, was einer totalen Friedenspolitik widerspricht.“ In dem Kommuniqué verweist man auf das Ziel des Präsidenten Petro, den totalen Frieden im Land erreichen zu wollen.

Der Zentrale Generalstab unter Iván Mordisco hat auch die US-Einmischung für die Aussetzung des Waffenstillstands verantwortlich gemacht. „Die angebliche Regierung des Wandels (von Petro), die nur in Reden und Versprechungen zu sehen ist, fährt fort, amerikanische Entscheidungen schnell zu treffen, wie die Anwesenheit des Südkommandos der Vereinigten Staaten am gestrigen 21. Mai 2023 im Sicherheitsrat gezeigt hat, in dem die offizielle und einseitige Beendigung des Waffenstillstands beschlossen wurde“, heißt es in der Erklärung. Petro traf sich in Bogotá mit der Leiterin des Südkommandos der Vereinigten Staaten.

Die FARC-EP erklärte, dass sie seit dem 22. September 2022 einen Friedenswillen gezeigt haben, als sie die Einstellung der Offensivhandlungen gegen die Streitkräfte ankündigten und später einen bilateralen Waffenstillstand akzeptierten. Die FARC-EP machte jedoch die Streitkräfte für mutmaßliche Verstöße gegen den Waffenstillstand verantwortlich. „In der Praxis war der Waffenstillstand immer einseitig, weil die Militäreinsätze, die erneut den Paramilitarismus als Staatspolitik erahnen, nie aufgehört haben“, so die Guerilla.

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Regierung suspendiert teilweise den Waffenstillstand

In einer Erklärung des Präsidenten Petro wurde gestern die radikale Entscheidung von Gustavo Petro bekannt gegeben, den bilateralen Waffenstillstand zwischen der kolumbianischen Regierung und dem Zentralen Generalstab der FARC-EP nach dem Massaker an vier Minderjährigen in der Provinz Putumayo zu suspendieren. Diese wollten laut Medienberichten von der FARC-EP desertieren und sind dann ermordet worden.

So wurde die Ermordung von vier Minderjährigen durch die Front Carolina Ramírez vom Zentralen Generalstab (EMC) der FARC-EP in der Provinz Putumayo bekannt. Die Regierung hat nach dem Bekanntwerden die Anhörung von Delegierten der Gemeinschaften und des Außerordentlichen Sicherheitsrates durchgeführt und aufgrund der schweren Verletzung des humanitären Völkerrechts durch die FARC-EP einseitig die Entscheidung getroffen, die Wirkungen des Dekrets 2656 aus dem Jahr 2022 teilweise auszusetzen.

Der bilaterale Waffenstillstand, den es derzeit mit dieser Organisation gab, soll in den Provinzen Meta, Caquetá, Guaviare und Putumayo ausgesetzt werden und alle Offensivoperationen der staatlichen Sicherheitskräfte wieder aufgenommen werden. Bei diesen Maßnahmen werden die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht geachtet. Wenn der bilaterale Waffenstillstand in bestimmten Gebieten nicht wirksam ist, um das Leben und die Unversehrtheit der gesamten Bevölkerung zu schützen, dann hat es keinen Sinn, daran festzuhalten. Die Entscheidung wird innerhalb der nächsten 72 Stunden wirksam, so die Erklärung des Präsidenten.

Darüber hinaus wird die FARC-EP aufgefordert, die Teilnahme ihrer Delegierten an den lokalen Vereinbarungen zu bestätigen, in denen der Waffenstillstand aufrechterhalten wird. Wir haben gesehen, welche Entspannung in anderen Gebieten, in denen die FARC-EP tätig ist, durch die Einhaltung des Waffenstillstands erreicht wurde und wie irreparable Schäden am Leben und an der Unversehrtheit der Gemeinschaften verhindert wurden, so weiter in der Erklärung. Die kolumbianische Regierung wird in den nächsten Stunden die Namen ihrer Delegation für den Verhandlungstisch mit der FARC-EP mitteilen, damit die Dialogphase unverzüglich eingeleitet werden kann.

Die Guerilla beschuldigte die Regierung, weil „die interne Bürokratie des Staates daran hindert, schnelle und gemeinsame Entscheidungen zu treffen, bis zu dem Punkt, zu warten, den Waffenstillstand einseitig zu brechen, ihre Sprecher am Verhandlungstisch zu benennen und die Haftbefehle auszusetzen, im Gegensatz zu der FARC-EP, die von Anfang an ihre Sprecher bereitgehalten hatte.“ In den Tagen zuvor wurde dies häufig von Seiten der FARC-EP angesprochen.

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FARC-EP mit scharfer Kritik an Regierung

In einem Kommuniqué des Zentralen Generalstabs der FARC-EP vom gestrigen 16. Mai üben sie scharfe Kritik an der Regierung und den staatlichen Sicherheitskräften. Im Allgemeinen geht es um wiederkehrende Militäroperationen gegen Einheiten der Guerilla und um den Friedenswillen der Regierung. So wird von der FARC-EP der bilaterale Waffenstillstand in Frage gestellt, sollten es kein Einlenken der Regierung und keinen Überwachungsmechanismus geben.

Dazu dokumentieren wir einige Passagen des Kommuniqués:

„Wir grüßen das kolumbianische Volk und sagen ihnen, dass wir weiterhin nach Szenarien für den Aufbau des Landes suchen, das wir wollen. Wir müssen ihnen jedoch mitteilen, dass trotz unserer Bemühungen um die Einhaltung des nationalen und temporären bilateralen Waffenstillstands durch die Regierung von Präsident Gustavo Petro zahlreiche Verstöße seitens der öffentlichen Gewalt in allen Regionen, in denen unsere Truppen stationiert sind, aufgetreten sind.

Seit der Unterzeichnung des Waffenstillstands wurden leider 10 Guerillakämpfer getötet und 20 weitere verletzt. Wir fragen uns also, ist der Waffenstillstand humanitärer Natur oder ist er eine Strategie, um sich gegen uns einen militärischen Vorteil zu verschaffen?

Gestern, am 15. Mai 2023, haben die Militärkräfte erneut den Waffenstillstand in der Provinz Nariño im Sektor La Laguna gebrochen, während unsere Einheiten gegen die paramilitärischen Strukturen der Los Contadores, Guachos und Allendes kämpften, die zur Segunda Marquetalia gehören, mit denen wir niemals einen Waffenstillstand haben werden, weil ihre Vision rein ökonomisch und nicht revolutionär ist.

Bei dieser Aktion zur Unterstützung dieser paramilitärischen Gruppen durch die öffentliche Gewalt wurden, wie es bei jeder Konfrontation mit diesen Strukturen üblich ist, drei Guerillakämpfer getötet, derer wir heute gedenken. Sechs weitere Guerillakämpfer wurden verwundet. Wir haben wiederholt darauf hingewiesen, dass die Armee mit ungeheurer Dreistigkeit den Paramilitarismus begleitet, nährt und schützt, und wo sie diese Gruppen es nicht schaffen, macht es die öffentliche Gewalt ohne zu Erröten. So wie es in der Gemeinde Tibú im Norden von Santander geschieht, wo Armee- und Polizeieinheiten als Autodefensas Gaitanistas de Colombia AGC auftreten, um Chaos in der Region zu stiften.“

Im weiteren Teil des Kommuniqués verweist die FARC-EP, die mit dem Zentralen Generalstab unter dem Kommando von Iván Mordisco steht, auf ein Ende des Waffenstillstandes und eine ungenügende Perspektive. Denn noch immer gibt es keinen Überwachungsmechanismus für den Waffenstillstand und keine weiteren Maßnahmen hin zu den Friedensgesprächen gibt. Dazu weiter die FARC-EP in ihrem Kommuniqué:

„1. Ab diesem Zeitpunkt rufen wir die Mitglieder des MVMV [Überwachungsmechanismus] zu einer internen Konsultation auf, bei der die Entscheidung getroffen wird, ob wir den Waffenstillstand fortsetzen oder ob diese Phase beendet wird. Dies ist eine Entscheidung, die wir sehr bedauern, aber wir möchten betonen, dass es nicht an unserem mangelnden Willen liegt, sondern an denen, die die Entscheidungen treffen, die dazu beitragen können, den Krieg zu beenden.

2. Wir machen Präsident Gustavo Petro Urrego, Oberbefehlshaber der Streitkräfte, und Danilo Rueda, Hochkommissar für Frieden, verantwortlich, dem wiederholt klare und konkrete Anschuldigungen anderer Verletzungen des Waffenstillstands vorgelegt wurden, und bis heute wurden die entsprechenden Untersuchungen nicht verfolgt, um eine Wiederholung zu verhindern, obwohl dies eine der Schlussfolgerungen der vorgezogenen Treffen war.

3. Die Einrichtung des Dialogtisches befindet sich in einer gefährlichen Lethargie seitens des Gezweiges der öffentlichen Gewalt und der Justiz, die wir ebenfalls dafür verantwortlich machen, dass diese Prozesse bei der Suche nach Frieden nicht beschleunigt werden. Auch die Haftbefehle für unsere Sprecher am Dialogtisch oder für die MVMV wurden nicht aufgehoben, weil sie uns in den Frieden der Gräber führen wollen.“

Schlussendlich bekräftigt die FARC-EP in dem Kommuniqué ihren Willen zum Frieden mit sozialer und ökologischer Gerechtigkeit. Des Weiteren rufen sie die Öffentlichkeit, die Medien und andere Akteure dazu auf, objektiv über den Konflikt zu berichten und nicht nur die Versionen der Elite zu übernehmen.

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Ländliche Bevölkerung will keine Militäroperationen

In der Provinz Cauca kam es erneut zu einer Operation der staatlichen Sicherheitskräfte, bei der die lokale Bevölkerung intervenierte und die Soldaten aufhielt. Die Soldaten und Polizisten befanden sich demnach in einer Operation gegen den Anbau illegaler Pflanzen. Häufig agieren die staatlichen Sicherheitskräfte mit Repression gegen die lokale Bevölkerung, weil diese illegale Pflanzen wie Koka anbauen. Dabei bleibt den Bauern oftmals keine andere Möglichkeit zum Überleben, sowohl auf Druck der bewaffneten Akteure in der Region und vor allem jedoch wegen der fehlenden staatlichen Infrastruktur. Ein Substitutionsprogramm, wie im Friedensabkommen zwischen FARC-EP und Regierung vereinbart, wird nur ungenügend umgesetzt.

Nach mehrstündiger Inhaftierung wurden die 26 Soldaten und zwei Polizisten, die von etwa 400 Personen in der Gemeinde Patía, Provinz Cauca, festgehalten worden waren, freigelassen. Dies geschah unter Vermittlung lokaler Behörden. Nach ihrer Freilassung erklärten die Mitglieder der staatlichen Sicherheitskräfte, dass sie bei guter Gesundheit seien, dass sie von der Bevölkerung der Gemeinde gut behandelt wurden und zum Dialog bereit seien. Diese Form des Protestes gegen eine repressiv auftretende Armee und Polizei findet immer häufiger statt, denn diese Aktionen der Armee und Polizei zerstören nicht nur die Lebensgrundlage ohne Alternativen zu schaffen, sie bedeuten häufig auch Menschenrechtsverletzungen.

Bereits vor einigen Monaten machten Formen des zivilen Widerstands der lokalen Bevölkerung in La Macarena, Provinz Meta, und auch in Los Pozos, Provinz Caquetá, Schlagzeilen. So wurden 30 Soldaten der Armee in La Macarena blockiert, die ebenfalls im sogenannten Anti-Drogen-Kampf tätig waren. In Los Pozos hielt die Bevölkerung sogar 79 Polizisten fest, die auf den Weg zu Protesten gegen eine Erdölfirma waren. Dabei starben jedoch ein Uniformierter und ein Zivilist. Die Militarisierung des Landes, verbunden mit Operationen der staatlichen Sicherheitskräfte, verschärft nur den Konflikt und löst nicht das grundsätzliche Problem in der jahrzehntelangen Vernachlässigung der ländlichen Regionen durch den Staat und der sozialen Ungleichheit.

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Geheimdienst untergräbt Frieden

Wie kompliziert die Lage im Kontext des Waffenstillstandes zwischen Regierung und FARC-EP ist, der maßgeblich von beiden Seiten strapaziert wird, zeigt ein aktueller Fall aus der Provinz Caquetá, in der sich nun der Zentrale Generalstab der FARC-EP mittels eines Kommuniqués zu Wort meldet. Darin äußern sie sich zu einem Vorfall und der Ermordung einer Person, die für den Telekommunikationsanbieter Claro im ländlichen Gebiet mit starker Präsenz der FARC-EP geheimdienstliche Aufgaben durchführte. Diese Person wurde in einem Dorf der Gemeinde Cartagena del Chairá tot aufgefunden.

In dem Kommuniqué vom 6. Mai gibt die FARC-EP an, dass es sich bei der Person offenbar um einen Geheimdienstmitarbeiter handelte, der Informationen über die Strukturen der FARC-EP gesammelt hat. Gerade die Region um Cartagena del Chairá, in dessen Nähe sich auch ein potenzieller Verhandlungsort der Friedensgespräche befinden soll ist ein Epizentrum der Guerilla und hier mit starken Strukturen präsent. Nach Angaben der FARC-EP gefährden diese Situationen den bilateralen Waffenstillstand und den Dialog. Denn auch das geheimdienstliche Agieren gegen die aufständische Bewegung könnte zu Angriffen gegen die Strukturen führen.

Im Kommuniqué heißt es: „Angesichts der Nachricht, die in den nationalen und lokalen Medien über die Ermordung des angeblichen `Auftragnehmers´ der Firma Claro in Nápoles-Caquetá kursiert, erlauben wir uns zu berichten, dass wir nach den Recherchen unserer Einheiten bestätigen konnten und überzeugende Beweise haben, dass dieser Mann als Spion gegen unsere Organisation tätig war, indem er Informationen, Koordinaten, Namen, Fotos und Orte zur Verfügung stellte; Informationen, die er, wie wir feststellen konnten, seit mehreren Tagen per Handy verschickt hat.“

Und weiter: „Die Informationen, die dieser Typ dem Geheimdienst, und von dem wir vertrauliche Informationen haben, per Handy übermittelt hat, gefährden und riskieren die Sicherheit und den Schutz unserer Einheiten, der Zivilbevölkerung und der Bauerngarde; denn die übermittelten Informationen können für bewaffnete Angriffe, Bombardierungen oder jede Art von Feindseligkeit gegen uns verwendet werden“, so der Zentrale Generalstab der FARC-EP. Die Informationen werden zudem an den Überwachungsmechanismus des Waffenstillstandes weitergeleitet.

Die FAC-EP richtet sich in dem Kommuniqué zudem an die Medien, die in den letzten Tagen mehrmals über die Region berichteten und der FARC-EP Vorwürfe machten, das Alltagsleben der Bevölkerung zu stören. Sie beriefen sich auf Steuern, welche die Guerilla von großen Unternehmen wie dem Telekommunikationsanbieter Claro erhob oder auch auf Plakate der Guerilla, in dem für die Rekrutierung der Front Rodrigo Cadete der FARC-EP geworben wird. Dies jedoch sind alltägliche Phänomene in den Gebieten der Guerilla, wo sie faktisch staatliche Aufgaben und auch die Kontrolle übernimmt, wenn der Staat nur mit einer Besatzungsarmee präsent ist.

In einem anderen Kommuniqué der FARC-EP vom 7. Mai wird von Verstößen gegen das Waffenstillstandsabkommen aus den Provinzen Cauca und Antioquia berichtet. Involviert sind hier die Strukturen der Front Carlos Patiño in Cauca und der 36. Front in Antioquia. Auch hier wurde der Mechanismus zur Überwachung des Waffenstillstandes informiert. Die Vorfälle zeigen deutlich, wie fragil der Frieden in den Provinzen ist und mit welchen mitteln auch der Geheimdienst und die staatlichen Sicherheitskräfte versuchen, den Frieden zu sabotieren.

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Wieder Freilassungen der Guerilla

Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) bestätigte, dass vor zwei Tagen ein Mann, der von der Front Jaime Martínez der FARC-EP des Zentralen Generalstabs, geführt von Iván Mordisco, im ländlichen Gebiet der Provinz Valle del Cauca gefangengenommen wurde, nun der Freiheit übergeben wurde. Die Freilassung geschah unter Vermittlung der Ombudsstelle und der UN-Verifikationsmission. In der Gemeinde Jamundí ist die Front Jaime Martínez stark präsent.

Auch die FARC-EP, Zweites Marquetalia, die unter dem Kommando von Iván Márquez steht, hat zwei Personen freigelassen. Diese wurden in der Provinz Caquetá freigelassen, die Vermittlung fand ebenfalls durch die Ombudsstelle und die Katholische Kirche statt, während die Freilassung über das Internationale Komitee vom Roten Kreuz von statten ging. Die mobile Kolonne Teófilo Forero nahm die beiden Personen zu einem Verhör fest.

Alle freigelassenen Personen waren bei guter Gesundheit. Aufgrund des bewaffneten Konfliktes hat das Internationale Komitee vom Roten Kreuz eine wichtige Funktion bei der Freilassung von Personen und in der Vermittlung. Der Appell, das humanitäre Völkerrecht zu achten, ist eine grundlegende Forderung des IKRK. Im Laufe des Jahres 2023 hat die Organisation bereits die Freilassung von 32 Personen ermöglicht.

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Partei Comunes mit Präsenz zum 1. Mai

Die linksalternative Partei Comunes, die aus der Guerilla FARC-EP im Rahmen des Friedensabkommens von 2016 heraus entstanden war, beteiligte sich in vielen Städten Kolumbiens an den Demonstrationen zum 1. Mai. Zuvor reif sie ihre Mitglieder und Sympathisanten auf, den Weg auf die Straße zu finden und Präsenz zu zeigen. Im Fokus standen dabei die Reformen der kolumbianischen Regierung sowie die Lebens- und Arbeitsbedingungen. Dabei versucht die Partei Comunes, die im Historischen Pakt mit anderen progressiven Parteien Kolumbiens zusammenarbeitet, wieder Boden unter den Füßen zu bekommen. In den letzten Jahren hagelte es Wahlniederlagen und auch aus der ehemaligen Guerilla heraus fehlte es an Unterstützung. Dabei wurde häufig die Parteiführung und auch die politische Ausrichtung kritisiert.

Mit der öffentlichen Präsenz, wie aktuell zum 1. Mai, sowie der Zusammenarbeit im Historischen Pakt, will die Partei Comunes einen letzten Strohhalm nutzen, um sich in der politischen Landschaft zu verankern. Zu den Kommunalwahlen will man außerdem durch das Aufstellen von aussichtreichen Kandidaten überzeugen. Eine Teilnahme der Partei an den Demonstrationen zum Internationalen Tag der Arbeit fand nicht nur in den großen Städten wir Bogotá, Medellín, Cali, Bucamaranga, Barranquilla oder Popayán statt, sondern auch in kleinen Städten wie Florencia (Caquetá), Mosquera (Cundinamarca) und Villavicencio (Meta) sowie in den Wiedereingliederungszonen wie zum Beispiel im Dorf „Simón Trinidad“ in Mesetas (Meta).

Der systematische Mord an Mitgliedern der ehemaligen Guerilla FARC-EP hört unterdessen nicht auf. So sind in den zurückliegenden Tagen erneut zwei Friedensunterzeichner ermordet worden. Am frühen Morgen des 30. April wurde Luis Antonio Piedrahita im Osten der Millionenstadt Cali bei einem Messerangriff getötet. Er vollzog seine Wiedereingliederung in das zivile Leben in der Großstadt. Zudem wurde am 1. Mai das Mitglied der Partei Comunes Facundo Amado in der Stadt Bucaramanga ermordet. Immer wieder prangert die Partei Comunes aber auch andere Organisationen die Gewalt gegen ehemalige Guerillakämpfer an, die sich im Wiedereingliederungsprozess befinden. Mehr als 350 ehemalige Guerillakämpfer sind bereits seit 2016 getötet worden.

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Der Aufbau der territorialen Kontrolle der FARC-EP

Über den Aufbau der territorialen Kontrolle der aufständischen Bewegung FARC-EP wird immer wenig in der Öffentlichkeit bekannt. Aktuell wird dies jedoch in der Provinz Huila thematisiert, da die FARC-EP mit ihrem politisch-militärischen Block „Jorge Suárez Briceño“ unter dem Oberkommando von Iván Mordisco in den nördlichen und östlichen Teil der Provinz drängt. Hier soll der Aufbau einer neuen Front mit dem Namen „Darío Gutiérrez“ unter dem Kommando von „Cipriano Cortés“ und „Eduardo“ geschehen. Bereits vor dem Friedensabkommen von 2016 war hier die FARC-EP präsent, damals vor allem mit der 17. Front „Angelino Godoy“, die dem östlichen Block der FARC-EP untergeordnet war. Der Name der neuen Front ist in Erinnerung an den ehemaligen Kommandierenden des Zentralstabs des östlichen Blocks gewählt worden.

Das vorrangige Ziel der damaligen 17. Front und der heutigen Front Darío Gutiérrez ist neben der territorialen Kontrolle eine größeren Gebietes die Schaffung und Sicherung eines strategischen Korridors zwischen den beiden großen politisch-militärischen Blöcken der FARC-EP im Osten und im Westen des Landes. Dieser Korridor soll die Verbindung zwischen den von der Guerilla mit ihren Fronten 1 und 7 kontrollierten Provinzen Caquetá, Guaviare und Meta über die hier gelegenen Provinzen Huila und Tolima mit den im Westen gelegenen Provinzen Cauca und Valle del Cauca, wo die Einheiten des Westlichen Koordinationskommandos aktiv sind, darstellen.

Ein Korridor bedeutet, dass hier eine Verbindung zwischen starken Gruppierungen der Guerilla geschaffen wird, in denen sich Einheiten und Verbindungsleute relativ sicher bewegen können. Es bedeutet, dass die faktische Kontrolle der Guerilla hier alle potenziellen Bewegungen des Feindes kennt und es mit der Struktur von Milizionären auch ein gutes Überwachungssystem gibt. Hierüber laufen die Kommunikationskanäle, aber auch der Austausch von Kämpfern, Material und anderen Dingen.

Um die Kontrolle aufzubauen, werden sogenannte Kommissionen eine Guerilla in die Gebiete geschickt. Diese Kommissionen sind kleinen Einheiten aus Guerilleros, die sich in der Umgebung umschauen, Kontakt zur Bevölkerung herstellen und im besten Fall schon auf ein kleines Netz von Informanten, also Milizionären, oder auch Sympathisanten treffen. Es sieht so aus, als ob vier Kommissionen gebildet wurden, die mit dem Aufbau der politisch-militärischen Arbeit befasst sind. So ist die Front Darío Gutiérrez in eine Kommission unterteilt, die in Vegalarga (Großgemeinde Neiva) präsent ist, eine weitere in San Andrés (Tello), eine dritte in der Region Las Perlas-Río Claro (Baraya) und eine vierte Kommission in der Gemeinde Colombia im Norden.

Die politisch-militärische Arbeit beginnt mit dem Einberufen der lokalen Bevölkerung und ihrer Vertreter. In diesen Versammlungen, an denen häufig die Kommandierenden einer Struktur und die politischen Verantwortlichen der Guerilla teilnehmen, werden die Regeln des Zusammenlebens in Gebieten der Guerilla erklärt. Dies bedeutet zum Beispiel das Anmelden von Besuch, das Verbot der nächtlichen Mobilität, das Verbot des Konsumierens von Drogen bei Minderjährigen, die Sauberkeit in den Orten, Umweltschutz und Verbot des Baumfällens sowie auch freiwillige Arbeitseinsätze der Bevölkerung, zum Beispiel beim Ausbessern der Straßen. Auch ein juristisches System wird etabliert und kriminelle Handlungen sanktioniert.

Des Weiteren wird den Händlern und Industriellen der Region eine Revolutionssteuer auferlegt. Dies betrifft Personen mit einem bestimmten Jahresumsatz und vor allem Leute, die einen Vertrag mit der Regierung abgeschlossen haben, die häufig Aufträge an regionale Firmen und Personen abgeben. Da hier oftmals hohe Summen und viel Korruption im Spiel sind, findet hier eine Besteuerung von sechs Prozent der Auftragssumme statt. Der in den Treffen anwesenden lokalen Bevölkerung und ihrer Vertretung, der kommunalen Aktionsräte, werden die Regeln des Zusammenlebens verdeutlicht. Hier hatte die Front Darío Gutiérrez eine Handlungsanweisung von sechs Seiten.

Laut Augenzeugen bestanden die Kommissionen bei den Treffen aus rund 50 Kämpfern der FARC-EP, die bewaffnet und in Uniform auftraten. Sie sollen vor allem aus den Gebieten kommen, in der die FARC-EP schon mit ihrer 1. und 7. Front die territoriale Kontrolle ausübt. So fanden erste Treffen ab dem 1. April mit den kommunalen Aktionsräten aus dem Osten der Gemeinde Neiva, aus San Antonio de Anaconia und den Gebieten von Tello, Baraya und Colombia statt. Am 7. April trafen sie sich mit Geschäftsleuten aus der Region San Antonio, Vegalarga, San Andrés (Tello) und anderen kleineren Orten. Am 9. April gab es ein Treffen mit der Bevölkerung in dem Dorf La Libertad.

Vereinfachend für die Guerilla kommt hinzu, dass es nur kleinere Strukturen der FARC-EP, Zweites Marquetalia, und der ihr alliierten ELN gibt, also den potenziellen Rivalen. Das Dokument der Regeln des Zusammenlebens wird in den sozialen Netzwerken gestreut, hinzu kommen Graffitis und die aktive Präsenz der FARC-EP, nicht nur bei den Versammlungen, sondern auch durch Straßenkontrollen. An diesem Beispiel in der Provinz Huila kann man also deutlich erkennen, wie der Aufbau der politisch-militärischen Strukturen der FARC-EP ausschaut. Eine Festigung der Strukturen vor Ort ist jedoch erst mit dem Schaffen von lokalen Zellen wie Milizionären oder Mitgliedern der Klandestinen Kommunistischen Partei (PCCC) abgeschlossen.

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Zweites Marquetalia gründet die 53. Front wieder

In einem Kommuniqué der FARC-EP, Zweites Marquetalia, die unter dem Kommando von Iván Márquez steht, hat diese aufständische Organisation die Wiedergründung der 53. Front angekündigt, die vor allem in der Subregion Sumapaz aktiv sein wird. Das Operationsgebiet sollen die Provinzen von Cundinamarca, Meta und auch Vichada sein. Die 53. Front wird den Namen des im Kampf gefallenen Kommandanten Edison Romaña tragen, der im Dezember 2021 zu Tode kam und im Operationsgebiet der neugegründeten 53. Front sein Wirken hatte.

Im Kommuniqué der 53. Front vom 16. April heißt es: „Wir haben die Neugründung der 53. Front erfolgreich abgeschlossen. Heute wie gestern haben wir ein starkes Gefühl des Kampfes für den Aufbau des Friedens mit sozialer Gerechtigkeit, wahrer Demokratie und Vaterlandshoheit. Wir alle, die vom Frieden träumen, müssen unsere Kräfte bündeln, um das Ziel eines neuen Landes zu erreichen, einer neuen Gesellschaftsordnung, mit einer Wirtschaft, die im Dienste der Nation steht, die sich an den Prinzipien der Menschlichkeit orientiert und die heimische Produktion, Beschäftigung und kostenlose und qualitativ hochwertige Bildung fördert.“

Ebenso wird Bezug auf die bereits bestehende Kooperation mit der ELN genommen. „Wir werden weiterhin versuchen, unsere Bemühungen mit der ELN-Guerilla und all jenen Kameraden zu koordinieren, die ihre Flagge der Heimat nicht zusammengelegt haben.“ Das Kommuniqué endet mit dem Absatz: „Wir sind die Guerilla des Friedens, der Verteidigung der Umwelt, des Territoriums, der entäußerten Interessen unseres Vaterlandes, die die Menschenrechte achten. Wir sind eine bolivarische und internationalistische Aufstandsbewegung. Wir sind die Kinder von Manuel Marulanda Vélez.“

Die 53. Front der „alten“ FAC-EP des Friedensprozesses von Havanna wurde in den 1990er Jahren gegründet und hatte das Ziel, die Hauptstadt Bogotá von seiner südlichen und östlichen Seite einzukreisen. Damit hatte sie eine enorme strategische Bedeutung und kontrollierte somit den Zugang zur Hauptstadtregion. Sie gehörte zum östlichen Militärblock der FARC-EP und Henry Castellanos alias Romaña war damals einer der Kommandierenden. Die Wiedergründung steht somit in historischer Tradition, wenn gleich sie sicherlich nicht dieselbe Kraft entwickeln wird, sondern eher als symbolischer Akt verstanden werden kann.

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