Nach der Wahl von Gustavo Petro zum neuen Präsidenten Kolumbiens gibt es erste Stimmen für Gespräche mit den sogenannten dissidentischen Gruppen der FARC-EP, die sich dem im Jahr 2016 unterzeichneten Friedensabkommen zwischen FARC-EP und Regierung entzogen haben. So unterbreitet unter anderem der Senator Iván Cepeda diesen Vorschlag, der sogleich von großen Medien aufgegriffen wurde und zu zahlreichen Diskussionen führte. So entzogen sich mehrere Kommandierende aus der FARC-EP, Zweites Marquetalia, dem Friedensprozess, weil sie weder mit den Vereinbarungen noch mit der Umsetzung zufrieden waren. So tauchten der ehemalige Verhandlungsführer Iván Márquez sowie Jesús Santrich, Romaña und El Paisa, im August 2019 in einem Video auf, bei der sie die Widerbewaffnung verkündeten. Ein Teil der hochrangigen Kommandierenden wurde bei Militäroperationen bereits getötet.
Der ehemalige Präsident Iván Duque hielt immer an seiner Position fest, dass diese Dissidenten Kriminelle seien und verweigerte jegliche Verhandlungsoption. Senator Iván Cepeda, der ab dem 20. Juli den Sitz des Historischen Pakts übernehmen wird, hat jedoch einen Vorschlag vorgelegt. Eine der Prioritäten des gewählten Präsidenten Gustavo Petro besteht darin, den allumfänglichen Frieden in Kolumbien zu erreichen, wofür er persönlich vorschlug, dass die sogenannten Dissidenten eine zweite Chance bekommen. So meinte dazu Cepeda: „Ich denke, es könnte dazu dienen, die Dissidenten, die aus der Nichtumsetzung des Abkommens hervorgegangen sind, wieder in das Friedensabkommen aufzunehmen und auf diese Weise die FARC-Dissidenten zu beenden.“
So könnten die Meinungsverschiedenheiten durch die langsame und teilweise nicht vorhandene Umsetzung des Friedensabkommens ausgeräumt werden und die FARC-EP, Zweites Marquetalia, wieder in den Friedensprozess eingegliedert werden. So fehlen bisher wichtige Aspekte in der Umsetzung des Friedensabkommens, die auch aktuell in der neu entstandenen aufständischen Bewegung eine große Rolle spielen. Darunter zählen zum Beispiel die Agrarreformen, politische Reformen und Aspekte der Drogenhandelspolitik. Allerdings spielte dieser Vorschlag in der Kommunikation von Gustavo Petro bisher noch keine Überlegungen. Jedoch wird mit der Öffnung der Debatte durch Cepeda zumindest eine gesellschaftliche Diskussion geführt werden, wir man zukünftig mit Teilen der FARC-EP umgeht.
Im Zuge des Wahlerfolges von Gustavo Petro erfolgte die Veröffentlichung eines Kommuniqués der FARC-EP, Zweites Marquetalia, in der sie ihre volle Unterstützung für Gustavo Petro und Francia Márquez (afrokolumbianische Vizepräsidentin) zum Ausdruck brachten und bezeichneten die Ankunft des neuen Präsidenten im Regierungspalast Casa de Nariño als das Zeichen für den Wandel, den die Kolumbianer seit einigen Jahren fordern. So heißt es darin: „Lasst uns die Regierung des Lebens und der Hoffnung unterstützen (…) Die Politik der Liebe ist angekommen.“ Und weiter: „Lasst uns mit Leib und Seele alles tun für das gemeinsame Ziel, den vollständigen Frieden für Kolumbien zu erreichen. Wir müssen reden, um den Krieg zu beenden.“ Von Vorteil könnte zudem sein, dass die kooperierende ELN bereits ein Angebot für Gespräche an Gustavo Petro und seine Regierung unterbreitet hat. Sollte es also zu Gesprächen mit der ELN kommen, dann wäre die FARC-EP sicher politisch unter Zugzwang.