Die Wiedereingliederung der FARC am Beispiel Cauca

Dieser Artikel, veröffentlicht bei Prensa Rural, aus der Provinz Cauca zielt exemplarisch auf die Erfolge, aber auch negativen Begleiterscheinungen der Wiedereingliederung der FARC im ganzen Land ab. Durch Begriffserklärungen [*] haben wir versucht, den Artikel verständlicher zu gestalten.

Zwischen guten Absichten, Mangel an Land und Bestechungsgeldern – die Wiedereingliederung der FARC im Cauca

67 militärische Einnahmen durch die Guerilla und drei Autobombenanschläge sind in groben Zügen die brutalen Ereignisse, die die Gemeinde Caldono im nördlich gelegenen Teil der Provinz Cauca*[1] in sechzig Jahren bewaffneten kolumbianischen Konfliktes getroffen haben.

Mit fast 33.000 Einwohnern und sieben indigenen Schutzzonen ist Caldono das nationale Gebiet mit den zweitmeisten Angriffen, welche die aufständische Bewegung in der Geschichte des Landes begangen hat.

Dort operierte die Front Jacobo Arenas*[2], die zur ehemaligen Guerilla der FARC-EP gehörte und kam es zu Gefechten, die zu einer erheblichen Flucht ihrer Bewohner in die umliegenden Provinzen führte. Infolge dieses Phänomens wurde das landwirtschaftliche Wachstum in der Region verringert.

Um die landwirtschaftlichen Produktionskapazitäten in diesem Gebiet von Cauca wiederzugewinnen, konzentriert die Behörde für Wiedereingliederung und Normalisierung (ARN) eines ihrer kollektiven Projekte für ehemalige Kämpfer*innen der FARC und Akteure der Zivilgesellschaft.

Am vergangenen Freitag, dem 14. Dezember, absolvierten am Rande des Stadtzentrums von Caldono etwa 120 ehemalige Kämpfer*innen der FARC – der überwiegende Teil davon der indigenen Bevölkerung angehörig und Mitglieder der Nasa-Comunity – ihre Ausbildung in der Herstellung von Hass-Avocado, Baumtomate, Fischzucht und Handwerk.

„Diese Schulungen für ehemalige Mitglieder der Guerilla-Gruppe“, sagt Ángela Medina, Koordinatorin der ARN im Cauca, „erlauben die Gewährleistung der umfassenden und intensiven Ausbildung in kurzer Zeit mit allen Garantien, damit die Begünstigten das Gelernte anwenden können.“

Bei dieser Art der Wiedereingliederung in das zivile Leben durchliefen mindestens 700 ehemalige Kämpfer*innen einen vom SENA (Nationales Ausbildungsinstitut) angeführten Ausbildungsprozess in den Territorialen Räumen der Ausbildung und Wiedereingliederung*[3] des Cauca.

Nach diesen Angaben der ARN gibt es in 19 der 42 Gemeinden von Cauca mehr als tausend ehemalige Kämpfer*innen der FARC, die von den Wiedereingliederungsprojekten profitieren. Es wurden Fortschritte bei der juristischen Legalisierung von zwanzig Kooperativen erzielt.

Die Projekte bauen auf die individuellen Ressourcen der Wiedereingliederung jeder Person auf, die sich auf acht Millionen Pesos pro Person berufen. Darüber hinaus erhalten 99% dieser Bevölkerung das im Friedensvertrag vereinbarte Grundeinkommen, 98% haben Zugang zum Gesundheitssystem und 75% haben Anspruch auf Pensionen, sagte die Koordinatorin der ARN für Cauca.

Es gibt kein Land zum Bepflanzen

Zwei Jahre nach der Verabschiedung des Friedensabkommens scheint also alles reibungslos zu laufen. Es ist jedoch nicht so.

Die Schwierigkeiten der ehemaligen Guerilla unterscheiden sich nicht von denen der übrigen Kolumbianer*innen in den ländlichen Gebieten des Landes. Der Zugang zu Land ist nur einer der komplexesten Punkte im Cauca und es ist bisher kein Projekt zur Wiedereingliederung verwirklicht.

In diesem Sinne versicherte Giancarlo Moreno Flórez, juristischer Vertreter der Genossenschaft „Cooperativa Multiactiva del Ecomún y Esperanza del Pueblo“*[4], dass trotz der guten Absichten des Staates noch kein Quadratmeter Land an die wiedereingegliederten Bäuer*innen zur Verfügung gestellt und das Geld für die Durchführung der Fisch- und Avocado-Projekte nicht realisiert wurde.

Moreno Flórez, ebenfalls Vertreter der FARC, machte geltend, dass das Fehlen von Land für Arbeiten mit wiedereingegliederten Personen so schnell wie möglich behoben werden sollte. „Obwohl dies im Wiedereingliederungsprozess nicht definiert ist, gehören die ehemaligen Kämpfer*innen auch zu den landlosen Bauern, denen die Rückgabe von zehn Millionen Hektar in ganz Kolumbien versprochen wurde.“

Als Antwort auf diese Beschwerde erklärte die ARN-Vertreterin, dass im Friedensvertrag, der im November 2016 in Havanna unterzeichnet wurde, keine besondere Verpflichtung besteht, Land für die Wiedereingliederung von Menschen zur Verfügung zu stellen.

„Sie müssen die Formalitäten genauso wie die übrigen Gemeinschaften durchführen. In Zusammenarbeit mit der Nationalen Behörde für Land werden Aktionen gesucht, um nach Alternativen zu suchen, die eine optimale Durchführung dieser produktiven Projekte ermöglichen“, sagte Ángela Medina.

Im Falle der Finanzierung fügte Moreno hinzu, die FARC habe zwar die von der ARN und der nationalen Regierung geforderten rechtlichen Verfahren eingehalten, sie hätten jedoch immer noch nicht die versprochene Zahlung für die Förderung der landwirtschaftlichen Projekte in Cauca erhalten, die rund 2.400 Millionen Pesos betragen.

Etwas Entscheidendes, wenn man berücksichtigt, dass 80% der Mitglieder der FARC in Kolumbien landwirtschaftliches Wissen besitzen, heißt es in dem Bericht zur Rechenschaft über die Umsetzung des Friedensabkommens der Nationalen Universität.

Bestechungsgelder für die Wiedereingliedernden

In der Zwischenzeit erklärte der Sprecher der FARC, dass die politische Partei Fuerza Alternativa Revolucionaria del Común (Alternative Revolutionäre Kraft des Volkes – FARC) anprangerte, dass ein hohes Risiko an der Übergabe von Bestechungsgeldern an ehemalige Kämpfer*innen bestehe.

„Sie bieten unseren Mitgliedern viel Geld an, um sich aus diesem Prozess zurückzuziehen und sich mit anderen bewaffneten Gruppen zu verbinden. Das ist sehr beunruhigend und wir haben es der Friedenskommission bekannt gegeben, als es zu einer Sitzung in diesem Gebiet von Cauca kam“, sagte Moreno.

Sie würden ein bis vier Millionen Pesos für ehemalige Milizionäre anbieten, damit sie sich wiederbewaffnen und sich einer anderen illegalen Gruppe anschließen, wie zum Beispiel den dissidentischen Gruppen der FARC, dem Clan del Golfo (Paramilitärs) und dem Nationalen Befreiungsheer (ELN).

Die Frage: „Wie viele ehemalige Kämpfer*innen Bestechungsgelder erhielten, um in den Konflikt zurückzukehren?“, konnte Moreno Flórez nicht beantworten.

Schließlich kam die Koordinatorin der ARN für Cauca zu dem Schluss, dass die Stärkung der Genossenschaften, die Verwaltungsfähigkeiten und die Finanzierung der Projektdurchführung ein langfristiger Prozess ist.

Ángela Medina betonte, dass Kolumbianer*innen darauf setzen sollten, denn nur dann werden wir uns „erlauben können, vom Frieden in diesem Gebiet zu sprechen.“

*[1] Die Provinz Cauca, im Südwesten Kolumbiens gelegen, hat Zugang zum Pazifik und zu zwei Kordilleren der Anden. Es zählt zu den Gebieten mit dem höchsten Anteil an indigener Bevölkerung. Gleichzeitig ist die Provinz sehr arm. Die Provinz ist traditionell sehr widerstandsfähig gewesen. Neben der FARC-EP stehen in der Tradition des Widerstandes vor allem Anfang des letzten Jahrhunderts der Indigene Quintín Lame und eine nach ihm benannte indigene Guerilla aus den 1980er Jahren.

*[2] Die Mobile Kolonne Jacobo Arenas war eine der aktivsten militärischen Einheiten bzw. Fronten der FARC-EP. Sie operierte mit der 6. Front der FARC-EP im Südwesten des Landes, vor allem in der Provinz Cauca und hier in den Gemeinden Toribío, Caloto, Jambaló, Caldono, Morales, El Tambo und Suárez. Ein Großteil der Kämpfer*innen bestand aus den indigenen Gemeinschaften, die seit Jahrhunderten vom Staat unterdrückt wurden. Alias „Caliche“ war einer ihrer bekanntesten Kommandierenden. Rund 300 Kämpfer*innen und Milizionäre gehörten der Front an.

*[3] Die sogenannten Wiedereingliederungszonen der FARC, kurze spanische Abkürzung ETCR für Espacios Territoriales de Capacitación y Reincorporación, sind im ganzen Land verortet und dienten zur Waffenniederlegung der Kämpfer*innen der FARC und nun zur Wiedereingliederung in das zivile Leben. Als sich die Kämpfer*innen der FARC-EP dort konzentrierten, war ihr Zustand und ihre Infrastruktur erbärmlich. Auch heute noch fehlt es in einigen Zonen an adäquater Ausstattung und Unterstützung. Auch aus diesem Grund ist die Zahl der dort verbliebenen Kämpfer*innen stetig zurückgegangen.

*[4] Ecomún, „Solidarische Wirtschaft des Volkes“, ist die nationale Genossenschaft, die von der Partei FARC im Rahmen des Friedensabkommens von Havanna für den Prozess der integralen Wiedereingliederung ihrer ehemaligen Kämpfer*innen gegründet wurde. Sie ist eine juristisch zugelassene Körperschaft seit September 2017, um die vor allem finanziellen Ressourcen der individuellen und kollektiven Wiedereingliederung zu erhalten und zu verwalten. In ihr wurden am Anfang bis zu 51 lokalen Genossenschaften betreut, die in den Wiedereingliederungszonen mit bis zu 3000 ehemaligen Kämpfer*innen gegründet wurden.

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