Aktuell ist die Guerilla der FAC-EP, Zweites Marquetalia, in der Öffentlichkeit sehr präsent. Dabei sah es in der zurückliegenden Zeit, neben den Gerüchten um den Gesundheitszustand vom Oberkommandierenden Iván Márquez, eher ruhig aus. Tatsächlich stand das Zweite Marquetalia im Schatten der anderen FARC-EP, dem Zentralen Generalstab. Die hatten in den letzten beiden Jahren zusehends die politisch-militärische Initiative ergriffen und konnten ihre Strukturen stark ausbauen. Das Zweite Marquetalia wähnte sich im Halten ihrer Territorien, teilweise mit Unterstützung der ELN, die mittlerweile sehr stark kooperieren und regionale Bündnisse eingegangen sind. Hauptziel war ihr Feind der FARC-EP, Zentraler Generalstab, die durch ihr Erstarken in territoriale Konflikte mit ELN und dem Zweiten Marquetalia geriet.
In der politischen Außendarstellung hingegen war die FARC-EP, Zweites Marquetalia, wesentlich effektiver. Zum einen hängt dies mit Iván Márquez als politischen Kopf zusammen. So gab es neben Webseite, sozialen Netzwerken und internationalen Beziehungen permanent den Versuch, die sozialen und politischen Organisationen zu erreichen. Der Zentrale Generalstab veröffentlichte auch eine Reihe von Kommuniqués und war in der Öffentlichkeit präsent, doch der Fokus lag hier vor allem im militärischen Bereich. In der organisatorischen Zusammensetzung und in der Außendarstellung kann dem Zweiten Marquetalia eindeutig die politische Komponente zugesprochen werden. Nun gewinnt dies durch den Friedensprozess an Fahrt.
In einem Neun-Punkte-Kommuniqué haben die beiden Delegationen die Hauptachsen des Verhandlungsprozesses dargelegt. In diesem Kommuniqué wurde die Initiative des Zweiten Marquetalia über das Beenden der Gefangennahmen aufgrund wirtschaftlicher Interessen positiv hervorgehoben, wobei sich die nationale Regierung verpflichtete, „Maßnahmen zur Stärkung der Deeskalation des Konflikts in Gebieten zu ergreifen, in denen diese Struktur vorhanden ist.“ Die grundlegenden Punkte der Dialog- und Verhandlungsagenda sind vor allem die „Deeskalation des Konflikts und Erschließung der Friedensgebiete“, „Aufbau von Friedensterritorien“, „die Opfer als ein sich wandelndes soziales Subjekt“, „die Bedingungen für eine friedliche Koexistenz“ sowie die „Umsetzung und Verifizierung des Vereinbarten“.
In dem Kommuniqué werden zudem die Gründe für die Wiederaufnahme des bewaffneten Kampfes genannt, die in der noch jungen Historie eine wesentliche Rolle spielen. Es wird auf die Sackgasse und die Nichteinhaltung des Friedensabkommens von 2016 verwiesen. In diesem Punkt ist es wichtig, die Rolle hervorzuheben, die die Veröffentlichung des Forschungsberichtes der internationalen Menschenrechtsexpertin Antonia Urrejola, über die Hindernisse bei der Umsetzung des Friedensabkommens, einnahm. Es bestätigte sich, dass ein „agent provocateur“ im Fall der Verhaftung von Santrich, dem ehemaligen Kommandierenden der FARC-EP, eingesetzt wurde, und bestätigte, wie die von Nestor Humberto Martínez geleitete Generalstaatsanwaltschaft verschiedene Unregelmäßigkeiten beging, indem sie „zwei spezielle Ermittlungstechniken genehmigte: einen verdeckten Ermittler und eine kontrollierte Lieferung von Kokain“.
Diese Nichteinhaltung und die Verfolgung der sich entwaffneten Guerillamitglieder sorgten für die Wiederbewaffnung. Dabei gab es am Anfang sogar Kontakte zu Gentil Duarte von der FARC-EP rund um die 1. und 7. Front, die damals dabei waren, den Aufbau der FARC-EP voranzutreiben. Die 1. Front seilte sich bereits während der Friedensverhandlungen ab und bleib als FARC-EP erhalten. Doch ein Zusammenkommen gab es zwischen beiden Fraktionen nicht. Iván Márquez, der eine vereinte Guerilla unter seinem Kommando wollte, wurde von den Personen um Gentil Duarte als Verräter angesehen, war er es doch, der als Leiter der Friedensdelegation der FARC-EP auch für ihren Untergang verantwortlich war. So gingen beide Fraktionen verschiedene Wege und standen fortan im Bruderkampf gegeneinander.
Derzeit ist die FARC-EP, Zweites Marquetalia, in mehr als 65 Gemeinden des Landes präsent. Somit erhöhte sich laut der Stiftung Fundación Paz & Reconciliación die Präsenz der aufständischen Organisation auf 11 Gemeinden mehr als im Vorjahr. Dabei ist sie insbesondere in 12 Provinzen des Südens und Ostens Kolumbiens präsent. Das Zweite Marquetalia verfügt über drei große Strukturen: die klassische FARC-EP, Zweites Marquetalia, im Nordosten und kleinen Regionen des Landes sowie die beiden mit ihr alliierten Koordinationsgruppe der Pazifik-Guerilla und die Bolivarischen Grenzkommandos, die sich als einer der dominierenden Akteure in der Pazifikregion Nariño konsolidierten und die Grenzkommandos, die im Amazonasgebiets, insbesondere in Putumayo, Einfluss haben.
Es ist wichtig hervorzuheben, dass es dem Zweiten Marquetalia gelungen ist, ihre Präsenz in Gebieten wie der pazifischen Region Nariño zu verstärken, dank der Allianzen und Verbindungen, die das Koordinationskomitee der Pazifik-Guerilla mit einer Front der ELN geschaffen hat. Allianzen gibt es auch im Nordosten des Landes, so in der Provinz Arauca. Nur Dank dieser Allianzen ist das Zweite Marquetalia in einer guten politisch-militärischen Position, um auch in Friedensgesprächen ernst genommen zu werden. Bisher scheinen alle Strukturen auch vereint an einem Strang zu ziehen, ob gleich die Möglichkeiten von Spaltungen, wie im Zentralen Generalstab, auch hier bei den Strukturen wie den Grenzkommandos möglich sind.
In einem historischen Ereignis haben die kolumbianische Regierung unter der Führung von Präsident Gustavo Petro und die FARC-EP, Zweites Marquetalia, unter der Führung von Iván Márquez die Aufnahme des ersten Zyklus von Friedensverhandlungen angekündigt. Die Verhandlungen sollen am 24. Juni 2024 in Caracas, Venezuela, beginnen. Bereits zuvor sind einige Haftbefehle von Kommandierenden und Teilnehmenden der Friedensverhandlungen aufgehoben worden. Der erste Verhandlungszyklus soll dann vom 25. bis 29. Juni in Caracas stattfinden, um eine Einigung über die zuvor angekündigten spezifischen Themen zu erzielen und die Verhandlungsprotokolle festzulegen. Als Garant ist Venezuela auch eines der Länder, welches die Friedensverhandlungen begleiten wird. Auch Kuba und Norwegen sowie die UNO werden den Prozess begleiten.
In Puerto Concordia, Provinz Meta, fand des erste Treffens der regionalen Dialogs im Rahmen der Friedensgespräche zwischen der kolumbianischen Regierung und dem Zentralen Generalstab (EMC) der FARC-EP statt, der zudem 20. Juni in Bogotá seinen fünften Zyklus beginnen wird. Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass sich die FARC-EP, EMC, in den letzten Monaten gespalten hat. Dies geschah nach der regionalen Aufkündigung des Waffenstillstands in den Provinzen Cauca, Nariño und Valle del Cauca. Einer der Kommandierenden, Calarcá Córdoba, der den politisch-militärischen Ostblock befehligt, bleibt am Verhandlungstisch, ebenso wie Andrey Avendaño, ehemaliger Chefunterhändler des EMC und Leiter der Strukturen in Catatumbo und Magdalena Medio. Iván Mordisco hingegen hat sich aus den Verhandlungen zurückgezogen und wird vom Westblock Kommandant Jacobo Arenas aus den Provinzen des aufgekündigten Waffenstillstandes, sowie vom Zentralblock Isaías Pardo und dem Amazonas-Block Manuel Marulanda Vélez unterstützt.
Der 60. Jahrestag der FARC-EP, gegründet wurde die aufständische Bewegung am 27.05.1964 mit der Operation der staatlichen Sicherheitskräfte auf Bauern in der Region Marquetalia, steht ganz im Zeichen der internen Spaltung. Wo sonst in den Jahren zuvor Feierlichkeiten der verschiedenen Strukturen stattfanden, häufig auch in öffentlichen Akten mit der lokalen Bevölkerung, ist in diesem Jahr alles anders. Zum einen läuft der bewaffnete Konflikt vor allem im Südwesten, wo durch die Militäroffensive die Auseinandersetzungen anhalten, zum anderen werden immer wieder Meldungen aus der FARC-EP öffentlich, welche die interne Spaltung innerhalb des Zentralen Generalstabs zeigen. Wie wir bereits berichteten, gibt es Strukturen der FARC-EP, vor allem im Block Jorge Suárez Briceño und im Block Magdalena Medio, die weiterhin den Friedensprozess fortführen möchten, während sich kampfstarke Strukturen wie der Block Kommandant Jacobo Arenas oder der Block Manuel Marulanda Veléz, die noch dem Kommando von Iván Mordisco unterstehen.
Kurz vor dem 60. Jahrestag der Gründung der alten FARC-EP gab es bei X, ehemals Twitter, einen Schlagabtausch zwischen der FARC-EP unter dem Oberkommando von Iván Mordisco sowie dem kolumbianischen Präsidenten, in dem mehrere Tweets hin- und hergewechselt wurden. In den Tweets geht es um Aussagen des Präsidenten Petro, der vom Zentralen Generalstab der FARC-EP der Lüge bezichtigt wird. Schon vor Wochen kam es offiziell zum Zerwürfnis zwischen beiden Akteuren. Dabei erschienen die Botschaften nur wenige Tage nach dem Besuch des Präsidenten in der Provinz Cauca, wo der Zentrale Generalstab der FARC-EP mit seinen Strukturen sehr stark ist und der bewaffnete Konflikt zuletzt wieder ausgebrochen ist. So behauptete Präsident Petro am vergangenen Donnerstag, dass im Vordergrund der Drogenhandel stehen würde. Damit spricht er der FARC-EP die politische Komponente ab und reduziert die Guerilla, wie seine rechten Vorgänger, auf Drogenterroristen.
Mit mehreren Angriffen und Anschlägen hat die FARC-EP mit ihrem Westblock Kommandant Jacobo Arenas die Provizen Cauca und Valle del Cauca überzogen. Federführend waren die beiden Fronten Dagoberto Ramos und Jaime Martínez, die unter anderem in den Gemeinden Jamundí, Morales und Suárez von Samstag bis zum gestrigen Montag Angriffe auf staatliche Sicherheitskräfte verübten. Seit längerer Zeit gibt es einen Konflikt zu den unter Iván Mordisco stehenden Strukturen der Guerilla, auch Zentraler Generalstab genannt, sowie der Regierung unter Petro. Ein Waffenstillstand wurde aufgekündigt und seitdem die Kriegstrommel geschlagen, sowohl verbal, als auch in den tatsächlichen kriegerischen Auseinandersetzungen.
Zuletzt wurde deutlich, dass die FARC-EP, Zweites Marquetalia, in der südwestlichen kolumbianischen Provinz Nariño mit der ELN zusammenarbeitet. Im Konkreten geht es hierbei um die Strukturen der FARC-EP, die in der Guerillakoordination des Pazifiks zusammengeschlossen sind sowie der Front Comuneros del Sur der ELN. Bei der Guerillakoordination des Pazifiks handelt es sich um alte Strukturen der Front Oliver Sinisterra sowie neu um den Westblock Alfonso Cano, der daraus entstanden ist. Mittlerweile gehören dazu die Fronten Ariel Aldana, Iván Ríos, Mariscal Sucre und Diomer Cortés.
Vom Arbeiter zu den rebellischen Bergen, so lautet ein Kommuniqué der FARC-EP, Zweites Marquetalia, in Bezug auf einen großen revolutionären Arbeitersohn Kolumbiens, nachdem später auch Guerillastrukturen benannt wurden. So hieß in Zeiten der alten FARC-EP, die sich 2016 im Friedensprozess mit der kolumbianischen Regierung entwaffnete, die Eliteeinheit der FARC-EP nach Teófilo Forero Castro. Diese operierte in Spezialaktionen landesweit, war aber ursprünglich zum Schutz der Mitglieder des Sekretariats der FARC-EP, dem höchsten Gremium, gebildet worden. Diese befanden sich in der östlichen Kordillere, zwischen den Provinzen Caquetá, Cundinamarca, Meta und Huila. Daher ist der Name eng mit der Guerilla verbunden – und auch heute noch trägt eine Einheit der FARC-EP, Zweites Marquetalia, unter der Führung von Iván Márquez seinen Namen. Ihr ehemaliger Kommandant in der alten FARC-EP wurde zu einem Gründer des Zweiten Marquetalia, Hernán Veláquez Saldarriaga alias El Paisa. Und wie sieht es aktuell aus?
In den letzten Tagen kam es in der südwestkolumbianischen Provinz Cauca erneut zu schweren Kämpfen zwischen der Nationalen Armee und verschiedenen Strukturen des Westblocks Kommandant Jacobo Arenas der FARC-EP, Zentraler Generalstab. Unlängst machten zahlreiche Menschenrechtsorganisationen, aber auch indigene Organisationen auf die Lage in der Provinz nach dem Aufkündigen des Waffenstillstandes durch die Regierung aufmerksam.
Die FARC-EP, Zentraler Generalstab, unter der Führung von Iván Mordisco hat in einem jüngsten Kommuniqué per Video im Zusammenhang mit den Kämpfen im Cañón del Micay, Provinz Cauca, eine scharfe Botschaft an Präsident Gustavo Petro gesendet. Sie kündigten an, dass sie zum Krieg bereit sind, aber weiterhin den Weg des Dialogs und der Verhandlungen gehen. Hintergrund sind schwere Kämpfe in der Region und die weiterhin bestehende Aussetzung des Waffenstillstandes.