In den Tagen vom 14. bis 16. Dezember traf sich das III. Plenum des Nationalrats des Volkes, also den verschiedenen Parteistrukturen der FARC in Kolumbien, in Melgar, Provinz Tolima, an dem 81 gewählte Frauen und Männer der Partei aus dem ganzen Land teilnahmen. Das Ziel der Plenartagung war das Analysieren der aktuellen politischen Lage, der Aufbau der Partei, den Stand der Umsetzungen des Friedensabkommens und der Wiedereingliederung sowie die politischen Ziele und den Wahlkampf für 2019 zu diskutieren.
Der nationale Politische Rat, das höchste Gremium innerhalb der Partei, stellte in einer Erklärung fest: „Es war uns immer klar, dass die Implementierung ein umstrittenes Feld ist und dass dies einen größeren Umfang und eine weitere Entwicklung haben wird, gegebenenfalls durch die großen Mehrheiten, und dass dies auf sozialer und populärer Organisation und Mobilisierung beruht. Wir werden nicht müde werden darauf hinzuweisen, dass es nicht ausschließlich für ehemalige Guerilleras und Guerilleros konzipiert wurde, sondern für die gesamte kolumbianische Gesellschaft.“
Während der abschließenden Pressekonferenz zog die neue Partei einen Rundumriss und viel Kritik zur politischen Situation unter dem rechten Präsidenten Duque. So ist laut FARC eine „Regierung der Kontinuität des neoliberalen Wirtschaftsmodells, die in den letzten Jahrzehnten in unserem Land vorherrscht. Dies zeigt sich unter anderem durch die regressive Steuerreform, die vom Kongress der Republik genehmigt wird und insbesondere die Grundlagen des Nationalen Entwicklungsplans für den Zeitraum 2018-2022.“
Und weiter: „Obwohl die Regierung versucht hat, sich der Öffentlichkeit im Spektrum des politischen Zentrums darzustellen, entspricht sie in Wirklichkeit den Richtlinien der rechten und seiner extremsten Sektoren. Sie ist mit den Strategien der transnationalen Rechten und der Regierung der Vereinigten Staaten für die Region verbunden und Teil des Kreuzzugs für die Wiedererlangung der Positionen, die die dominierenden Klassen in Unserem Amerika in den vorangegangenen Jahren verloren haben durch die demokratischen und progressiven Regierungen.“
Dies erklärt auch weitgehend ihre gegenwärtige Position in Bezug auf das Friedensabkommen und seine Umsetzung, in der eine große Kluft zwischen dem Diskurs und den staatlichen Maßnahmen erkennbar ist, so die Parteiführung. Und auch wenn es eben einige kleine Fortschritte gibt, so machte die FARC deutlich, dass es einerseits für die Partei kein Zurück mehr gibt und sie zum Frieden stehen, andererseits aber in Richtung der Regierung ihre Perfidität zur Änderung des Abkommens und zur wenigen Bereitschaft der Umsetzung.
„Ohne Zugang zu Land ist es unmöglich, produktive Projekte mit einer Perspektive der mittel- und langfristigen Nachhaltigkeit zu starten. Die wenigen Fortschritte, die bisher auf diesem Gebiet erzielt wurden, erklären sich im Wesentlichen aus dem Engagement und der Arbeit der ehemaligen Guerillakämpferinnen und Guerillakämpfer sowie der lokalen Unterstützung der internationalen Gemeinschaft“, wurde auf das Problem der Wiedereingliederungszonen eingegangen. Noch immer fehlt es dort an staatlicher Unterstützung, vor allem auch in einem Grundeinkommen und adäquater Nahrungsmittelversorgung.
Auch im Rahmen der politischen und juristischen Situation für die ehemalige Guerilla wurde Kritik laut. Sie verurteilet den Mord an 89 ehemaligen Kämpfern, die fehlende Anerkennung für 1.111 Mitlieder der FARC-EP und sie fordert die Freilassung von 412 ehemaligen Kämpferinnen und Kämpfern sowie die Sonia, Jesús Santrich und Simón Trinidad als Symbolfiguren für Willkür und Ungerechtigkeit. „All dies stellt eine Verletzung unserer politischen Rechte und der vereinbarten Bedingungen für den Übergang zum legalen politischen Leben dar“, so die FARC.
Ausblickend sagt die Partei: „Im Jahr 2019 haben wir uns verpflichtet, mit einheitlichem Geist zur Organisation von Kämpfen und zur sozialen und populären Mobilisierung im Land und in den Städten beizutragen. (…) Die Wahlen von 2019 in Provinzen und Gemeinden bieten die Gelegenheit, die Fortschritte der demokratischen, progressiven und linken Sektoren bei den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen zu festigen. Die Existenz eines großen parlamentarischen Gremiums hat zum ersten Mal gezeigt, wie wichtig es ist, eine alternative politische Vertretung im Kongress der Republik zu sein, die über die offensichtlichen Grenzen hinausgeht.“
Diese Wahlen und die Zusammenarbeit mit anderen Sektoren kann schließlich der Zugang zu lokalen Regierungen demokratischer und progressiver Art eröffnen und eine wichtige Präsenz in den politischen Strukturen des ganzen Landes gewährleisten. Die FARC will dabei auch Kandidaturen aus politischen und sozialen Bewegungen zulassen, um möglichst breit aufgestellt zu sein. Zur Ausübung der politischen Opposition sollen die paramilitärischen Strukturen aufgelöst und die Gewalt und exzessive Repression gegen Mobilisierungen und sozialen Protest aufhören. Die zuletzt zur Niederschlagung studentischer Proteste in Verruf gekommene ESMAD-Polizeieinheit soll aufgelöst werden.
In ihrer Erklärung erkennt die Partei eigene Probleme an. So sind zum Beispiel Iván Márquez und Oscar alias El Paisa sowie andere ehemalige Kommandanten nicht zur Plenartagung erschienen. Dabei hatte der Vorsitzende höchst persönlich einen Brief an Oscar geschrieben, um ihn an der Teilnahme der Plenartagung und dem Friedensprozess zu bewegen. An der Plenartagung nahmen 81 Mitglieder teil, es gab 6 entschuldigte Abwesenheiten und 20 Abwesenheiten ohne Begründung. Zuletzt berichteten wir, dass einige ehemalige Kommandierende ohne kennen ihres Aufenthaltsortes von der Bildfläche verschwunden sind.
Aus internationaler Sicht macht sich die Partei Sorgen wegen der Zusammenarbeit Kolumbiens mit der NATO und solidarisiert sich mit Venezuela. Sie fordert zudem die sofortige Wiederaufnahme der Friedensgespräche mit dem ELN und der Regierung. „An die internationale Gemeinschaft, an die Garantenländer Kuba und Norwegen, an die zweite Mission der Vereinten Nationen, an die Europäische Union und generell an alle Institutionen und Organisationen, die die Umsetzung des Abkommens begleiten, national und international, unsere wiederholte Dankbarkeit. Zurzeit ist ihr Engagement für das Friedensabkommen von entscheidender Bedeutung für die Kontinuität des Prozesses. Ihre Anwesenheit gibt uns mehr Mut, den Umsetzungskampf fortzusetzen“, so die FARC in ihrer Erklärung.