Unterschiedlich könnten die Wahrnehmungen bezüglich der Regionalwahlen in Kolumbien kaum sein. Während innerhalb der FARC-Führungsriege das Ergebnis positiv angesehen wird, rumort es an der Basis. Und tatsächlich, erhofft hatten sich viele mehr von der ersten Teilnahme an den Regionalwahlen. Immerhin zeigen sie schließlich ein Bild davon, wie weit die Verankerung einer Partei und in diesem Fall der ehemaligen Guerilla, mit der Bevölkerung und der sozialen Basis ist. Und so muss das Resultat als durchwachsen angesehen werden.
Zwar konnten zum ersten Mal in der Geschichte der Partei ehemalige Guerillakämpfer der FARC ein Bürgermeisteramt bekommen. So erreichte „Julián Conrado“, bürgerlicher Name Guillermo Torres, in Turbaco in der Provinz Bolívar dieses Amt. Auch in Guapi, Provinz Cauca, gewann der soziale Aktivist Marino Grueso das Bürgermeisteramt sowie in Puerto Caicedo, Putumayo, gewann Edgardo Figueroa für ein breites linkes Bündnis. Doch dafür, dass die FARC 308 Kandidaten in 23 Provinzen und 85 Gemeinden hatte, sind die erreichten Stimmen und Posten gering. Unter den Kandidierenden gab es 101 Ex-Kämpfer und 207 Personen, die nicht der aufständischen Bewegung angehörten.
In Bogota nahm die FARC-Partei ebenfalls zum ersten Mal am Regionalwahlkampf teil. Hier erhielten sie 26.000 für die „Liste des Friedens“. In zwei populären Stadtvierteln konnte die FARC Posten mit Luceris Segura in der Ciudad Bolívar und Mauro Esguerra in Bosa erobern. In einem Kommuniqué der FARC aus Bogotá heißt es: „Die 26.000 Stimmen, die wir für unseren Rat mit unserer Liste des Friedens erhalten haben und die das Doppelte der Stimmen für das Repräsentantenhaus ausmachen, machen uns zweifellos zu einer Alternativen Revolutionären Kraft des Volkes in der Stadt Bogotá. Dazu kommen die Wahl eines Bürgermeisters in der Stadt Ciudad Bolívar und wichtige Stimmen an sieben weiteren Orten. Zweifellos sehen wichtige Sektoren der Bürger in unserer Partei eine Möglichkeit des Wandels und der sozialen Gerechtigkeit.“
Trotzdem bleibt die FARC nicht nur in Bogotá, einer in den letzten Jahren sehr alternativ und links wählenden Stadt, hinter ihren Erwartungen zurück. Auch die oben angemerkten gewonnenen Bürgermeisterposten konnten nur durch andere Unterstützungen erreicht werden: die von Colombia Humana, der UP (Unión Patriótica) und ASI (Alianza Social Independiente). Diese Bündnisse wurden auch geschmiedet, um Stigmatisierungen zu vermeiden. Denn noch immer gilt für viele die FARC-Partei als nicht wählbar, obwohl sie ein Beweis für die Errungenschaften der Umsetzung des Abkommens sind. Selbst in ihren Regionen, wo sie zu Zeiten des Krieges ihre politisch-militärische-soziale Basis hatte, konnten keine Erfolge errungen werden.
Weder in La Montañita, noch in La Uribe, noch in San Vicente del Caguán konnte trotz eigener Kandidaten ein Amt oder große Stimmengewinne erreicht werden. Also dort, wo die ehemalige Guerilla militärisch am stärksten war konnte sie keine eigenen Posten erreichen und nur mit wenigen Kandidaten in Ämter vordringen, die sie als FARC-Partei unterstützen, ihr aber nicht angehörten. Weder Federico Alviz Trujillo (unterstützt von Polo, Colombia Humana und Unión Patriótica) für das Bürgermeisteramt in La Montañita, der mit 2595 Stimmen gegen 2709 des konservativen Kandidaten verlor, weder in La Uribe in Meta, wo Inocencio Hurtado Palomino (unterstützt von Mais, Colombia Humana und Unión Patriótica) verlor, obwohl dort bei den Kongresswahlen mehr als 10 Prozent der Stimmen and die FARC gingen, konnte gewonnen werden.
Eine der Überraschungen bei diesen Wahlen war der Sieg von Guillermo Torres, besser bekannt als Julián Conrado, dem Gitarristen und Sänger der FARC. Er war eine sehr beliebte Persönlichkeit in der ehemaligen Guerilla und hatte zuletzt aber wenig mit der FARC-Partei zu tun. Auch hier gibt es Gerüchte über interne Streitigkeiten mit einem Teil der FARC-Führungsriege. In Turbaco, seinem Geburtsort, gewann er mit knapp 50% der Stimmen (17073 Stimmen gegen 11.052 des Zweitplatzierten). Julián Conrado trat im Alter von 29 Jahren in die Guerilla ein, nachdem die Friedensgespräche mit Belisario Betancur abgebrochen worden und es den Massenmord an der Unión Patriótica gab. Er war Teil der 19. Front unter dem Kommando von Simón Trinidad und kultureller Bestandteil der Friedensgespräche in San Vicente del Caguán.