In Kolumbien kam es am gestrigen Montag zu großen Demonstrationen und Kundgebungen in vielen Städten und Dörfern. Die großen Mobilisierungen fanden im Kontext zur Verteidigung des Friedens, des vereinbarten Abkommens und der Sondergerichtsbarkeit für den Frieden (JEP) statt.
Angesichts der Besorgnis, die die Einwände von Präsident Duque gegen das Gesetz der Sondergerichtsbarkeit für den Frieden (JEP) hervorgerufen haben, gingen am gestrigen Montag Tausende Menschen der politischen Opposition, der sozialen und populären Bewegungen und natürlich der FARC auf die Straßen des Landes, um den Frieden zu verteidigen. Ihre Hoffnung besteht darin, durch diese großen Mobilisierungen einen positiven Einfluss auf die angekündigten negativen Veränderungen der Gesetzgebung und generell der mangelnden Umsetzungen des Friedensabkommens zu nehmen. In Bogotá fanden sich Tausende am Abend auf dem zentralen Plaza Simón Bolívar ein und sorgten mit Kerzen und Lichtern für ein kraftvolles Ambiente.
Weitere große Demonstrationen gab es unter anderem in den Städten von Medellín, Cali, Cartagena, Barranquilla, Bucaramanga, Santa Marta, Popayán, Cúcuta, Pereira und Ibague. „Verteidigen wir den Frieden“ stand auf einem riesigen Transparent, dass während der Demonstration von ehemaligen Ministern der Regierung von Juan Manuel Santos, Kongressabgeordnete der alternativen Bank und Führern der Bewegung Colombia Humana (Menschliches Kolumbien), des Demokratischen Pol, der Grünen Allianz, der Patriotischen Union und der Alternativen Revolutionären Kraft des Volkes (FARC) gehalten wurde. Auch die Nationale Indigene Organisation Kolumbiens und die wichtigsten Gruppierungen der Studenten, der Lehrer und der Gewerkschaften waren bei der Mobilisierung mit dabei.
Die Mobilisierung drückt die Besorgnis aber auch die Unzufriedenheit mit der aktuellen Regierung aus, die den Frieden derzeit mit den Füßen tritt. Mittlerweile verschärft sich die Stimmung, denn mit der fehlenden Umsetzung, vor allem der Reformen im Agrar- und Politikbereich sowie der fehlenden freiwilligen Substitution der illegalen Pflanzen, der mangelnden Rechtssicherheit durch die Beschneidungen der JEP und einer destruktiven Wiedereingliederung der FARC, rumort es auch innerhalb der ehemaligen Guerilla. Zuletzt vertagte Iván Márquez seine Entscheidung, vor der JEP auszusagen und begründet dies mit Sicherheitsproblemen. Auch alias „El Paisa“ (ehemaliger Kommandant der mobilen Kolonne Teofilo Forero) kam nicht zu seinem Termin vor der JEP, um dort auszusagen. Beide ehemaligen Kommandierenden, sowie weitere der mittleren Ebene, halten sich mit unbekanntem Aufenthaltsort versteckt. Es besteht die berechtigte Angst, dass sich immer mehr Personen den dissidentischen Gruppen der FARC anschließen.
Währenddessen weitet sich der Generalstreik im Südwesten des Landes, aber auch die staatliche Repression aus. Unter dem Begriff der „Minga“ mobilisieren seit einer Woche vor allem die indigenen Gruppen im Cauca zu vielfältigen Demonstrationen und Aktionen, um die Einhaltung des Friedensabkommens, aber auch um Respekt gegen die indigenen Minderheiten mitsamt ihrer politischen Rechte zu fordern. So wurde die zentrale Verbindungsstraße „Panamericana“ blockiert, eine Tradition des indigenen Protestes gegen die kolumbianische Regierung. Die Regierung setzte die Aufstandsbekämpfungseinheit der Polizei ein, es kam zu zahlriechen Verletzten. Als eine Forderung des Protestes wir ein Treffen von Präsident Duque mit dem Regionalen Indigenen Rat Cauca (Cric), die höchste Instanz der indigenen Gemeinschaften in der Region, gefordert.
Die Anwesenheit des FARC-Senators Pablo Catatumbo im Dialog mit den Indigenen im Südwesten des Landes, inmitten der Blockade der Panamericana, sorgte unterdessen für Unruhe in der kolumbianischen Politik. Dies sei nicht mit der Regierung abgesprochen gewesen. Hier zeigt sich einmal wieder, wie kleinkariert die Regierung auftritt und wie unterschiedlich sie ihre Maßstäbe ansetzt. Für die FARC ist es völlig normal, in der für sie stark verankerten Region, den Protest zu unterstützen, den sie schon während des Krieges unterstütze. Immerhin bestanden die ehemalige 6. Front und die mobile Kolonne Jacobo Arenas zum Großteil aus Indigenen. Die Regierung nutzt nun die Bilder, um Angst und Desinformation zu schüren. Durch die Blockade der Panamericana kommt es landesweit zu Engpässen in Transport und Versorgung, was für die Regierung ein gefundenes Fressen für Propaganda gegen Indigene, Opposition und FARC ist.
Dazu passt derzeit auch wieder einmal das Schüren von falschen Informationen und negativer Propaganda gegenüber der FARC in Bezug auf sexuelle Gewalt. Immer wenn der Regierung der Verlust der Deutungshoheit droht, so wie im aktuellen Fall bei den Skandalen um die Einhaltung des Friedensabkommens, der JEP und der Korruption, versucht sie medial gegenzusteuern. Die Regierung will den Friedensprozess durch gezielte Falschinformationen in ihre Richtung lenken und disqualifizieren. Wie immer bietet sich die sehr polarisierende FARC als Bauernopfer an. Nun musste der Parteivorsitzende Rodrigo Londoño erklären, dass es zwar, wie überall in der Gesellschaft, Fälle von sexueller Gewalt in der FARC gab, die Sanktionen aufgrund der Statuten aber rigoros waren. So gab es keine systematische Politik der sexualisierten Gewalt und vorhandene Fälle wurden teilweise mit Todesurteilen durch Erschießen bestraft.