Wo der Staat fehlt, hilft die Guerilla

Wir berichteten auf dem Portal Kolumbieninfo zuletzt mehrmals über die schwierige Situation und die Kämpfe im Südwesten Kolumbiens, vor allem in der Provinz Cauca. Hier gibt es seit längerer Zeit eine Offensive der staatlichen Sicherheitskräfte, um den Einfluss der verschiedenen bewaffneten Organisationen zurückzudrängen. Besonders der Westblock Jacobo Arenas der FARC-EP, Zentraler Generalstab, hat in den letzten Monaten versucht, seine Territorien zu festigen, was medial zu starker Kritik gegenüber Armee und auch Präsident Petro führte, der zwar den Waffenstillstand mit der FARC-EP unter Iván Mordisco aufkündigte, die hier operieren, jedoch mit seiner Politik des totalen Friedens bisher scheitert.

Das jedoch die Aufstandsbekämpfung nicht nur damit funktioniert, die bewaffneten Organisationen zu bekämpfen, sondern es grundlegende Reformen und staatliche Investitionen benötigt, die Aufschwung und Perspektiven im ländlichen Raum bringen, dürfte schon seit den letzten Jahrzehnten und Friedensprozessen klar sein. Doch sowohl die Umsetzung des Vereinbarten von Havanna im letzten Friedensprozess mit der FARC-EP, als auch die Reformen und Investitionen der staatlichen Infrastruktur kommen nur sehr schleppend voran. In diesem Vakuum und der strukturellen Ungleichheit können aufständische Bewegungen immer wieder ihre Politik erfolgreich durchsetzen.

So auch inmitten der komplexen und angespannten Situation des bewaffneten Konflikts in der Provinz Cauca, wo die bäuerliche Gemeinschaft des Dorfes San Juan de Mechengue in der Gemeinde El Tambo einen wichtigen Meilenstein erreicht, indem sie schwere Maschinen zur Verbesserung der Straßeninfrastruktur in der Region angeschafft hat. Diese Errungenschaft ist das Ergebnis der gemeinsamen Anstrengungen der zwölf Dörfer der Landgemeinde, die angesichts der Vernachlässigung durch den Staat beschlossen haben, verschiedene Aktivitäten zu organisieren, um die erforderlichen Mittel für die schwere Maschinentechnik aufzubringen.

Die Anschaffung der schweren Baumaschinen ist nicht nur ein Fortschritt in Bezug auf die Anbindung und die lokale Entwicklung, sondern auch ein Symbol des Widerstands und der Selbstbestimmung angesichts der prekären Lage, in der sie sich täglich befinden. Der Kauf dieser Maschinen konnte dank gemeinschaftlicher Aktivitäten wie Bingos, Tombolas und Festen ermöglicht werden.  Doch nicht nur, wie sich zeigte und was nun medial wieder zu einem Aufschrei führte. Denn Fotos des Festaktes zeigen Guerilleros der FARC-EP, die in Uniformen bei der Übergabe der schweren Maschinen mit dabei sind. Dabei ist völlig klar, wo der Staat nicht präsent ist, da ist die Guerilla präsent und unterstützt die lokale Bevölkerung.

Der Mangel an staatlicher Unterstützung in der Region Cañón del Micay ist kein neues Phänomen, sondern ein konstantes Merkmal der Geschichte der Region. Die Gemeinden mussten sich organisieren und selbst verwalten, um zu überleben und ihre Lebensbedingungen zu verbessern, trotz der vielen Herausforderungen, denen sie gegenüberstehen. Der Erwerb der Maschinen stellt einen wichtigen Schritt zur Verbesserung der lokalen Infrastruktur dar, ist aber auch Ausdruck der Abwesenheit des Staates in Gebieten, die vor allem vom Westblock der FARC-EP kontrolliert wird und wo die FARC-EP seit Jahrzehnten stark präsent ist und faktisch Kontrollmacht war.

Auch die Einweihung einer Brücke über den Micay-Fluss im Juli, die ebenfalls von der Front Carlos Patiño der FARC-EP finanziert wurde, sorgte ebenso für Aufregung, was für die ländlichen Regionen und überall dort, wo die Guerilla präsent ist und selbstverständlich unterstützt, jedoch nur das alltägliche Leben ist. Dort wo der Staat fehlt gibt es Selbstverwaltung und eine Guerilla, die diese Aufgaben übernehmen. Das war schon vor Jahrzehnten so und wird auch in den nächsten Jahren so sein, wenn es keine strukturellen Veränderungen in einem Land gibt, das von Ungleichheit und Ungerechtigkeit geprägt ist.

Dieser Beitrag wurde unter General veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.