In dem großen Ort El Plateado, gelegen im Herzen des Cañón del Micay, wächst die Angst vor neuen bewaffneten Akteuren und Übergriffen im Ort sowie in der Region. Mit der Militäroperation Perseo, welche die Dominanz der FARC-EP brechen will, kommen Soldaten und Polizisten in die Region als neue Schutzmacht, die jedoch von der Bevölkerung eher als Besatzungsmacht angesehen wird. Ohne gewachsene staatliche und soziale Strukturen wird es in diesen Orten, wo vorher die Guerilla ihre Macht ausübte, so schnell keinen gemäßigten Übergang zu Ordnung und Sicherheit geben. Stattdessen ist häufig erkennbar, dass nach der Militarisierung von ländlichen Regionen zwar die Guerilla aus den Orten vertrieben wird, aber im Rücken der Militärs andere bewaffnete Akteure versuchen, das scheinbare politische, soziale, ökonomische und auch militärische Vakuum zu füllen. Vor allem paramilitärische und kriminelle Strukturen waren dies in den zurückliegenden Jahrzehnten.
Aus dem Ort El Plateado in der Provinz Cauca wird nun gemeldet, dass Fahnen und Graffitis der ELN aufgetaucht sind. Dies geschieht eine Woche nach dem die Armee die FARC-EP mit ihrer Front Carlos Patiño aus dem Ort vertrieben hat. Quellen vor Ort übermittelten verschiedenen Medien diverse Bilder und Videos mit Botschaften, die auf die ELN-Guerilla anspielen. „ELN präsent“, heißt es auf einem der Graffitis im Dorf El Plateado, das vor kurzem von der Armee gewaltsam erobert wurde, nachdem es jahrelang von der FARC-EP mit ihrem Westblock beherrscht worden war. In dieses Vakuum versucht nun die ELN hineinzukommen, die bereits mit Strukturen des Zweiten Marquetalia der FARC-EP verbündet ist. Das Zweite Marquetalia und der Westblock der FARC-EP stehen sich kriegerisch gegenüber.
Das Eindringen der ELN ist eine der größten Befürchtungen der lokalen Bevölkerung. Diese Guerillabewegung wurde 2020 von der Front Carlos Patiño der FARC-EP vertrieben, nachdem die ELN durch den Friedensabschluss und der Demobilisierung der „alten“ FARC-EP im Jahr 2016 Fuß fassen konnte. Zuvor agierten hier die 6. Front und in der Gemeinde Argelia, in der die Ortschaft El Plateado liegt, vor allem die 60. Front der alten FARC-EP. Nach dem Friedensabkommen und einer kurzzeitigen Ruhe kämpften unterschiedliche Strukturen um die Macht in der Region. Dabei kam es auch an Morden zu potenziellen Unterstützern der einen oder anderen Gruppe. Und jetzt, nach der Vertreibung der FARC-EP durch die Armee, befürchtet die Gemeinde, dass dies die ELN ermutigen wird, in das Dorf zurückzukehren und dass sie Vergeltungsmaßnahmen gegen diejenigen ergreifen wird, die sie als Verbündete der FARC-EP betrachten.