(Frei-)Handelsabkommen für Kolumbien?

Das Freihandelsabkommen (Tratado de Libre Comercio / TLC) zwischen Kolumbien und den USA wurde im November 2006 auf den Weg gebracht, im Oktober 2011 vom Kongress in den USA ratifiziert und ist nun seit dem 15. Mai offiziell in Kraft getreten. Der Öffentlichkeit wurde das Freihandelsabkommen als ein Vertrag mit vielen Vorteilen für Kolumbien verkauft, die Kritiken, die es von oppositionellen Gruppen und Bewegungen gab, wurden ignoriert.

Dabei ist es offensichtlich, dass für die Mehrheit der Kolumbianer nachteilige Entwicklungen geschehen werden und nur die wirtschaftlichen Interessen der transnationalen Konzerne, der US-amerikanischen Wirtschaft und die der kolumbianischen Oligarchie davon profitieren werden. Die einzige vernünftige Erklärung, warum Kolumbien dieses Abkommen mit den USA eingeht, sind die Interessen einer kleinen Gruppe von Kapitalisten, die mit dem Kapital spekulieren wollen und um den politischen und militärischen Beistand der USA mittels dieses Abkommens zu bezahlen. Es ist die erklärte Strategie der USA und anderer Länder, Hilfe anzubieten, um dann Einfluss auf Politik und Wirtschaft ausüben zu können. Hiermit werden nicht nur neue Abhängigkeiten geschaffen, sondern die Freihandelsverträge dienen den geopolitischen Interessen in einer bestimmten Region. Von einer Unterstützung der einheimischen Wirtschaft und einer nachhaltigen Entwicklung kann gar keine Rede sein.

Vom wirtschaftlichen Standpunkt aus gesehen hat das Freihandelsabkommen eine schädigende Wirkung auf die unabhängige und souveräne Entwicklung der Wirtschaft Kolumbiens. Der Prozess der De-Industrialisierung und Beschneidung der Landwirtschaft setzt sich unter den neoliberalen Maßstäben weiter fort. Die kleinen und mittleren Industriebetriebe, die bisher nicht modernisiert wurden, werden am Ende ruiniert und stattdessen die großen transnationalen Unternehmen gefördert werden. Auch in der Landwirtschaft werden es die kleinen Betriebe gegen die großen agro-industriellen Betriebe sehr schwer haben. Die Mega-Projekte in der Landwirtschaft, hier sei zum Beispiel der Anbau von Biotreibstoffen und der Anbau von Pflanzen zur Gewinnung synthetischer Stoffe erwähnt, wird weiter forciert werden, was zu Nahrungsmittelengpässen in Kolumbien führen könnte.

In den letzten Jahren hat die Einfuhr von Produkten in Kolumbien zugenommen, die vorher für den inländischen Gebrauch vollkommen ausgereicht haben. Teilweise konnten sogar landwirtschaftliche Produkte exportiert werden. Hierzu zählten insbesondere Weizen, Reis, Mais, Fisch, Fleisch und Kaffee. Nun ist es so, dass teilweise landwirtschaftliche Produkte importiert werden müssen, die vor Jahren noch aus dem eigenen Anbau gewonnen wurden. Diese Produkte werden durch die Subventionen (wie zum Beispiel in den USA) preiswerter eingekauft als angebaut. Zudem hat die kolumbianische Volkswirtschaft und Landwirtschaft kaum günstigere Bedingungen und Kapazitäten im Vergleich zur US-amerikanischen, die durch Technik, Subventionen und moderner Infrastruktur wettbewerbsfähiger auf dem internationalen Markt ist.

Die kolumbianische Wirtschaftsstruktur hingegen ist nur schwach ausgeprägt. Die Modernisierung der Betriebe und Unternehmen geht nur langsam voran und wird wohl im Zuge des Konkurrenzkampfes zwischen den transnationalen Konzernen und jenen der kolumbianischen Mittelschicht nicht sonderlich gefördert werden. Die Zölle für bestimmte Waren, die dem Schutz der heimischen Wirtschaft dienten, werden sukzessive abgebaut, während jene für US-Produkte erhalten bleiben. Der Ausbau der Infrastruktur wie Straßen und Häfen kommt vor allen den international tätigen Firmen zugute, die die Märkte besser erschließen oder Bodenschätze leichter ausbeuten können.

Die Internationale Handelskammer der USA beschwört das Freihandelsabkommen damit, dass neue Arbeitsplätze in Kolumbien geschaffen werden. Präsident Santos sagt sogar, dass 500.000 neue Arbeitsplätze entstehen werden. Wie bitte sollen so viele neue Arbeitsplätze entstehen, wenn die kleinen und mittleren Betriebe keine Nutznießer des Freihandelsvertrages sind, sie aber für 63% der Arbeitsplätze und 45% der Produktion im Land verantwortlich sind? Auch das Wirtschaftsvolumen und die Exporte werden in Kolumbien nicht in dem Maße steigen, wie die US-amerikanische Wirtschaft davon profitieren wird. Letztendlich kann die kolumbianische Wirtschaft nicht mit der der USA mithalten, dies gilt sowohl in der Produkt- als auch in der Preispalette.

Arbeitsplätze werden wohl nur geschaffen werden, weil die Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer weiter verschlechtert werden. Die Löhne werden sinken, die Sozialleistungen abgebaut, die Rechte der Gewerkschaften und Arbeitnehmer beschnitten und stattdessen der Zeitarbeitssektor und die Wanderarbeit an Priorität gewinnen. Es ist die gleiche Politik, die der kolumbianische Staat schon seit Jahren verfolgt. Als Helfershelfer agieren hierfür paramilitärische Gruppen, die sowohl gegen die Organisation der Arbeiter in den Gewerkschaften vorgehen, als auch direkt bei der Verteidigung der Interessen der von großen Unternehmen und Megaprojekten zuständig sind. Neben Mord und Repression gehört hierzu besonders im agro-industriellen Bereich die Vertreibung von Bauern, aktuell in den Gebieten Urabá, im Magdalena Medio, in Catatumbo, Cesar und an der Atlantikküste. Das Ergebnis sind Tausende von Ermordeten und Vermissten, fünfeinhalb Millionen Vertriebene und die Enteignung von mehr als sechs Millionen Hektar Land.

Der Kampf gegen das Freihandelsabkommen muss aufgrund der politischen, sozialen und wirtschaftlichen Gründe eine Aufgabe von allen Bevölkerungsschichten sein.
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