Im Norden der Provinz Cauca und angrenzend im Süden von Valle del Cauca gibt es derzeit Spannungen wegen einiger vermeintlicher Brüche von Punkten des Waffenstillstandabkommens. Dies betrifft unter anderem Strukturen aus dem Westlichen Koordinationskommando der FARC-EP. So sah sich der Verteidigungsminister Iván Velásquez am Wochenende veranlasst, deutliche Worte an die Guerilla zu wenden und drohte damit, dass wenn nicht das Waffenstillstandsabkommen eingehalten werde, es die Regierung, also die Streitkräfte, ebenso wenig aufrechterhalten werde.
So gab es einen schwerwiegenden Vorfall in einem indigenen Schutzgebiet der Gemeinde Caldono, bei der auch Personen der indigenen Wache ermordetet sein sollen. Während die staatlichen Sicherheitskräfte den Angriff und das Patrouillieren der Mobilen Kolonne Jaime Martínez zuschreiben, sagen Angehörige vor Ort, dass es sich um eine Einheit der Mobilen Kolonne Dagoberto Ramos gehandelt hat. Seit dem Bestehen der Guerilla gibt es territoriale Konflikte in denen von Indigenen bewohnten Gebieten, da beide Institutionen Ansprüche auf ihre Gebiete hegen, ohne sich gegenseitig zu respektieren.
Zuvor gab es bereits einige kleinere Angriffe im Süden der Provinz Valle del Cauca, besonders in Jamundí durch Einheiten der Mobilen Kolonne Jaime Martínez. Hier ging es um das Eintreiben der Revolutionssteuer und den Konflikt mit kriminellen Banden. In der Gemeinde Santander de Quilichao wurden Plakate der Guerilla, hier von den Mobilen Kolonnen Jaime Martínez und Dagoberto Ramos. Ebenso wurden Transparente zu Normen des Zusammenlebens und Verhaltensregeln aufgehängt. Dies ist eigentlich gängige Praxis, wird in diesen Zeiten aber als Provokation angesehen.
Diese Regeln und Normen des Zusammenlebens sind in vielen Gebieten der Guerilla Alltag und dienen der Koordinierung und Sicherheit des gesellschaftlichen Zusammenlebens in Regionen, in denen der Staat faktisch nicht präsent ist. Dazu gehört, dass in der Nacht kein Transport stattfinden darf, alle Personen Ausweisdokumente mit sich führen müssen, nur mit Helm gefahren werden darf und ambulante Verkäufer nicht einfach von Ort zu Ort ziehen dürfen. Um diese Regeln geht es auch aktuell in Santander de Quilichao und auch in El Patía, wo die Front Carlos Patiño ähnliche Aktionen durchführte.
Zudem wurde ein Vorfall aus der Gemeinde Santander de Quilichao bekannt, in der zwei Milizionäre der Mobilen Kolonne Jaime Martínez zwei Personen bei einer Kontrolle ermordet haben. Wieso es zu diesem Vorfall beziehungsweise zur Ermordung kam, ist nicht bekannt. Das die Guerilla Kontrollpunkte in ihren Gebieten hat, ist allgemein bekannt, Fehlverhalten wird zur Rechenschaft gezogen. Es obliegt nun beiden Seiten, die Punkte des Waffenstillstandabkommens zu konkretisieren und zu verifizieren. Zuletzt gab es Anmerkungen, dass die Protokolle und Punkte des Abkommens zum Waffenstillstand zu ungenau sind. Bei nur zwei durchgeführten Treffen beider Parteien scheint dies auch verständlich zu sein.
Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) hat gestern drei Soldaten und einen Unteroffizier der kolumbianischen Armee in Empfang genommen, die von der Front Carlos Patiño des Westlichen Koordinationskommandos der FARC-EP festgenommen wurden. Die Übergabe der unverletzten Soldaten fand in einer ländlichen Gegend im Süden von Cauca statt. Diese Übergaben gibt es regelmäßig unter Vermittlung des Internationalen Roten Kreuzes oder der Kirche, wenn die Guerilla in ihren Gebieten Soldaten oder Polizisten festnimmt.
Mehrere Ereignisse sorgen dafür, dass der zwischen FARC-EP und kolumbianischer Regierung zum Jahreswechsel vereinbarte Waffenstillstand brüchiger wird. Zwar gibt es Meldungen aus vielen Regionen Kolumbiens, in denen klar ein Rückgang von gewalttätigen Vorfällen und auch militärischen Aktionen von beiden Seiten zu erkennen ist, doch immer wieder gibt es auch Ereignisse, die deutlich die Instabilität erkennen lassen.
Die Provinz Arauca im Nordosten Kolumbiens erlebt derzeit eine Zuspitzung des bewaffneten Konfliktes. Ausgelöst wird dies durch einen hinterhältigen Angriff von Kämpfern der ELN auf ein Lager der FARC-EP, die sich derzeit im Waffenstillstand befindet. Diesen Zustand, dass sich die Einheiten der FARC-EP in Sicherheit wiegen und keine offensiven Aktionen ausführen, nutze die ELN scheinbar aus. Es gibt Meldungen über 11 getötete Personen, die meisten von der 10. und 28. Front der FARC-EP.
In der nordostkolumbianischen Provinz hat es zwischen ELN und FARC-EP schwere Kämpfe gegeben. Besonders betroffen war die Gemeinde Puerto Rondón, nahe der Grenze zur Gemeinde Tame. Es scheint also, als ob die ELN damit ihre einseitig verkündete Waffenruhe ad acta gelegt hat. So meldeten lokale Bewohner Kämpfe und mindestens zehn Leichen, die in diesem Sektor abgeladen wurden. Die von den Toten getragenen dreifarbigen Armbinden und deren Tarnkleidung zeigen, dass sie Mitglieder der FARC-EP waren. Laut lokalen Journalisten und anderen Quellen sind unter den Toten auch Führungskommandeure der 10. Front, darunter alias Solín, der wohl als Verstärkung aus dem Süden des Landes von der 1. Front in den Nordosten geschickt wurde.
Bisher ist kaum etwas bekannt über die bisher kaum in Erscheinung getretenen drei Personen, die vom Zentralen Generalstab der FARC-EP benannt worden sind, um die Sondierungsgespräche für potenzielle Friedensgespräche mit der kolumbianischen Regierung zu führen. Auffällig hierbei ist, dass zwei Personen aus der 33. Front Mariscal Antonio José de Sucre aus der Provinz Norte de Santander kommen.
Die kolumbianischen Justizbehörden dürfen auf Grundlage von Sondierungsgesprächen zu einem Friedensprozess zwischen Regierung und FARC-EP zwei Wochen lang nicht drei Personen festnehmen, die vom Zentralen Generalstab der FARC-EP als Verhandlungspersonen benannt sind. Auch wenn die drei Personen in dem Dekret für die Öffentlichkeit nicht benannt sind, so ist davon auszugehen, dass es sich dabei um drei Personen handelt, die sich bereits im Vorfeld mit Delegierten der kolumbianischen Regierung getroffen haben. So betrifft die vorläufige Aussetzung des Haftbefehls sehr wahrscheinlich Willinton Henao Gutiérrez alias Olmedo, Carlos Eduardo García Téllez alias Andrei und Sandra Milena Niño Guerrero.
Als Friedensgesten kommen aktuell immer wieder neue Kommuniqués der verschiedenen Strukturen der FARC-EP an die Öffentlichkeit, in der sie ihr Bekenntnis zum Frieden und Waffenstillstand bekunden. Aktuell bekannt sind unter anderem ein Kommuniqué des Westlichen Koordinationskommandos und des Östlichen Koordinationskommandos aus den letzten beiden Tagen. Dies zeigt noch einmal den Willen der aufständischen Bewegung nach einer politischen Lösung des Konfliktes.
In einem am gestrigen Tag bekannten Kommuniqué, datiert vom 1. Januar, erklärt die aufständische Organisation FARC-EP unter der Führung von Iván Mordisco und des Zentralen Generalstabs als Reaktion auf den bilateralen Waffenstillstand der kolumbianischen Regierung ebenso die Einstellung aller Feindseligkeiten. Zudem wird sich mit weiteren Aspekten von potenziellen Friedensverhandlungen befasst. In Bezug auf den von Petro angekündigten bilateralen Waffenstillstand bekräftigen sie, dass „er hauptsächlich das Ergebnis des Appelles der Gemeinschaften und sozialen Organisationen ist, die Opfer der strukturellen Ursachen des sozialen und bewaffneten Konflikts und seiner Folgen sind; des Willens der nationalen Regierung, der sich in den konkreten Maßnahmen einiger ihrer Vertreter zur Deeskalation der Konfrontationen ausdrückt.“
Im Folgenden veröffentlichen wir die deutsche Übersetzung des Kommuniqué der FARC-EP unter der Führung des Kommandierenden Iván Lozada alias Iván Mordisco zum unilateralen Waffenstillstand über die Feiertage: