Ein kollektiver Austritt von über 100 Mitgliedern aus der Partei Comunes, darunter einige sehr bekannte ehemalige Guerilleros und Parteimitglieder mit Funktionen, sorgt für Aufsehen, wenn dieser Schritt auch nicht überraschend kommt. So haben unter anderem Victoria Sandino, Israel Zúñiga (alias Benkos Biohó), Milton de Jesús Toncel Redondo (alias Joaquín Gómez) und Benedicto González die Partei nun offiziell verlassen, weil sie sich nicht von ihr repräsentiert sehen und die Entscheidungen der Partei nicht mit der Kampfgeschichte der ehemaligen Guerilla FARC-EP übereinstimmen. Sie begründen den Austritt mit Argumenten, die sie vorher schon mehrmals öffentlich bekannt gegeben haben, nämlich der autoritäre Führungsstil und die Ausgrenzung sowie verleumderischen Anschuldigungen bei Kritik.
Doch der Schritt der zahlreichen Personen kommt nicht von ungefähr, denn seit Gründung der Partei Comunes, die vorher FARC hieß und aus dem Friedensprozess entstanden ist, gab es Probleme im Führungsstil und in der politischen Ausrichtung der Partei. Nach fast einem Jahr voller Meinungsverschiedenheiten, diverser Briefe und Anträge tritt nun also eine beträchtliche Anzahl ehemaliger Kämpfer der FARC-EP aus der Partido Comunes aus. In dem Brief vom heutigen Freitag, gerichtet an den politischen Rat und den nationalen Wahlrat der Partei, begründen die hochrangigen Politiker sowie 100 andere Mitglieder ihren Schritt. So ist die Führung der Partei, angeführt von Rodrigo Londoño, alias Timochenko, und ihr politisches Auftreten der Hauptgrund.
So sind sie laut ihrem Brief Zeugen, wie sich heute ein kleiner Kern der Führung dieser Partei konzentriert und die Räume für die Wiedereingliederung aller ehemaligen Kämpfer benutzt, das Aspekte wie Sicherheit, politische Partizipation und sozioökonomische Wiedereingliederung zu ihrem Gunsten politisiert werden und sie für sich selbst eine Jobbörse geschaffen haben, während Sicherheitsgarantien nicht erfüllt werden und die ehemaligen Kämpfer der FARC-EP keine Profiteure der geschaffenen Instrumente und Gelder sind. Wenn dies dann kritisiert wird, dann wird man ein Opfer von Ausgrenzung, verleumderischen Anschuldigungen und perverser Stigmatisierung, so die Unterzeichner des Briefes. Hinzu kommt die äußerst schwierige Sicherheitslage, wenn man bedenkt, dass bis heute 337 ehemalige Kämpfer getötet wurden.
Victoria Sandino und die übrigen Unterzeichner beteuern, dass es in der Partei Comunes keine Räume für demokratische Debatten gebe, sondern dass Autoritarismus und Ausgrenzung vorherrschen. Aus diesem Grund wurde die Kritik, die wir in bester Absicht zur Stärkung der inneren Demokratie geäußert haben, von der Macht des hegemonialen Kerns niedergeschlagen, geben sie zur Kenntnis. Doch auch nach ihrem Austritt wollen sich Victoria Sandino, Israel Zúñiga, Benedicto González und Joaquín Gómez sowie die anderen über 100 Unterzeichner dem Aufbau eines stabilen und dauerhaften Friedens widmen. Schon zuvor gab es einige Bestrebungen von ehemaligen Mitgliedern der FARC, einen alternativen Weg der Wiedereingliederung und politischen Betätigung zu suchen.
Dazu schreiben sie unter anderem: „Wir senden eine Botschaft der Brüderlichkeit und Kameradschaft an die Aktivisten an der Basis und laden sie ein, weiterhin die Umsetzung des Friedensabkommens und die Wiedereingliederung mit Garantien zu fordern. Wir laden diejenigen ein, die sich wie die Unterzeichner dieses Briefes von einer Partei enttäuscht fühlen, die die innere Demokratie und die Forderungen des neuen politischen Moments ignoriert, diesen Brief zu unterzeichnen und/oder uns darauf vorzubereiten, uns in einem neuen politischen Prozess zu treffen, der uns die Suche ermöglicht für die Träume von Manuel Marulanda und all jener, die ihr Leben für soziale Gerechtigkeit und das Neue Kolumbien gegeben haben.“ Victoria Sandino sprach bereits vor einem Jahr von einem neuen politischen Projekt namens „Avanzar“.
Die Partei Comunes wird damit weiter geschwächt und dürfte nun endgültig keine große Rolle mehr in der linken kolumbianischen Politik spielen. Zu tief sind die Gräben in der ehemaligen Guerilla und zu viele bekannte und vor allem politisch fähige Personen aus der Partei Comunes ausgetreten. Sollte sie ihre im Friedensprozess vereinbarten festgeschriebenen Sitze für zwei Legislaturperioden in der Politik endgültig verlieren, besteht faktisch keine Hoffnung auf Überleben der Partei. Auch in der Wiedereingliederung gab es besonders aus dem Süden initiierte alternative von der Partei Comunes losgelöste Projekte. Auch hier sah man sich nicht von der Partei vertreten und waren die Führungsmitglieder zu weit weg von der Basis.