Aktuell steht die Gemeinde Argelia im Süden der Provinz Cauca im Fokus der Berichterstattung. Seit mehr als einem halben Jahr findet hier die Militäroperation Perseo statt, mit dem Ziel der Rückeroberung der ländlichen Gebiete und des größeren Ortes El Plateado von der Guerilla FARC-EP. Während der Ort unter Kontrolle des Militärs steht obgleich hier weiterhin die Milizen der Guerilla aktiv sind, sind die ländlichen Gebiete nur schwer unter Kontrolle zu bringen. Vor zwei Wochen begann eine weitere größere Militäroperation, um das Gebiet mit dem Namen La Hacienda zurückzuerobern. Dies ist ein wichtiges Gebiet, um die Kontrolle über El Plateado und den Cañón del Micay zu besitzen. So ist die Guerilla FARC-EP hier omnipräsent und auch die Bevölkerung, sowohl aus eigenem Interesse gegen eine Besatzungsarmee als auch durch Druck der Guerilla, stellt sich ebenso der Polizei und Armee entgegen.
Seit mehr als 30 Jahren war dieser fruchtbare Ort im Südwesten des Landes eine Bastion der 60. Front der „alten“ FARC-EP, dies ich im Friedensabkommen von 2016 demobilisierte. Zwischen 2016 und 2018 kam die ELN, nutze das Vakuum aus und besetzte anschließend die Region. Ab 2018 tauchten jedoch wieder erste Guerilleros der FARC-EP auf, die sich als Dissidenten neu strukturierten. Aus ihr entstand in den Jahren 2018 und 2019 die Front Carlos Patiño in der Gemeinde Argelia und Umgebung. Im Februar 2020 konnte die Front Carlos Patiño in El Plateado und Umgebung eindringen und der ELN die Kontrolle entreißen, da die ELN nicht in der Lage war, die Kontrolle über das Gebiet zu übernehmen und die Bevölkerung müde von der ELN und ihrem Agieren war. Die Bevölkerung begrüßte sozusagen das erneute Eindringen der FARC-EP, war sie als Akteur doch bekannt.
Seitdem hat die Front Carlos Patiño, die sich mit anderen Strukturen im Westblock Kommandant Jacobo Arenas vereint hat und unter dem Oberkommando des Zentralen Generalstabs der FARC-EP und Iván Mordisco steht, ihre territoriale Macht ausgebaut. Neben Infrastrukturmaßnahmen wie dem Bau von Straßen und Brücken sorgt sie für Sicherheit und bestimmt das ökonomische, soziale und politische Leben, weil der Staat faktisch nicht präsent ist. Kevin Andrey Vargas Suns, alias Kevin, ist der Kommandant der Front Carlos Patiño. Sein persönlicher Einflussbereich erstreckt sich vor allem auf das unzugängliche Gemeindegebiet von El Tambo, von wo aus er die Operationen leitet. Alias Kevin wurde als einer der engsten Mitarbeiter von alias El Mocho, dem derzeitigen Kommandanten des Westblocks Kommandant Jacobo Arenas identifiziert.
Die Front, die zu den aktivsten der gesamten Guerilla gehört, besteht aus mehreren Kompanien, die wiederum von Kommandierenden und politischen Verantwortlichen geleitet werden. Hierzu gehören unter anderem die Kompanie Fardey Díaz, die Kompanie Samanta Gómez oder auch die Kompanie Jaison Cardona. Hinzu kommen Milizionäre im ländlichen Gebiet aber auch in den großen Orten wie El Plateado und Argelia. Wie viele Personen unter Waffen stehen, ist nicht bekannt, es dürften jedoch mit den Milizionären einige Hundert sein. Benannt ist die Front nach dem ehemaligen Kommandanten der „alten“ FARC-EP, Carlos Patiño alias Caliche, der die Mobile Kolonne Jacobo Arenas befehligte. Er starb im Mai 2013 bei einer Militäroperation. Wir als Portal Kolumbieninfo erwähnten dies in einem Artikel: https://kolumbieninfo.noblogs.org/post/2013/05/12/druck-und-repression-im-suedwesten-kolumbiens/
Carlos Patiño alias Caliche war einer der engsten Vertrauten von Pablo Catatumbo, eine der Führungspersonen in der FARC-EP und Mitglied des Sekretariats des Zentralen Generalstabs. Caliche war Mitglied im Zentralen Generalstab der FARC-EP und galt als Kommandeur eine der wichtigsten und aktivsten militärischen Einheiten innerhalb des westlichen Militärblocks „Alfonso Cano“, der Mobilen Kolonne „Jacobo Arenas“, die vorrangig in den ländlich geprägten Gebieten von Valle del Cauca, Cauca, Nariño und Huila agierte. Er galt als Militärstratege und forcierte die mobilen Einheiten der Guerilla. In einem Kommuniqué des Sekretariats des Zentralen Generalstabs vom 12.05.2013 heißt es:
„Wir informieren die internationale Gemeinschaft und das kolumbianische Volk, dass in den Bergen im Norden von Nariño in einem Gefecht unser Kamerad Carlos Patiño, dem das Volk unter dem Namen „Caliche“ bekannt war, der herausragende Kommandant der Mobilen Kolonne Jacobo Arenas, gefallen ist. Er starb, wie er lebte: kämpfend an der ersten Frontlinie bis zu den letzten Konsequenzen für das Neue Kolumbien.
Das Leben und das Werk von Carlos war das eines geborenen, beispielhaften Guerillakämpfers, das eines integralen Revolutionärs von der Statur Camilo Cienfuegos, Ernesto Che Guevaras, Isaías Pardos und Martín Caballero. Schon in jungen Jahren ein Revolutionär, trat er den Reihen der FARC-EP im Ostblock bei. Aufgrund seiner Fähigkeiten und seines Opfers war er Mitglied und Kommandant der Sicherheitseinheiten des Sekretariats, unter direkter Aufsicht seines Mentors, unseres Oberkommandierenden Manuel Marulanda Vélez (…).“