Wir haben lange überlegt, wie wir diese Entwicklung einer Dissidenz innerhalb der sogenannten dissidentischen FARC-EP betrachten, die nun schon fast ein Jahr lang andauert. Noch ist vor allem politisch nicht ganz klar, wohin die Dissidenz der 57. Front will. Seit November vergangenen Jahres gibt es die 57. Front Yair Bermúdez, eine Abspaltung aus der FARC-EP des Zentralen Generalstabs. Ursprünglich ist es ein Teil der Kompanie Adán Izquierdo des Zentralen Generalstabs der FARC-EP, die im Westen Kolumbiens operierte. Aus ideologischen und dann auch territorialen Gründen kam es zu einer Spaltung, was Auswirkungen auf die Konfliktregionen in Cauca und Valle del Cauca hat, wo die Front Yair Bermúdez aktiv ist. Ursprünglich operierte sie nur in Valle, kämpft nun aber gegen den Westblock Jacobo Arenas der FARC-EP auch im Norden von Cauca, angestammtes Gebiet der Front Dagoberto Ramos.
Diese neue Front steht unter dem Kommando von Oscar Barreo (Luis Carlos Pinilla) und Ángela (Leidy Rojas). Während Ángela aus der ehemaligen Kompanie Adán Izquierdo stammt, war Óscar ein Kommandant in der mobilen Kolonne Urías Rendón aus der Provinz Nariño im Süden Kolumbiens. Beide waren Friedensvermittler, wurden aber im November 2023 in einem Kommuniqué vom Zentralen Generalstab der FARC-EP um Iván Mordisco ausgeschlossen, in welchem sie beschuldigt worden sind, Infiltratoren zu sein. Damals hatte diese Kolonne einen Waffenstillstand mit der FARC-EP, Zweites Marquetalia, unter dem Kommando von Iván Márquez vereinbart. Auch über die Friedensgespräche mit der Regierung gab es Unstimmigkeiten. Nachdem er zum Deserteur erklärt worden war, kündigte Oscar seine Trennung vom Zentralen Generalstab und die Gründung der 57. Front Yair Bermúdez an.
In seinem persönlichen Kommuniqué gibt der 40-jährige an: „Man kann nicht vor dem Land und den anderen Genossen unbedachte Anschuldigungen erheben, man kann nicht weiter Verwirrung stiften und weitere Spaltungen verursachen.“ Er fuhr jedoch diesen Weg und gründete die neue Front, die heute schätzungsweise aus 90 Mitgliedern besteht. Um einen potenziellen Spaltungsprozess vorzubeugen und die Kräfte zu einen und sammeln, entschied sich der Zentrale Generalstab der FARC-EP mit der Gründung des Zentralblocks Isaías Pardo, der vor allem in Valle, Huila, Tolima und Quindío operiert. Er ist ein Gegenstück und soll auch der Regierung aufzeigen, dass die Einstellung der Friedensverhandlungen und des Waffenstillstandes Folgen hat. Der Zentralblock, genau wie der Westblock, stehen gegen die Front Yair Bermúdez.
Oscar ist ein sehr umtriebiger Guerillero gewesen. Wohl schon im Jahr 2012 wurde er Mitglied der 6. Front der FARC-EP, wo er neben einen Guerillakämpfer auch Kommandeur einer Kommission der Guerilla und politischer Kader wurde. 2017 wurde er in der Gemeinde Cajibío, Provinz Cauca, festgenommen. Es gibt Meldungen, als er zu diesem Zeitpunkt Mitglied der Kompanie Milton Hernández Ortiz der ELN war. Nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis schloss er sich zunächst der Front Dagoberto Ramos an, die im Norden von Cauca operiert und wechselte Mitte 2020 zur Front Jaime Martínez.
Am 27. November 2023 kündigte er in einem in den sozialen Netzwerken veröffentlichten Videokommuniqué die Gründung der 57. Front Yair Bermúdez an und erwähnte, dass diese in den Gemeinden Tuluá und Sevilla präsent sein werde. Anschließend gab er ein Kommuniqué heraus, in dem er sich vom Zentralen Generalstab der FARC-EP trennte und mehrere seiner ehemaligen Genossen von der Kompanie Adán Izquierdo ermorden ließ. Wie bereits geschrieben, können wir die politisch-militärische Dimension nicht ganz einschätzen. Aber wir haben es seit fast einem Jahr mit einem weiteren Akteur zu tun, der aus der FARC-EP entspringt und sich auf die Tradition der alten Guerilla beruft. Demzufolge lohnt sich ein Blick auf die historisch gewachsene Entwicklung dieser Front, vor allem auch, weil es Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung inmitten des bewaffneten Konfliktes hat.