Nachdem ehemalige hochrangige Kommandierende der FARC-EP wie Iván Márquez, Jesús Santrich, El Paisa, Romaña und andere im kolumbianischen Osten die neue FARC-EP (Zweites Marquetalia) ausgerufen haben und wieder zu den Waffen gegriffen haben wird nun mit Spannung geschaut, wie die bereits unter Waffen stehenden Fronten um Gentil Duarte (Fronten 1, 7 und 27) dazu verhalten. Im Allgemeinen muss davon ausgegangen werden, dass die Gruppe um Iván Márquez zwar politische Führungspersonen in ihren Reihen hat, jedoch keine kämpferische Truppe. Bei der Gruppe um Márquez und Santrich handelt es sich um eine kleine Gruppe, die zwar enorm politisch geschult sind und in ihren Erklärungen einen klaren politischen Charakter erkennen lässt, vor allem auch mit der Suche um nationale und internationale Öffentlichkeit, doch bei den sogenannten dissidentischen Gruppen um Gentil Duarte handelt es sich um große Gruppen von Hunderten Kämpfern und Milizionären, die über eine politisch-militärische Kontrolle von großen Regionen im Süden Kolumbiens verfügen. Damit können Márquez und Santrich nicht aufwarten.
Kein Wunder also, dass Márquez und Santrich verzweifelt den Kontakt nach außen suchen und auch schon Verhandlungen mit den dissidentischen Gruppen geführt haben. Bisher jedoch alles ohne Erfolg. Einzig und allein die 18. Front Román Ruiz aus Antioquia, eine kleine Gruppe, erklärte sich zur Gruppe Márquez und Santrich zugehörig. Zwar hat die Gruppe um Márquez und Santrich in der öffentlichen Darstellung mittels der Herausgabe von Kommuniqués, zeitweise gab es auch eine Webseite, und ihren internationalen Kontakten die Deutungshoheit, verfügt aber über keine Basis auf dem Land. Dies wiederum haben die Fronten um Gentil Duarte, die seit Jahren in der Region verankert sind. In der Öffentlichkeit werden diese jedoch als Kriminelle abgestempelt, die angeblich nur ökonomische Ziele wie Drogenhandel bezwecken. Dabei wird häufig vergessen, dass solche Bewegungen aber auch das öffentliche Leben regeln, Sicherheitsmechanismen und juristischen Schutz bieten sowie für die Infrastruktur zuständig sind. Sie ersetzen teilweise die Institutionen des Staates, der hier nur mittel Armee als repressiver Akteur auftritt und keine Verbesserung der Lebenssituation der Bevölkerung vollziehen will.
Zuletzt erhielten sie die Aufmerksamkeit, weil bis zu 18 von ihnen rekrutierte Kinder sowie andere Kämpfer der dissidentischen FARC-EP, darunter wahrscheinlich auch der Kommandierende Gildardo Cucho, bei dem Dorf Aguas Claras II, San Vicente del Caguán, Ende August getötet wurden. Der Verteidigungsminister musste nach diesem Skandal sein Amt verlassen. Die Bevölkerung schildert sogar, dass überlebende Kinder durch Schüsse des Militärs verletz und Hunde auf sie gehetzt wurden. Außerdem glauben sie nicht, dass Gildardo Cucho getötet wurde. Er war 25 Jahre lang ein Guerilla-Mitglied und gehörte zum Sicherheitssystem von Gentil Duarte, ehemaliger Kommandant der 1. Front und heute einer der Anführer der Guerilla-Dissidenten. Nach dem Tod von Rodrigo Cadete, der Anfang des Jahres bei einer Armeeoperation starb, hatte Gildardo Cucho unter anderem die Kontrolle über die Fronten 7, 40 und 62 der FARC-Dissidenten übernommen, die zwischen Caquetá und Meta operieren. Die Region um Aguas Claras ist seit Jahrzehnten eine Festung der aufständischen Bewegung.
Oben haben wir schon angeschnitten, dass die dissidentischen Gruppen neben ihrer kriminellen Darstellung auch als sozio-politisch-militärischer Akteur in der Region auftreten. Sie regeln das öffentliche Leben und geben dazu Gemeinschaftsnormen heraus, an die sich ein Großteil der Bevölkerung hält. Sie regeln die wirtschaftlichen Kreisläufe und sorgen für ein Mindestmaß an sozialer Infrastruktur. Auch wenn die lokale Bevölkerung nicht immer wohlgesonnen ist, so ist es doch ein miteinander agieren und leben. Viele aus der Bevölkerung verstehen, dass nur durch Regeln des Zusammenlebens und mit einer Schutzmacht im Hintergrund ein gemeinsames Leben in einer Region möglich ist, die vom Staat verlassen ist. Zuletzt sind wieder verschiedene Erklärungen der Fronten 7 (Comandante Jorge Briseño), 43 (Jacobo Arenas), 42 (Camilo Tabaco) und 27 (Manuel Marulanda) aufgetaucht. Auch hier gibt es den Kampf um die Deutungshoheit mit der Gruppe um Márquez und Santrich. Nachstehend veröffentlichen wir zum besseren Verständnis ein Kommuniqué vom letzten Monat, in der zuletzt aufgezählte Punkte verdeutlicht werden.
Öffentliche Erklärung
Achtung Gemeinschaften und Dörfer von Guaviare, Meta und Caquetá.
Erhalten Sie unseren aufrichtigen herzlichen, warmen und revolutionären kommunistischen Gruß.
Zweck dieser Pressemitteilung ist es, die Personen in diesen Gebieten über folgendes zu informieren.
1) dass alle Personen, die auf in den Dörfern leben, die Pflicht haben, ihren kommunalen Aktionsräten beizutreten und an den ordentlichen Versammlungen oder außerordentlichen Versammlungen ihrer Gemeinden teilzunehmen, damit sie von dem Gebiet erfahren können, weil wir die Informationen haben, dass es einige Compañeros gibt, die nicht an Sitzungen und Mandaten teilnehmen noch wahrnehmen und die von der Gemeinschaft auferlegten Beiträge sparen.
2) Es ist dringend notwendig, dass sie sich als Gemeinschaft organisieren, weil ein staatlicher Plan gegen Sie zum Vorschein tritt, deshalb vereinigen und koordinieren sie sich in den Dörfern von Guaviare, Meta und Caquetá, so dass Sie mit diesen Angriffen fertig werden können und organisieren Sie einen Streik oder Aktion gegen die Verletzung der Menschenrechte und für die Verteidigung ihrer verfassungsmäßigen Rechte. Es gibt auch Bestrebungen der CDA (Corporación Autónoma Regional para el Desarrollo), die Straße San José – Macarena zu blockieren, indem sie die Strecke zwischen Capricho und Cachicamo stilllegt, die der Region enorm schaden würde und wir müssen diese Aggression des Staates um jeden Preis verhindern, weil all dies nur einen Zweck hat und das ist die Bevölkerung aus der Region zu vertreiben.
3) Wer sich der Gemeinschaft nicht anschließt bekommt keine Antwort von dem was mit ihm geschieht und hütet euch vor den Personen, die unbekannte Menschen in die Region bringen, denn wir kontrollieren diese Situation bereits.
4) Jeder Bauer reagiert an den Grenzen seines Landes, das heißt, wenn er die Armee bei sich hat, gibt er die Informationen an die Nachbarn weiter, da festgestellt wurde, dass einige Bauern das Geheimnis zu den Militärs bei sich behalten. Seien Sie sehr, sehr vorsichtig damit.
5) für die Klatschmäuler die keinen Guerillakämpfer oder Zivilisten ansehen können, der uns einen Gefallen tut, weil die Armee sofort am selben Tag oder am nächsten Tag Nachricht davon erhält, mit dieser Haltung werden sie hausierende Denunzianten sein und wenn keine Berücksichtigung der Regeln des Zusammenlebens geschehen, dann beginnen wir zu handeln, weil wir die Regeln durchsetzen müssen.
6) Lernen Sie, in der Region zu leben und wenn Sie diese Gemeinschaftsnormen nicht mögen, vermeiden Sie Probleme und verkaufen Sie Ihr Eigentum und verlassen Sie es ohne größere Schwierigkeiten oder halten Sie sich an die Regeln des Zusammenlebens und leben Sie in Frieden.
7) Veröffentlichen Sie dies und halten sie es ein.
Fronten: 7- 27- 43 und Camilo Tabaco
Vom Block: Comandante Jorge Briseño
Der FARC-EP