Im Jahr 1964 hissten achtundvierzig Kämpfer*innen, in großer Unterzahl an Personen und Waffen gegen eine militärische Übermacht, die Fahne des Widerstandes gegen eine oligarchische und korrupte Regierung. Mehr als 16.000 Soldaten wurden in den Kampf gegen die Bauern geschickt, die sich in den abgelegenen Regionen von der Gewalt des Staates geflüchtet hatten und dort ihr eigenes Leben organisierten. Die Operation Marquetalia, angeführt und unterstützt von der US-Armee, konnte nicht die Bauern und ihre politischen Ideale von Selbstverwaltung, Gerechtigkeit und Frieden zerstören. Die Arroganz des imperialistischen Militärs und der kolumbianischen Armee in der Operation Marquetalia waren der Beginn eines Widerstandskampfes, der jetzt schon 57 Jahre andauert. Zunächst als Antwort der Bauern und Teilen des Volkes auf die kriminelle Strategie der Regierung, später dann mit dem Ziel der politischen Macht, um einen strukturellen Wandel der Gesellschaft zu erreichen. Die FARC-EP wurden eine Volksmacht, die bis heute bestand hat.
Mehrere Friedensprozesse zwischen aufständischer Bewegung und den Regierungen scheiterten. Mehr noch, aus den Friedensprozessen heraus begannen Staat und verbündeter Paramilitarismus mit dem Zerstören der revolutionären Strukturen. Nach 1984 war es der systematische Massenmord an den Mitgliedern und Sympathisanten der aus dem Friedensprozess entstandenen linken Partei Unión Patriótica. Nach 1999, nach dem Friedensprozess von Caguán, begann eine noch nie dagewesene Militarisierung des Landes unter dem Deckmantel des Plan Colombia mit dem Ziel, die Opposition und die Guerilla zu vernichten. Und nach 2016, nach dem komplexen Friedensabkommen zwischen der FARC-EP und der Regierung Santos, begann eine Täuschung und eine Nichterfüllung, die eindeutig das Desinteresse der kolumbianischen Oligarchie an einem Frieden aufzeigte. Nur wenige Punkte wurden umgesetzt. Staat und paramilitärische Strukturen begannen mit der Vernichtung der demobilisierten Kämpfer*innen.
57 Jahre FARC-EP bedeuten auch 10 Jahre Kolumbieninfo. 10 Jahre Kolumbieninfo bedeuten auch 10 Jahre Solidarität mit dem revolutionären Prozess der Guerilla. Das sind 10 Jahre Aufklärung und Gegeninformation zu der bestehenden Desinformation, die von Regierung und Massenmedien als Form des Kampfes zur Delegitimierung der Guerilla genutzt werden. Wir hätten damals nicht gedacht, dass wir mit den Reflektionen zum 47. Jahrestag der FARC-EP aus dem Jahr 2011 solange Bestand haben werden. Aber die unzähligen Rückmeldungen, aus Kolumbien und dem deutschsprachigen Raum, vermittelten uns ein Bild der Wichtigkeit für solch ein Portal und des politischen Ansehens, um über eine der letzten großen aufständischen Bewegungen der Welt und die politische Situation eines sehr komplexen Landes aufzuklären. Diese 10 Jahre machen uns stolz, denn es gibt nicht viele Kollektive oder Gruppen, die über so einen langen Zeitraum im Kontext der internationalen Solidarität kontinuierlich arbeiten.
Mittlerweile sind auch für uns die Bedingungen in Kolumbien schwierig geworden. Schwierig, weil der revolutionäre Prozess in Kolumbien entzweit ist. Wir speisen uns aus Informationen, Freundschaften und Kontakten aus den verschiedenen Strömungen der „alten“ aufständischen Bewegung FARC-EP, die heute wieder in zwei großen Strömungen unterteilt ist und die sich im Rahmen des gescheiterten Friedensabkommens neustrukturiert hat. Wir speisen uns aber auch aus den Kontakten und Freundschaften zur der aus dem Friedensabkommen entstandenen Partei Comunes (ehemals FARC) sowie aus den mittlerweile parallel zur oftmals kritisierten Partei entstandenen Strömungen der Wiedereingliederung. Wir finden, dass alle benannten Strömungen eine Daseinsberechtigung in der Geschichte des Widerstandes in Kolumbien und der FARC-EP haben. Der bewaffnete und soziale Konflikt sowie die revolutionäre Bewegung in Kolumbien waren vielseitig und werden auch weiterhin vielseitig sein. Dies soll bei Kolumbieninfo Beachtung finden.
Dem Zweck der Dokumentation und Aufklärung verpflichten wir uns weiterhin, auch wenn soziale Kanäle gesperrt werden und der Repressionsdruck nie aufhören wird. Zu guter Letzt verweisen wir auf eine Passage im aktuellen Kommuniqué der FARC-EP, Zweites Marquetalia: „Wie schön ist es, den 57. Jahrestag der FARC unter dem Donner des sozialen Ausbruchs zu feiern, der eine politische Lösung für die Krise mit der Bildung einer neuen demokratischen Koalitionsregierung sucht, die uns an die Ufer der Zukunft, des Glücks des Volkes führen wird. Und wie gut es ist, sich unter diesen Umständen an unsere Gründerväter Manuel Marulanda Vélez und Jacobo Arenas zu erinnern und sich auch an alle Guerilleras und Guerilleros zu erinnern, die im Kampf gefallen sind, von Isaías Pardo im Jahr 1964 bis Jesús Santrich im Jahr 2021. Sie leben weiter im Kampf des Volkes. Salud Colombia.“