Am gestrigen 25. Mai wurde der Tod von Miguel Botache Santillana, besser als „Gentil Duarte“, bekannt. Er war der Kommandant der FARC-EP und befehligte die größte Struktur in Kolumbien. Die ersten Informationen über den Tod von Gentil Duarte berichten über einen möglichen Angriff des ELN auf ein Lager der FARC-EP in der Gemeinde Jesús María Semprún im venezolanischen Bundesstaat Zulia. Eine ähnliche Version besagt, dass Anfang Mai die Sicherheit des Lagers der FARC-EP überrumpelt und Sprengstoff gezündet wurde. Dabei starb Gentil Duarte und mindestens drei weitere Guerilleros. Von mehreren Quellen wurde eine Nachricht bekannt, dass alias Iván Mordisco nun der Kommandierende der sieben Strukturen ist, die den selbsternannten Block „Jorge Briceño“ bilden.
Gentil Duarte hatte sein Operationszentrum der Strukturen im Osten des Landes und sein Herz war in der Provinz Guaviare. Daher gab es auch Spekulationen um seinen Aufenthalt und seinen Tod weit entfernt in Venezuela. Eine der Hypothesen könnte sein, dass er bei der Jagd der kolumbianischen Sicherheitsbehörden, vor allem bei der Operation der Polizei am 29. Juli 2021 in Agua Claro, Gemeinde San Vicente del Caguán, schwer verletzt wurde und sich wegen medizinischen Gründen in Venezuela befand. Es könnte auch eine Schutzmaßnahme sein, nach dem immer mehr Kommandierende ausgeschaltet worden sind, zuletzt zum Beispiel im Januar dieses Jahr im Westen des Landes Euclides España Caicedo alias „Jhonier“, der die Strukturen im Westlichen Koordinationskommando befehligte.
Der getötete Kommandant Gentil Duarte soll 56 Jahre alt geworden sein. Er stammte aus Florencia, Provinz Caquetá, und hatte rund 40 Jahre Erfahrung in der aufständischen Bewegung. Er stieg schnell innerhalb des ehemaligen Ostblocks der FARC-EP auf, seit er der 14. Front beigetreten war und schließlich die 7. Front befehligte. Als Kommandant dieser Front führte er vor allem Aktivitäten in der Gemeinde La Macarena in der Provinz Meta durch. Schnell gewann er das Vertrauen der Kämpfer und konnte über gute Kontakte zum ehemaligen Oberkommandierenden des Ostblocks, alias Mono Jojoy oder auch Jorge Briceño aufwarten. Zuletzt war er nicht nur Teil des Generalstabs des Ostblocks, sondern auch Mitglied des Zentralen Generalstabs der FARC-EP und wurde Teil des Verhandlungsteams der Guerilla im Zuge der Friedensverhandlungen im kubanischen Havanna.
Kurz nach der Ankündigung von Iván Mordisco, nicht mit seiner 1. Front am Friedensprozess teilzunehmen und stattdessen den bewaffneten Kampf fortzuführen, sendete man Gentil Duarte nach Kolumbien, um dieses Problem zu lösen. Nach seiner Ankunft im Land bot ihm die 1. Front jedoch an, Teil dieser ersten sogenannten Dissidentengruppe zu werden. Seit Ende 2016 schloss sich Gentil Duarte dann der neuen FARC-EP an und baute die Guerilla im ganzen Land mit unterschiedlichen Strukturen auf. Dabei wurde ihm Iván Mordisco sogar unterstellt. Seit dem ist es den Strukturen der FARC-EP unter Gentil Duarte gelungen, im Osten und Südosten die Hoheit gegenüber anderen Guerilla-Strukturen zu erlangen.
Mit der 1., 7., 28. und 62. Front ist die Guerilla besonders in Caquetá, Meta und Guaviare präsent. In der Provinz Arauca führt sie mit der 10. und 28. Front einen harten Kampf gegen ELN und FARC-EP, Zweites Marquetalia. Im Norden, in der Provinz Norte de Santander, ist sie mit der 33. Front unter alias „Jhon Mechas“ präsent. In der südlichen Provinz Putumayo gibt es Operationen mit der Front Carolina Ramírez. Auf der anderen Seite ist es der Linie um Gentil Duarte im Südwesten des Landes gelungen, sich durch das Westliche Koordinationskommando (CCO) zu konsolidieren und ihre Präsenz in einem großen Teil des Departements Cauca, im Norden von Nariño, im Süden und Osten von Valle de Cauca, sowie im Westen von Huila und Tolima auszubauen.
Mit Iván Mordisco gibt es zwar nun einen Kommandierenden, der Gentil Duarte wahrscheinlich gleichwertig ersetzen kann. Doch die Zukunft der Guerilla ist mehr denn je in unsicheren Bahnen, denn mit dem ELN und der FARC-EP, Zweites Marquetalia, unter Iván Márquez gibt es eine starke Allianz auf der anderen Seite, die enormen Druck auf bestimmte Territorien auslösen. Es wird für neuen Zündstoff sorgen, wenn sich bestätigt, dass beide zusammenarbeitende Gruppen am Tod von Gentil Duarte beteiligt waren. Auf der anderen Seite sind die Strukturen der FARC-EP unter Iván Mordisco zumindest im Südosten so gefestigt, dass ihnen so schnell keine andere revolutionäre Bewegung gefährlich werden kann.