Die andere dissidentische Nachfolgeorganisation der „alten“ FARC-EP ist die des Zweiten Marquetalia, die sich getreu dem Namen auf den Gründungsort der alten FARC-EP bezieht und sich ebenso in einer legitimen Nachfolge sieht, wie der Zentrale Generalstab der FARC-EP als Konkurrenz. Die FARC-EP, zweites Marquetalia, wird kommandiert durch Iván Márquez, einer charismatischen Personen mit einer hohen politisch-militärischen Erfahrung als ehemaliger Kommandant der Sekretariats der alten FARC-EP und Verhandlungsführer bei dem Friedensprozess von 2016.
Später als der Zentrale Generalstab gründete sich diese Organisation im Jahr 2019 aufgrund der Nichteinhaltung des Friedensabkommens und vor allem durch die juristische Verfolgung von Kommandanten der FARC-EP, was als großes Sicherheitsproblem interpretiert wurde. So erklärten verschiedene Kommandanten wieder den Griff zu den Waffen und wollten anfangs ein Zusammengehen mit den anderen dissidentischen Strukturen um Gentil Duarte und Iván Mordisco. Dies scheiterte jedoch, vor allem weil der Zentrale Generalstab die hierarchischen Strukturen um Márquez und eine Unterordnung ablehnte, auch weil sie das Zweite Marquetalia für den Verrat an der alten FARC-EP verantwortlich machten.
Die FARC-EP, zweites Marquetalia, schaffte es in den ersten beiden Jahren, sich territorial gut aufzustellen und einen gewissen Einfluss aufzubauen. Dies hängt sicherlich mit den bekannten Führungspersonen zusammen, die in verschiedenen Gebieten noch gut verankert waren. In den letzten Jahren gab es jedoch einen Stillstand in der Entwicklung, sicherlich zusammenhängend mit der Tötung ihrer bekannten Kommandanten, aber auch durch den mittlerweile größeren Einfluss der Konkurrenz, des Zentralen Generalstabs. Sie haben nun territorialen Einfluss in 55 Großgemeinden und rund 1650 Mitglieder, darunter 1000 bewaffnete Personen und 600 Angehörige in ihren Unterstützungsnetzwerken.
Der territoriale Einfluss der Zweiten Marquetalia hat sich vor allem auf die Provinzen im Südwesten des Landes wie der Provinz Nariño konzentriert, wo es ihr gelang, Strukturen wie die Front Oliver Sinisterra oder auch die Guerrillas Unidas del Pacífico (Vereinigte Guerillas des Pazifiks) in ihrem Westblock Alfonso Cano zusammenzuführen. In der Provinz Cauca konnte die Front Diomer Cortes und die Sechste Kommission geschaffen werden. Sie stehen hier in einem Disput mit den Strukturen des Zentralen Generalstabs.
In Putumayo gelang es, die sich autonom entwickelten Bolivarischen Grenzkommandos zum Zweiten Marquetalia zu führen. Diese aus ehemaligen Guerilleros, aber auch paramilitärischen Personen bestehende Gruppe, konnte im Süden des Landes ihren Einfluss deutlich aufbauen. Dabei ist hier von einem starken Eigenleben der Gruppe auszugehen, die faktisch eine Allianz eingegangen sind, von der Kommandoebene des Zweiten Marquetalia aber nur ein geringer Einfluss auf jene Struktur vorhanden ist.
Im Osten des Landes ist das Zweite Marquetalia zwar mit der Kompanie Fernando Díaz in Caquetá, der Kolonne Teófilo Forero in Caquetá und Huila, mit der mobilen Kolonne Vladimir Stiven in Meta einige Strukturen, aber ihr Einfluss ist gering zu dem des Zentralen Generalstabs. In einigen Regionen wie in Norte de Santander, Arauca, Guaviare und Vichada hat sie ihren Einfluss gar verloren und beschränkt sich teilweise auf Kooperation mit der ELN gegen den gemeinsamen Feind des Zentralen Generalstabs. Auch ihr militärisches Rückzugsgebiet in Venezuela, hier in den Regionen Apure und Amazonas, ging stark zurück. Auch wenn im April die Neugründung der 53. Front Edinson Romaña in Cundinamarca und Meta bekanntgegeben wurde, ist ihr Erscheinen bisher kaum erkennbar.