Abgesehen von der Diskussion über die Existenz von politischen Gefangenen in Kolumbien, sind die Zustände in den Gefängnissen für die Insassen katastrophal. Doch auch, wenn sich mehr und mehr soziale Bewegungen und Teile der kolumbianischen Gesellschaft mit dem Thema auseinandersetzen, um so Druck gegenüber der Regierung aufbauen zu können, scheint ein Einlenken seitens der staatlichen Behörden derzeit nicht erkennbar.
Gemäß dem Nationalen Institut der Haft- und Strafanstalten in Kolumbien vom Januar 2012, gibt es in Kolumbien 102.292 Gefangene im Land, darunter schätzungsweise 21.199 die wegen Delikten der Rebellion oder anderer politischer Straftaten eingesperrt sind. Auch wenn in den letzten Monaten die Debatte um die Gefangenen von politischen Delikten an Schärfe und Aufmerksamkeit gewonnen hat, so wird von offiziell staatlicher Seite weiterhin Desinteresse an einer Auseinandersetzung und Einordnung der Gefangenen als explizit politische Gefangene gezeigt. Passend hierzu gab der Justizminister eine inakzeptable Äußerung auf die Frage nach den Gefangenen von sich, die nicht eines staatlichen Offiziellen würdig ist: „Keine politischen Gefangenen, weil es hier keine politische Gefangenen gibt und natürlich keine Kriegsgefangenen, weil es hier keine Kriegsgefangenen gibt.“
Ein Justizminister beantwortet eine Frage mit einem kategorischen Nein weil es ebenso ist. Dies zeugt von keiner demokratischen Kultur in einer Regierung, schon gar nicht in einer grundsätzlichen Debatte wie jetzt, nach dem die FARC-EP die letzten Kriegsgefangenen freigelassen haben, es die Regierung aber nicht für nötig hält, Kommissionen zur Begutachtung der Situation der Gefangenen zu erlauben oder den Status von Tausenden Gefangenen anzuerkennen, die aufgrund politischer Delikte in den Gefängnissen sind.
Dies ist umso unverständlicher, weil es nach dem Gesetz verschiedene politische Delikte gibt (Rebellion, Zusammenrottung, Aufstand) und auch international bestimmte Rechte und Gesetze bezüglich von Bürgerkriegen und innerstaatlichen Konflikten vorhanden sind. Es ist schon verwunderlich, wenn sich eine Regierung nicht an den bewaffneten Konflikt im eigenen Land erinnert und die Gefangennahme von Personen bei politischer Betätigung, bei Auseinandersetzungen, politischen Aktionen oder während sozialer und bewaffneter Kämpfe wahrhaben will. Genau darum dreht sich die öffentliche Debatte. Wenn es die Delikte im Zuge von Politik und Krieg gibt, dann muss es auch als Konsequenz in Kolumbien politische Gefangene und Kriegsgefangene geben.
Spätestens seit den 1970er Jahren gibt es in Kolumbien die Versuche, die politischen Gefangenen mit diesem Status anzuerkennen. Im Jahr 2006 alarmierten verschiedene Menschenrechtsorganisationen über die Existenz von 7500 Gefangenen aus politischen Gründen. Die aufständische Organisation FARC-EP erklärte im August 2011, dass die Anzahl der politischen Gefangenen und Kriegsgefangenen auf über 9500 im ganzen Land gestiegen ist. Ein Teil der jener Gefangenen gehört dieser Organisation an.
Gemäß dem Nationalen Institut der Haft- und Strafanstalten in Kolumbien ist unter den 21.199 ein Großteil unter allgemeinen Delikten zusammengefasst. Benannt werden diese Delikte zum Beispiel als Erpressungen, Entführungen oder unerlaubte Kriegsmethoden. Eine Aufschlüsselung des Instituts gibt folgendes Bild. Unter den fast 22.000 Gefangenen wegen politischer Delikte sind 1933 wegen Rebellion, 8629 wegen straffälligen Auffallens, 679 wegen Terrorismus, 54 wegen terroristischer Akte, 2541 wegen Entführungen, 2987 wegen erpresserischen Menschenraub, 4326 wegen Erpressung, 18 wegen finanzieller Unterstützung terroristischer Gruppen, 30 wegen unerlaubter Nutzung von Medien oder Methoden der Kriegsführung, 1 wegen Landesverrat und eine Person wegen Spionage. Es ist eine Systematik der Regierung, dass politische Gefangene in der Außenwirkung auch mit solchen allgemein kriminellen Anklagen behaftet werden, obwohl diese einen politischen Hintergrund haben. Deshalb gehen verschiedene Gruppen und Organisationen von mehr als 9500 politischen Gefangenen aus und veröffentlichen die Zahl von 21.199 Personen in Gefängnissen, wo mit großer Wahrscheinlichkeit von einer Tat im politischen Kontext auszugehen ist.
Bereits im März dieses Jahres gab es von mindestens 600 politischen Gefangenen einen organisierten Hungerstreik, um die Durchsetzung des Besuchs einer Internationalen Kommission in den Gefängnissen zu ermöglichen. Mit diesem radikalen Mittel wurde ebenfalls auf andere Probleme aufmerksam gemacht. Oft werden als Schikane die politischen Gefangenen in Bereiche verlegt, in denen rechte Paramilitärs einsetzen. Dies zeugt von einer Systematik der Erniedrigung, denn die Guerilleros, Gewerkschafter, soziale Aktivisten und Anführer der Land- und Indigenabewegungen sind physischer und psychischer Gewalt ausgesetzt. Generell fehlt es an Trinkwasser, besonders in den Gefängnissen, die Temperaturen von 35-40 Grad Celsius aufweisen. Als trauriges Beispiel dient hierfür das Gefängnis in Valledupar. Auf der anderen Seite gibt es Gefängnisse in kälteren Regionen wie Bogotá, wo die Temperaturen in der Nacht auf 5 Grad Celsius fallen und keine Kleidung oder Decken zur Verfügung gestellt werden. Kleidung, Bettwäsche und Decken werden mit fadenscheinigen Gründen als Hilfsmittel von außen abgelehnt. Krankheiten wie Tuberkulose, Hepatitis und Syphilis sind häufig zu finden und eine medizinische Versorgung oft nicht möglich. Außerhalb der Gefängnisse werden die Familien der Häftlinge bedroht, um zum Beispiel Falschaussagen zu erzwingen.
Mit einer Arroganz und einem Nichtanerkennen des Problems versucht die Regierung Kolumbiens die Tausenden Gefangenen zu negieren, die im Rahmen einer politischen Oppositionstätigkeit gefangen genommen worden sind und in den Gefängnissen des Landes einsitzen. Mit der Weigerung des Zutritts einer internationalen Kommission zur Untersuchung der Situation der Gefangenen durch die Regierung sind sie in den Gefängnissen weiterhin unmenschlichen Bedingungen, fehlender Gesundheitsfürsorge, Überfüllung, unhygienischen Zuständen sowie Bedrohungen und Folter ausgesetzt.
Es ist an der Zeit, dass die kolumbianische Regierung und die internationale Öffentlichkeit die Realität der mehr als 9500 politischen Gefangenen anerkennt.
Der soziale und politische Kampf ist kein Delikt, er ist ein Schritt zur Freiheit!
Freiheit für alle politischen Gefangenen!