Camilo – Tod eines Revolutionärs

Der Tod von Camilo Torres Restrepo stellte im Jahr 1966 einen schweren Schlag für die revolutionäre Bewegung dar. Doch bis heute ist sein Leben und Wirken unvergessen, nicht nur in der klassischen castristischen Guerilla ELN, sondern auch in der gesamten revolutionären Bewegung Kolumbiens. 

Hommage
47 Jahre nach seinem Tod bei einem Kampf in Patio Cement, Provinz Santander, erinnern wir an einen unserer Vorbilder und unermüdlichen Kämpfer für die revolutionäre Sache und für die Unterdrückten Lateinamerikas. Camilo stellt nicht nur für die Kolumbianer eine Figur dar, der für die Gerechtigkeit kämpfte, sondern seine Person wurde über die Grenzen hinweg bekannt, bei Christen und Nichtchristen, bei Afrikanern und Europäern, bei den Armen und Reichen.
Als Konsequenz seiner Prinzipien, die er als revolutionärer Christ erlangt und gesehen hatte, waren die christliche Nächstenliebe, Solidarität und Mitgefühl nicht nur leere Worthülsen. Den Katholizismus, den er während seines Priestertums und seiner intellektuellen Laufbahn verinnerlichte, wandte er an die Bedürfnisse des Volkes an. Er kritisierte die Hierarchien der Kirche und die damalige gängige Praxis der Ausbeutung der einfachen Leute. Er sah die soziale Realität in den Ländern und wollte diese zum Wohle der Mehrheit verändern.
Als Konsequenz dessen, versuchte er die marxistische Theorie mit den besten Prinzipien des Christentums miteinander zu vereinen. Er entschied sich, mit der Waffe für das Ende von Ausbeutung und Unterdrückung zu kämpfen, denn er sah in dem Staatsterrorismus, den Eingriff der USA in die kolumbianische Politik und der immer größer werdenden Kluft zwischen den Armen und den in Reichtum lebenden Menschen keine andere Möglichkeit. Zuvor waren politische Projekte wie die der Einheitsfront der Linken in Kolumbien aufgrund von brutaler Repression gescheitert.
Sein Beispiel des Kampfes, seine Verpflichtung den Menschen gegenüber, die Verbindung seiner Worte mit seinen Taten, seine Bemühungen zur Schaffung einer gemeinsamen Front der Jugend und Studenten und sein Antlitz eines revolutionären Guerilleros sind Vorbild für alle, die für ein neues bolivarisches Kolumbien und für eine bessere Welt kämpfen. Wir verstehen uns als Erben dieser Grundsätze und appellieren an die Organisationen und Zellen, die sich in den Dörfern, den Städten, den Stadtteilen, den Straßen, den Schulen und den Universitäten vereinen und für ein humanistisches und gerechtes Kolumbien kämpfen.

Sein Leben
Camilo Torres Restrepo wurde am 3. Februar 1929 in Bogotá geboren und stammte aus einer der vornehmsten Familien Kolumbiens. Camilos Vater war Arzt, Professor für Medizin an der Nationaluniversität und einige Zeit ihr Rektor. Zudem war der Vater im diplomatischen Dienst tätig, so zum Beispiel in den 1930er Jahren als Konsul in Berlin. Die Mutter kommt ebenso aus einer angesehenen Familie wie der Vater.
Camilo lebte als Kind einige Jahre in Europa, zurück in Bogotá besuchte er das Colegio Aleman in Bogotá und absolvierte sein Abitur an einer Privatschule. An der Nationaluniversität begann er das Studium der Rechtswissenschaften, brach es jedoch nach einem Semester wieder ab. Stattdessen trat er dem Priesterseminar bei, studierte Theologie und wurde im Jahr 1954 zum Priester geweiht. Er blieb nicht lange in Bogotá, sondern wurde zur Vervollständigung seiner Studien nach Europa geschickt.
An der Katholischen Universität in Löwen (Belgien) studierte er Soziologie und Politikwissenschaft. Seine zahlreichen Reisen und Arbeitsaufenthalte machten ihn mit dem gesellschaftlichen Leben in den europäischen Ländern bekannt. Unter anderem arbeitete er als Seelsorger in Berlin. 1959 kehrte Camilo nach Kolumbien zurück. Erneute an der Nationaluniversität angekommen, wurde er deren Universitätspfarrer und gründete mit anderen Sozialwissenschaftlern, erwähnt sei hier Orlando Fals Borda, die Fakultät für Soziologie, wo er vier Jahre lang Professor war.
In jener Zeit wandte er sich mehr und mehr der Politik zu. Er war Teil des Instituts für gesellschaftliche Agrarreform und versuchte mit der Gründung einer Zeitung und einer Partei, die unterprivilegierte Bevölkerungsmehrheit zu mobilisieren. Die politische Betätigung führte zum Bruch mit der Institution Kirche und er verlor alle seine Ämter. Mit der Partei Frente Unido fand er in der Bevölkerung, besonders in den immer schneller wachsenden Elendsquartieren der großen Städte, großen Anklang. Doch mit der Popularität der Frente Unido wuchs auch die Repression des Staates, die alle Veranstaltungen und ihre Zeitung verbot. Ihn blieb keine andere Möglichkeit, als sich der Guerilla anzuschließen und mit der Waffe für seine Ziele zu kämpfen. Bei einem Gefecht mit der Armee wird er heute vor 47 Jahren getötet.
Camilo verband seine christliche Soziallehre mit der Analyse der sozialen Wirklichkeit in den Ländern des Trikont. Er kam zu dem Entschluss, dass der Kampf um soziale Emanzipation die Befreiung der strukturellen Abhängigkeit sein muss. Der bestehende Zustand eines Systems kann nur durch eine sozialistische Revolution erreicht werden. Er gilt somit als klassischer Befreiungstheologe, der sich in den letzten Jahren seines Lebens jedoch von einer aufklärerischen und reformistischen Art hin zu einer Person entwickelte, die den politischen und sogar bewaffneten Kampf befürwortete, nachdem er die politischen Spielregeln und dessen Fragwürdigkeit durchschaute.

Strategische Aspekte
Doch wir wollen Camilo nicht nur hochloben lassen, sondern auch nur kurz strategische Aspekte seines Wirkens für die Revolution betrachten. Als die Nachricht vom Tod Camilos die Kolumbianer erreichte, machte sich Trauer und Enttäuschung breit. Nicht nur die Anhänger der Guerilla ELN und die Sympathisanten der ehemaligen Frente Unido, auch die Menschen der unteren Bevölkerungsschichten verfielen in eine lähmende Frustration. Die verfestigten Strukturen der Oligarchie konnten nicht einfach besiegt werden, zu groß schien die Macht der Oligarchie und bestehenden Herrschaftsklasse in Kolumbien. Der Tod von Camilo war sinnbildlich das Scheitern des Versuchs, Bevölkerungsschichten für den politischen Kampf zu mobilisieren. Das Charisma seiner Person war für viele Menschen das Symbol eines sich abzeichnenden Erfolges eines politischen Umsturzes. Doch weder mit der Frente Unido, noch mit der Guerilla konnte dieses Ziel erreicht werden. Zu fest war das starre und korrupte System in Kolumbien.
Auch wenn sich die politische Bewegung und alle Guerillagruppen erst nach einiger Zeit sowohl politisch als auch militärisch erholen konnten, so war mit Camilo Torres eine Person entstanden, die Signalwirkungen für den gesamten Kontinent hatte. Camilo als Priester und Christ, Camilo als Revolutionär und politischer Kämpfer, hatte enorme Auswirkungen auf die Bewusstseinsbildung für Christen und die armen Menschen. Camilo verstand, dass die herrschende Klasse ihre Macht nicht abgeben wollte und die mittlere Klasse nur daran interessiert war, mehr an der Macht teilhaben zu wollen, nicht aber um strukturelle Veränderungen herbei zu führen. Es ging hier quasi um die Bewahrung des Status quo, während Camilo erkannte, dass die Beseitigung von Armut, Unterdrückung und die Unwissenheit der Bevölkerungsmehrheit nur mit den betroffenen Schichten zu ermöglichen sei.
Dieser Versuch drückte sich in der Gründung der Einheitsfront Frente Unido aus. Das Bewusstsein der Massen sollte geweckt und vereint werden. Zuerst sollte der Kampf auf demokratische Weise erfolgen, nach dem Erkennen der Ausweglosigkeit radikalisierten sich jedoch seine Ansichten. Die vereinzelten Guerilla-Aktionen führten aber selten zu dem gewünschten Ergebnis, um die Massen zu mobilisieren. Letztendlich dauerte der Kampf von Camilo in der Guerilla nur vier Monate. Seine strategischen Konzepte wurden zwar in den kommenden Jahren mehr und mehr von den christlichen Inhalten bereinigt, doch mit Camilo entstand einer der großen revolutionäre des Jahrhunderts. Viel mehr als seine theoretischen Leistungen blieben die Merkmale seines Charakters in den Köpfen der Bevölkerung haften, die Konsequenz seines Handelns und die Erkenntnis, dass auf demokratischem Weg ein struktureller Wandel nicht vollzogen werden kann.

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