Timoleón Jiménez (Timochenko) ist der Oberbefehlshaber des Zentralen Generalstabs der FARC-EP und aktueller Kopf der aufständischen Bewegung. Im Oktober beginnen zwischen Regierung und der FARC-EP, der ältesten aktiven Guerilla der Welt, Gesprächen in Oslo und später in Havanna, in der ein neuer Frieden und demokratische Veränderungen verhandelt werden sollen. Mit der linken Zeitung „VOZ“ und ihrem Direktor Carlos Lozano gab es nun ein Interview mit Timoleón Jiménez. Dies soll hier auf kurz dargestellt werden.
Das Interview geschah in einem historischen Moment, kurz vor dem Beginn des Dialogs mit der Regierung. Der Chef der FARC-EP gibt zu verschiedenen Bereichen klare Antworten, die nicht durch einen falschen Optimismus geprägt sind. Der Frieden in Kolumbien ist näher als je zuvor, aber es ist noch ein langer Weg zur Vollendung. Das ganze Land hofft, dass es nicht wieder ein neues Scheitern wie vor zehn Jahren gibt.
Auf die Frage, wie sich die FARC-EP in der Rolle sehen, einen Dialog mit einer Regierung zu führen, die auf die Politik der „demokratischen Sicherheit“ des Vorgängers und Hardliners Uribe gesetzt hat (Repression und militärische Operationen), antwortet er, dass mit Uribe ein Dialog nicht möglich war. Santos hat sicherlich die Politik von Uribe fortgeführt, aber er entschied auch, die Risiken von Gesprächen auf sich zu nehmen und dies wird als positiver Schritt gewertet. Der Präsident Santos wiederholte mehrmals, nicht die Fehler der Vergangenheit machen zu wollen und die FARC-EP hofft dies ebenso. Wichtig sei es, die Ursachen für den bewaffneten Konflikt zu lösen, denn in früheren Gesprächen wurden diese Themen nicht ernst genommen.
Mit Friedensgesprächen geht auch immer die Frage nach der Niederlegung der Waffen einher. Die Erwartungen der FARC-EP, so Timoléon Jiménez, sind in dieser Hinsicht groß. Es macht ja keinen Sinn, einen Prozess um die endgültige Beendigung des Konflikts zu beginnen, ohne die Betrachtung eines Verzichts auf Waffen als Ziel auf der Agenda zu haben. Dies würde aber den Verzicht von aller Gewalt von allen Seiten beinhalten, die wegen politischer, sozialer oder wirtschaftlicher Zwecke geführt wird. Wenn dies erreicht werden würde, dann könnte Kolumbien einen großen Schritt nach vorne machen.
Die Regierung Santos sagt, sie will die alten Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen. Zum einen wird eine Lösung zur Beendigung des Konflikts angestrebt, zum anderen aber der militärische Druck auf die Aufständischen aufrecht erhalten. Was denkt die FARC-EP darüber?
Seit mehr als 50 Jahren beschwören die kolumbianische Oligarchie und ihre unterschiedlichen Regierungen die Vernichtung der Guerilla. 12 Präsidenten waren seit dem im Amt. Mit der militärischen Lösung des Konflikts bedient Santos die Erwartungen der extremen Rechte und der starken Militärs. Bisher ging man immer davon aus, dass das Militär für die Lösung ein geeignetes Mittel sei. Aber genau dieser Teufelskreis muss durchbrochen werden, denn die Mehrheit der Kolumbianer teilt nicht die Idee einer militärischen Lösung, sondern sie wollen die Vernunft. Auch die FARC-EP befürwortet diesen Weg der Mehrheit, weil eine politische Lösung immer die Möglichkeit zum reden, bewegen, beeinflussen und zum entscheiden beinhaltet. Und dazu sind alle eingeladen.
In verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen, die den Dialog zwischen Guerilla und Regierung befürworten, wurde der Ruf nach einer Waffenruhe laut, um die andauernden Kämpfe zu beenden. Daraufhin bemerkt Timoleón Jiménez, dass dies auch im Interesse der FARC-EP wäre. Unglücklicherweise kippte die Regierung die Entscheidung und mit der Äußerung von Santos, die militärischen Operationen weiter auszubauen, findet der Dialog inmitten der Konfrontation statt. In Kolumbien berichten die Medien als Auftraggeber der herrschenden Klasse sehr propagandistisch und nur aus einer Sichtweise. Werden bei einem Bombenangriff des Militärs 30 Guerilleros getötet, so wird dies mit Applaus bedacht. Werden Soldaten bei Gefechten getötet, wird dies als Mord bezeichnet. Solche Manipulationen in den Medien führen nicht zu einer Entspannung bei den Friedensverhandlungen.
Nach einer kurzen Ausführung mit der Geschichte Kolumbiens, den unzähligen Opfern, der Rolle der sozialen und politischen Bewegungen und die Ignoranz für die Opfer, die Toten und Vermissten sowie Straffreiheit für die Täter, erklärt Timoleón Jiménez die politische Frage der FARC-EP. Die Beendigung des bewaffneten Konflikts sieht er als große Aufgabe an. Der Krieg oder der Frieden sind Themen, die alle Kolumbianer betreffen und so ist die FARC-EP dazu verpflichtet darüber zu reden. Die Gespräche werden ausschließlich zwischen den Sprechern der beiden Parteien abgewickelt. Und die FARC-EP wird die Gespräche nutzen, um der Regierung die eigenen Pläne für das Land vorstellen zu können. Der kolumbianischen Bevölkerung ist häufig nicht bekannt, wer hinter den transnationalen Konzernen, Banken, Firmen und Großgrundbesitzer steht. So etwas darf nicht wieder in Kolumbien passieren. Die Guerilla schlägt vor, dass die großen Mehrheiten des Landes zu den politisch-wirtschaftlichen Prozessen angehört und teilhaben können.
Die nächste Frage beschäftigt sich mit dem Zeitraum der Verhandlungen und ob Schwäche, Strategie oder Realismus dazu geführt haben. Timoleón Jiménez verweist darauf, dass der kolumbianische Staat den Friedensprozess in Caguán einseitig beendet hatte und dass nun nach einem Jahrzehnt des Krieges erneut der Staat, der zu den Gesprächen zurückfindet. Die FARC-EP wurde nicht gezwungen, am Verhandlungstisch zu sitzen. Aber die politische Lösung stand schon immer auf der Agenda der aufständischen Bewegung. Nicht zu leugnen ist jedoch der Aspekt der schweren Schläge gegen die Guerilla. Der Tod von vier Mitgliedern des Sekretariats, aber auch der Tod der Kämpfer durch Bombardierungen sind äußerst schmerzhaft. Trotzdem begegnete man diesen Verluste mit Mut. 48 Jahre Kampf gegen die kolumbianische Oligarchie sind nicht einfach von der Hand zu weisen und in jedem Krieg gibt es Opfer. Die Medien stellen die FARC-EP als besiegt dar und eine Organisation ohne Zukunft. Das sind jedoch Unwahrheiten und die Guerilla ist noch lange nicht besiegt.
Dass die FARC-EP noch lange nicht besiegt sind, zeigt vor allem die Erhöhung von Geldern und Personal in den staatlichen Sicherheitskräften und die Ausweitung der Offensiven. Die Präsenz beschränkt sich nicht nur auf die vom Verteidigungsminister genannten zehn isolierten Gemeinden im Land. Die Guerilla ist in jenen Teilen präsent, in denen auch die staatlichen Sicherheitskräfte sind. Natürlich gab es auch Schläge gegen die Guerilla, die von den Medien propagandistisch aufgewertet wurden. Doch heutzutage wird der Krieg mit ungleichen Mitteln geführt. So sind die Bedingungen gerade in Bezug auf die Luftstreitkräfte völlig andere als noch vor einem Jahrzehnt. Eine Verlängerung des Krieges bedeutet mehr Tote, mehr Zerstörung, mehr Armut für die einen und mehr Reichtum und Gewinn für die anderen. Was hätte in den vergangenen zehn Jahren an Leben gerettet werden können? Deshalb macht nur der politische Weg Sinn, so der Oberbefehlshaber der FARC-EP. Aus diesem Zweck fahren wir nach Havanna.