Mehrere Aufreger gab es in dieser Woche in Kolumbien, die einem zum Lachen bringen, wenn auch auf zynische Art und Weise.
Zum einen war da der Vorschlag zur Ernennung des Armeegenerals Leonardo Barrero als Direktor des Plans zum Schutz der sozialen Aktivist*innen, die in Kolumbien unter anderem von paramilitärischen Gruppen unter Duldung der staatlichen Sicherheitskräfte systematisch ermordet werden. Nachdem mehrere Menschenrechtsorganisationen die Ernennung von General Leonardo Barrero zum Direktor des Aktionsplans zur Prävention und zum Schutz von Menschenrechtsaktivisten, Sozialpolitikern und Journalisten abgewiesen hatten (PAO), weil der General Ermittlungen zu außergerichtlichen Hinrichtungen (falsos positivos) behinderte und andere unethische Verhaltensweisen in seiner militärischen Laufbahn zeigte, verteidigte das Innenministerium den General und sieht ihn nun eher als Bindeglied zwischen den Akteuren aufgrund seiner Erfahrungen.
So war der General Barreo Gordillo in den 2000er Jahren Kommandeur der XVI. Brigade der Armee mit Sitz in Casanare und im Jahr 2005 gab es Militäroperationen gegen die 38. und 56. Front der FARC-EP, bei der es auch außergerichtliche Hinrichtungen, Besetzungen und ungerechtfertigte Zerstörungen gab. Immer wieder gibt es im Rahmen der sogenannten Aufstandsbekämpfungen schwere Menschenrechtsverletzungen durch die staatlichen Sicherheitskräfte, bei der häufig die Zivilbevölkerung und vor allem soziale Aktivist*innen als Mitglieder der Guerilla bezichtigt, verhaftet, gefoltert oder ermordet werden.
Der andere Aufreger, der eigentlich ein großer Skandal ist, ist der zweifelhafte Umgang mit dem Genossen Jesús Santrich. Der wegen einer juristischen Montage und des angeblichen Drogenhandels inhaftierte Genosse der FARC, sollte kurz vor seiner Entlassung stehen. Dazu forderte die Sondergerichtsbarkeit für den Frieden (JEP), also die im Rahmen des Friedensabkommens entstandene Übergangsjustiz, von den USA Beweise für die Anschuldigungen und den Auslieferungsgesuch. Diese Frist verstrich am vergangenen 28. Januar, ohne dass die USA Beweise gegen Jesús Santrich vorlegten. Nun kam heraus, dass das Justizministerium Kolumbiens im Auftrag der JEP wohl angeblich einen Brief am 10. Dezember letztes Jahr mit der nationalen Post an das Gericht in New York versendete, der Brief aber nicht über Panama heraus kam und somit sein Ziel nie erreichte. Ein Schelm wer böses dabei denkt.
Unterdessen teilte die Regierungsseite mit, dass es dafür keine Erklärungen gebe, wie so etwas geschehen kann und warum der Brief nie die amerikanische Justiz erreicht habe. Stattdessen betonte man, dass es eine sehr fließende Korrespondenz mit dem US-Justizministerium gibt und so etwas noch nie passiert sei. Nun wird laut überlegt, ob die Frist einfach verlängert wird und damit natürlich auch die Haft vom Genossen Santrich. Es ist eine Schande, wie das Friedensabkommen behandelt wird und wie sich auch die JEP positioniert, die zu einem Instrument der Herrschenden verkommen ist. Eigentlich sollte die JEP alle Akteure (Guerilla, Staat, Zivile) im Rahmen von Wahrheit und Versöhnung im über 50-jährigen Konflikt beleuchten. Nun zeigt sich ihr wahres Gesicht, durch Beschneidungen der rechten Politik und solche Skandale.
Für einen weiteren Lacher sorgten einige Medien, die berichteten, dass in der Provinz Antioquia ein Treffen zwischen der Partei FARC und der rechten Partei Centro Democrático (CD), Partei des Ex-Präsidenten und Narco Uribe und des aktuellen Präsidenten Duque, stattgefunden hätte, um Wahlabsprachen zu treffen. So trafen sich in Frontino der hemalige Kommandant der FARC-EP Pastor Alape, Personen des CD sowie andere Personen um einen einzigen Kandidaten für die Bürgermeisterwahl zu stellen. Das CD ist eine der härtesten Gegner der FARC und aller linken Kräfte und ein Abkommen mehr als unwahrscheinlich. Wahrscheinlicher ist jedoch eine Medienkampagne, wie sie gegen die FARC und die linke Opposition schon mehrmals geführt wurde. Erinnert sei hier an den ehemaligen Präsidentschaftskandidaten Gustavo Petro. Jedenfalls sah sich die FARC genötigt, eine Richtigstellung zu verbreiten und ihre Basis aufzuklären. „Wir rufen die Mitgliedschaft dazu auf, auch in diesen Fragen aufgrund einer offensichtlichen Medienkampagne, die darauf abzielt, unsere Partei zu diskreditieren und Widersprüche zu verschärfen, um uns zu zerstören, die revolutionäre Wachsamkeit zu bewahren.“
Wer glaubt denn schon an einen Frieden, bei täglichen Meldungen über ermordete soziale Aktivist*innen und Linke, bei einer sich immer mehr andeutenden Veränderung des eigentlich vereinbarten Friedensabkommens und den eben geschilderten Fällen? Hinzu kommen sich zuspitzende Sicherheitsaspekte sowohl im urbanen als auch ländlichen Raum Kolumbiens. So treten paramilitärische Gruppen auch in den Städten immer öfter offen auf, so zuletzt in Medellín an der Universität, geht das Militär in vielen Regionen unter dem Deckmantel einer Offensive gegen das ELN scharf gegen soziale Bewegungen vor oder tritt eine neue Konfliktphase zwischen den bewaffneten Akteuren, wie im Cauca, ein. Hier hatte vor Tagen das EPL den Dissidenten der FARC den Krieg erklärt. Der Frieden treibt also komische Blüten, ja gibt es ihn überhaupt?