Alter Wein in neuen Schläuchen

In den zurückliegenden Jahren gab es immer wieder die Diskussion um die politische Komponente und den Drogenhandel in der aufständischen Bewegung. Schon die „alte“ FARC-EP sah sich damit konfrontiert, durch die öffentlichen Medien und den Regierungen als Drogenterroristen deklariert zu werden. Damit verfolgte man die Strategie der Entpolitisierung und die Darstellung der Guerilla als gewöhnliche Kriminelle. Zudem rechtfertigte man damit national und international den Kampf gegen die Drogen als Kampf gegen die aufständische Bewegung. In der Öffentlichkeit kaum beachtet war hingegen der Aspekt, dass auch Regierung, Militär und staatliche sowie nichtstaatliche Institutionen vom Drogenhandel profitierten, gar ihren Wahlkampf damit finanzierten und fest verankert im internationalen Drogengeschäft waren.

Mit der Guerilla hatte man einen schwarzen Peter gefunden, den man die tiefgreifenden Probleme des Landes wie ungerechte Landverteilung, soziale Ungerechtigkeit, Armut, Korruption, Gewalt und fehlende staatliche Infrastruktur unterschieben konnte. Dies geschieht auch heute noch und wird nur allzu gerne aufgegriffen, um von eigenen Problemen abzulenken und im öffentlichen Diskurs einen für die Allgemeinheit klaren Gegner zu symbolisieren. Wir berichteten mehrmals, dass auch Gustavo Petro als kolumbianischer Präsident sich dieser Debatte anschließt und öffentlich die Guerilla, vor allem die der FARC-EP, Zentraler Generalstab, als Kriminelle und Terroristen diffamiert, ohne jedoch grundlegende und strukturelle Probleme anzugehen. Stattdessen wird nicht nur medial, sondern auch in der Praxis die Kriegstrommel geschlagen.

Nun erklärte sich in einem Kommuniqué der FARC-EP, Zentraler Generalstab [kurz EMC] unter der Führung von Iván Mordisco, verbreitet über die sozialen Netzwerke, eine Gegendarstellung. Darin erklären sie, dass es nicht stimmt, dass sie mit Drogen handeln, sondern dass sie nur eine „Steuer“ für den Transit der Drogen verlangen. „Wir wollen der nationalen und internationalen Öffentlichkeit klar machen, dass die FARC-EP in wirtschaftlicher Hinsicht nur eine Steuer für die Zirkulation dieser Waren durch die Gebiete erhebt, die unter unserer politischen und militärischen Kontrolle stehen, sei es Kokapaste oder Kokain; das ist unsere einzige Beziehung und unsere einzige Rolle innerhalb dieser großen multinationalen Industrie“, heißt es darin.

Nach Ansicht der aufständischen Bewegung werden diese Steuern zu ihrem Lebensunterhalt verwendet. „Sie fordern uns auf, auf die Erhebung dieser Steuer zu verzichten, die wenig oder gar nichts zur Überwindung der strukturellen Ursachen beiträgt, die für die Existenz dieser Kulturen ausschlaggebend sind“, so die Guerilla. Die Gemeinden seien die Eigentümer der Kulturen und „diese Gemeinschaften, die Kokablätter, Marihuana oder Mohn anbauen, sind diejenigen, denen die Kulturen gehören, nicht der FARC-EP. Die Regierung sollte mit diesen Gemeinschaften und den Organisationen, die sie vertreten, über diese Wirtschaft verhandeln, die FARC-EP kann nicht mit etwas verhandeln, das uns nicht gehört“, sagte der Zentrale Generalstab.

Abschließend richteten sie eine Botschaft an den Präsident: „Herr Präsident Gustavo Petro, in Schweden [wo sich der Präsident befand] oder irgendwo auf der Welt zu sagen, dass wir Drogenhändler sind, um den Krieg zu rechtfertigen, bedeutet, dass wir uns weiterhin davon distanzieren, die tatsächlichen und strukturellen Ursachen des Konflikts in Kolumbien ernsthaft anzugehen. Machen sie nicht denselben Fehler wie frühere Regierungen, indem Sie die Bevölkerung und die internationale Gemeinschaft täuschen, um eine von den Gringos angeordnete Politik der Aufstandsbekämpfung voranzutreiben.“ Tatsächlich ist diese einfache Delegitimierung der Guerilla als Drogenterroristen alter Wein in neuen Schläuchen und lenkt nur vom eigenen Versagen ab. Und womit sollte sich schon eine „illegalisierte“ Bewegung finanzieren, wenn nicht mit „illegalen“ Methoden?

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