Im August wird der Prozess der Wiedereingliederung der ehemaligen Kämpferinnen und Kämpfer der FARC zwei Jahre alt sein, genau zu dem Zeitpunkt, zu dem die Territorialen Ausbildungs- und Wiedereingliederungsräume (ETCR) zumindest in ihrer jetzigen Form an Rechtskraft verlieren werden. Abgesehen von den Fragen, die sich aus dieser Situation in Bezug auf die Zukunft der Ex-Kämpfer*innen ergeben, war dieser Prozess von Anfang an eine der Hauptherausforderungen bei der Umsetzung des zwischen der FARC und dem kolumbianischen Staat unterzeichneten endgültigen Abkommens im November 2016. Wir machen einen Blick auf eine Studie der Fundación Ideas para la Paz (FIP).
Der Erfolg wird in hohem Maße von den Fortschritten des Landes bei der Festigung des Friedens abhängen und davon, wie die Wiedereingliederung der ehemaligen Kämpfer*innen aussieht, welche Zukunftsperspektiven sie haben und wie viel Unterstützung sie bekommen bei ihrem Übergang zum zivilen Leben, der letztendlich nachhaltig gestaltet werden muss, damit das Risiko vermindert wird, dass sie sich erneut bewaffneten Organisationen anschließen. Unter diesem Aspekt kann neben der ökonomischen, sozialen und politischen Wiedereingliederung auch die Sicherheit betrachtet werden.
Nach dem Waffenstillstand der aufständischen Organisation wurden 13.190 Personen als ehemalige Kämpfer*innen akkreditiert. Aus dieser Zahl, so berichtet es die Agentur für Wiedereingliederung und Normalisierung (ARN) im April dieses Jahres, befinden sich derzeit noch 10.415 ehemalige Kämpfer*innen im Prozess der Wiedereingliederung. Obwohl das Land über umfangreiche Erfahrungen mit kollektiven und individuellen Demobilisierungsprozessen verfügt, hat der Prozess mit der FARC eine andere Herausforderung mit sich gebracht: Der in Havanna definierte Ansatz enthielt neue Elemente, wie vor allem die kollektive Perspektive der FARC, die versucht, den Zusammenhalt der Gruppe zu wahren und ein politisches Projekt zu unterstützen. So etwas gab es vorher noch nicht.
Im Gegensatz zu dem strengen und detaillierten Chronogramm für die ersten 180 Tage der Umsetzung des Friedensabkommens, also der Feuereinstellung, die Gruppierung der FARC-Einheiten und die Niederlegung der Waffen, war aufgrund des Drucks, schnell zu einem Ergebnis kommen zu müssen, von der Wiedereingliederung nur wenig konkretes zu lesen. Während dem Waffenstillstand und der Übergabe der Waffen 65 Seiten gewidmet wurden, hatte die wirtschaftliche Wiedereingliederung nur sechs Seiten. Der Wiedereingliederungsprozess der FARC wurde durch zwei Visionen aufgebaut. Eine davon ist das Modell des individuellen Weges, mit dem das Land eine wichtige und institutionelle Erfahrung hat, das andere Modell ist das der Kollektivität, die weitgehend von den ehemaligen Kommandierenden der FARC propagiert und verteidigt wird.
Von der Anfangsphase des Waffenstillstands bis zur Schaffung der Transitorischen Normalisierungszonen (ZVTN) und der heutigen ETCR kam es zu Verzögerungen, und die erforderliche Infrastruktur war nicht verfügbar. Darüber hinaus könnten neuralgische Themen wie das Fehlen einer differenzierten Strategie für die mittleren Ränge der ehemaligen Kommandoebene und der Milizen das Risiko von Rückfällen bei ehemaligen Kämpfer*innen erhöhen. Die Wiedereingliederung ist bis heute nicht frei von Fehlern, auch die Umsetzung des Abkommens gestaltet sich als schwierig. Im Fokus der Umsetzungen stehen vor allem die wirtschaftliche Wiedereingliederung und die Sicherheit der ehemaligen Kämpfer*innen.
Ein Ziel fast aller Kämpfer*innen war die Schaffung und Teilhabe an sogenannten produktiven Projekten. 96% gaben zum Beginn der Wiedereingliederung an, daran mitwirken zu wollen. Klar, nur durch eine gesicherte ökonomische Zukunft kann eine Wiedereingliederung in das zivile Leben erfolgreich sein. Die Konsolidierung der produktiven Projekte erfordert neben der Anfangsunterstützung eine langfristige Begleitung zur Stabilisierung und eine gute technische Ausbildung. Die Herausforderung ist größer, wenn es um die Entwicklung produktiver Projekte in ländlichen Gebieten geht, wo es Lücken in der Infrastruktur, wenig Modernisierung und kaum Zugang zu Dienstleistungen und zu den Märkten gibt. Gerade hier ist der Staat in der Pflicht.
Um eine Vorstellung zu bekommen, wie schwierig dieser Prozess ist, gibt es Zahlen der ARN, wonach von den 16.219 Geschäftseinheiten von ehemaligen Kämpfer*innen der AUC (Paramilitärs) und individuellen demobilisierten Guerillakämpfer*innen nur 7150 in Betrieb sind (44%). Zudem sind diese meist in den Städten. 70% der ehemaligen Kämpfer*innen der AUC und einzelnen demobilisierten Guerillakämpfer*innen arbeiten zwar, doch nur 25% in Formalität, also rechtlich anerkannt. Diese Zahlen verdeutlichen alleine schon den großen Aufwand für individuelle Wiedereingliederungsprozesse im Rahmen der Einkommensgenerierung.
Die Studie der FIP erkennt an, dass erhebliche Fortschritte erzielt wurden, insbesondere in Bezug auf die Erbringung der in der endgültigen Vereinbarung vereinbarten wirtschaftlichen Vorteile. Es bestehen jedoch noch erhebliche Herausforderungen: Bisher wurden 24 kollektive produktive Projekte und etwa 160 Einzelprojekte genehmigt, und 1.242 ehemalige Kämpfer*innen (9,4%) konnten auf ein Projekt zugreifen. Laut ARN arbeiteten bis April dieses Jahres 701 ehemalige Kämpfer*innen in der Nationalen Schutzeinheit (UNP) und 29 weitere in derselben ARN, der Wiedereingliederungsbehörde.
Alles hängt auch weiter davon ab, wie die Zukunft der ETCR aussieht, ob es weiterhin einen Mindestlohn für die ehemaligen Kämpfer*innen gibt, der gerade unter dem Gesichtspunkt der aufgezeigten Zahlen wichtig ist, da nur die wenigsten in produktiven und ökonomisch sicheren Projekten eingebunden sind. Hinzu kommt eine weitere Unterstützung durch Lebensmittel und andere Infrastruktur. Es braucht also den politischen Willen und institutionelle Anstrengung für die Möglichkeiten zur Einkommensgenerierung (insbesondere der produktiven Projekte) und die Unterstützung aus dem Unternehmenssektor auf nationaler und regionaler Ebene. Nur durch die Einbindung in die wirtschaftlichen Strukturen und Märkte haben die Projekte Erfolg.
Durch die zwei Visionen des Wiedereingliederungsprozess gab es aber auch viele Möglichkeiten der Teilung und Zerstreuung. Dies ist konträr dem Gedanken der Kollektivität. Während die ETCR die wichtigsten Bereiche für Entwicklungsinitiativen und gemeinsame Projekte sind, sind die meisten ehemaligen Kämpfer*innen jedoch nicht mehr hier ansässig. Laut der Wiedereingliederungsbehörde ARN sind es nur noch ein Viertel mit 26%. Doch weiterhin haben viele außerhalb lebende ehemalige Kämpfer*innen Kontakte dorthin und sie gelten als wichtige Treffpunkte. Auch neue Siedlungspunkte sind weiter im Wachsen, in denen sich aktuell zwischen 1.500 und 1.800 ehemalige Kämpfer*innen aufhalten.
Diese neuen Punkte der Wiedereingliederung entstanden oftmals aus dem Interesse heraus, einen besseren Ort für zukünftige Projekte und die Wiedereingliederung zu haben. Auch wurden diese teilweise wegen der Nähe zu Familien ausgesucht. Der Weggang ehemaliger Kämpfer*innen aus den ETCR hat keine einzige Erklärung. Hinter dieser Dynamik stehen neben den individuellen Interessen auch die Verzögerungen und die Unsicherheit, die den Wiedereingliederungsprozess begleitet haben. Das verringerte institutionelle Angebot, die knappe Infrastruktur in den ETCR, die Verzögerungen bei den produktiven Projekten und die Unklarheit über die Kontinuität dieser Räume haben die Entscheidung der Ex-Kämpfer*innen mit beeinflusst.
Tatsache ist, dass die Mehrheit der Demobilisierten sich in der Wiedereingliederung befindet und dass von nur 9% der ehemaligen FARC-Kämpfer*innen ihr Aufenthaltsort unbekannt ist, was nicht bedeutet, dass sie illegal sind oder mit irgendeiner Gruppe verbunden sind. Trotz aller Schwierigkeiten ist dies ein wichtiger Aspekt, den man anerkennen muss, vor allem in Bezug auf die mangelnde Umsetzung und die dramatischen Sicherheitsbedingungen in den Gebieten. Dies sind auch die wichtigen Punkte, die unbedingt einer Klärung und Aufarbeitung brauchen. Mehr als 135 getötete FARC-Kämpfer*innen nach Friedensschluss ist eine hohe Zahl, die eben auch dafür sorgt, dass sich Personen wieder den bewaffneten Organisationen anschließen. Hinzu kommt die generell schlechte Sicherheitslage in den Gebieten, wo auch soziale Aktivisten bedroht und ermordet werden.
In einer weiteren Studie der FIP wird bekannt, dass die Kämpfe aufgrund der Sicherheitslage zunehmen. Im Fokus steht vor allem die Guerilla ELN und die dissidentischen Gruppen der FARC, die vor allem von der Armee und Polizei bekämpft werden. Auch Kämpfe zwischen beiden genannten Akteuren mit paramilitärischen Gruppen sind auf einem hohen Niveau. So gab es im ersten Semester des aktuellen Jahres die meisten bewaffneten Konfrontationen seit vier Jahren. Auch wenn der Plan der Zusammenführung von verschiedenen ehemaligen Strukturen der FARC durch die sogenannten Dissidenten nur langsam voranzugehen scheint, so ist aufgrund der aktuellen Lage (mangelnde Sicherheit und schleppende Umsetzung) von einem weiteren Wachsen der sich selbsternannten neuen alten FARC auszugehen.