Chocó – Reiches armes Land



Der Chocó ist ein Departement in Kolumbien, das durch eine reiches Ökosystem und wertvolle Bodenschätze, aber auch durch seine Armut und eine permanente humanitäre Krise auffällt. Aktuell sind zum Beispiel Zehntausende durch akute Regenfälle und Überschwemmungen betroffen. Doch es regt sich auch Widerstand.
Allgemeines
Das Departement Chocó liegt im Nordwesten von Kolumbien an der Grenze zu Kolumbien, ist so groß wie der Staat Dänemark und hat Zugänge sowohl zum Pazifik als auch zum Atlantik. Mehr als 440.000 Menschen leben hier, davon in Quibdó, der Hauptstadt des Departements rund 160.000. Der Anteil der Bevölkerung mit afrikanischer Herkunft beträgt mehr als 80 Prozent und der Anteil der Menschen mit indigenen Wurzeln liegt bei fast 10 Prozent. Damit unterscheidet sich die Bevölkerungsstruktur klar von der des übrigen Kolumbiens, wo der Anteil der ersten Gruppe bei 20 Prozent und die der Indigenen bei offiziell nur 2 Prozent liegen. Die Spanier brachten im 17. und 18. Jahrhundert viele afrikanische Sklaven in diese Region, weil hier große Goldfunde vermutet wurden und billige Arbeitskräfte für die Minen gebraucht wurden. Auch heute noch ist der Bergbau neben der Land- und Forstwirtschaft die wichtigste wirtschaftliche Einnahmequelle. Der Chocó wurde erst im Jahr 1947 ein eigenständiges Departement und gilt heute noch aufgrund der Infrastruktur als eine der vergessenen Regionen des Landes.
Soziales
Studien der Vereinten Nationen zur Folge leben rund 70 Prozent der Chocoaner in Armut und rund 40 Prozent sogar in extremer Armut, obwohl fast die Hälfte des abgebauten Goldes in dem Departement gefördert wird. Die geringen Investitionen in die Wirtschaft, die fehlende Infrastruktur und der bewaffnete Konflikt sorgen für weitreichende soziale Probleme wie eine hohe Arbeitslosigkeit und Kriminalitätsrate. Wie überall in Kolumbien gibt es eine besonders durch die Regierung und Paramilitärs geschürte Landflucht und die Menschen versuchen sich in den marginalen Vierteln am Rande der Städte oder in den anderen Regionen des Landes niederzulassen. Die mangelnden Zukunftsperspektiven bekommen vor allem die Kinder und Jugendlichen zu spüren, die 40 Prozent der Bevölkerung ausmachen. Fehlende Bildungsmöglichkeiten und geringe Zukunftsperspektiven sorgen dafür, dass viele junge Menschen in das kleinkriminelle Milieu abrutschen oder zu Handlangern von Drogenhändlern und Paramilitärs werden, deren Präsenz sich in den letzten zwei Jahrzehnten zunehmend erhöht hat.
Ölpalme
In Kolumbien wurde die Ölpalme 1932 erstmals eingeführt, in den 1950er Jahren begann der großflächige Anbau und die kommerzielle Nutzung und in den letzten Jahren die stetige Ausdehnung der Plantagen. Aus der Ölpalme können die höchsten Erträge aus Ölsaaten erreicht werden, es macht den Anbau so lukrativ. Bekannt ist die Ölpalme aus der Gewinnung von Biodiesel, aber auch in der Kosmetik- und Chemieindustrie. Während des Plan Colombia, dem Militärplan der Regierung Kolumbiens unter Hilfe der USA und EU, wurde die Ölpalme als Alternativpflanze zum Kokaanbau favorisiert. Doch für die Kleinbauern ist die Ölpalme keine Alternative geworden. Im Chocó gehören die riesigen Anbauflächen lediglich einer Handvoll Unternehmen. Und die Bauern selbst haben schlichtweg nicht die Flächen, Gelder und Ausrüstung, um ihren Lebensunterhalt davon bestreiten zu können. Ganz im Gegenteil, oftmals müssen sie sich den Interessen der Großgrundbesitzer und Unternehmen unterordnen. Die Bauern werden vertrieben und auf den illegal erworbenen Flächen schützen nun staatliche oder paramilitärische Kräfte die Plantagen.
Koka
Koka wird aufgrund der ökonomischen und geografischen Bedingungen in vielen Regionen des Landes, so auch im Chocó. Den Bauern bietet sich oftmals keine andere Möglichkeit des Überlebens, als Koka anzubauen oder sich den Gegebenheiten der paramilitärischen Gruppen unterzuordnen. So hat der zunehmende Kokaanbau weitreichende Folgen für die Landbevölkerung. Die Regierung nimmt dies immer wieder zum Anlass, um Besprühungen aus der Luft durchzuführen. Zum Ziel haben diese offiziell, die Planzungen zu vernichten, nebenbei soll aber auch die Bevölkerung eingeschüchtert und vertrieben werden. Mit dem Besprühen des Pflanzenvernichtungsmittels Roundup werden pro Hektar Kokapflanzungen auch 20 Hektar Regenwald oder Felder zerstört, zudem wird das Trinkwasser verseucht und Erkrankungen der Haut, Augen und Atemwegsorgane provoziert. Mit den Freihandelsverträgen wird sich die Situation der Bauern nicht ändern, denn der Zugang zu den nationalen und internationalen Märkten ist den Bauern verschlossen und mit den Billigimporten von Agrarprodukten wie Mais und Getreide aus den Industrieländern können sie nicht konkurrieren. Dabei sind die Bauern die kleinen Fische im Koka-Geschäft, die dicken Geschäfte werden in Europa und den USA gemacht.
Megaprojekte
Auch die Megaprojekte der Regierung sind eine Bedrohung für die Bevölkerung im Chocó. Unter den Megaprojekten werden sowohl die Erschließung und Ausbeutung der natürlichen Ressourcen als auch überdimensionale Infrastrukturprojekte impliziert. Zum einen planen transnationale Konzerne die Förderung von Erdöl bei den zu vermuteten Vorkommen im Chocó. Auch der Bergbau soll weiter ausgebaut werden. Zum anderen geistern immer noch Pläne der Regierung rum, zwei verschiedenen Transporttrassen im Chocó zu bauen. Hierbei geht es um den Lückenschluss der Panamerikana zwischen Panama und Kolumbien und um einen trockenen Kanal, der von der Karibik- bis zur Pazifikküste führen soll und dem Panamakanal Konkurrenz machen soll. Nicht nur, dass durch die Bauvorhaben das Ökosystem und die Lebensgrundlage der Bauern vernichtet werden wird, die Landflächen, auf denen die Trassen verlaufen sollen, steigern immens ihren Wert und Grundstückspreis. Regierung, Konzerne und Paramilitärs wollen sich schon jetzt diese Flächen sichern und bedrohen und vertreiben die Bevölkerung.
Widerstand und Tradition
Doch es gab und gibt auch Widerstand gegen Ausbeutung, Landraub und Vertreibung. Die Tradition des Widerstandes im Chocó ist alt und beginnt bei den Indigenen im Kampf gegen die Spanier und hat bereits beim Widerstand der afrikanischen Sklaven gegen die Spanier einen großen symbolischen Stellenwert errungen. Die Sklaven, die den Spaniern dienen mussten, flohen und bildeten in den entlegenen Regionen Wehrdörfer, in denen Indigene und afrikanische Sklaven zusammen lebten und der spanischen Herrschaft trotzen. Als ein bekanntes Wehrdorf gilt Palenque del Baudó, welches fast 50 Jahre bestand. Im Sinne dieser Tradition sind heute auch die verschiedenen Friedensdörfer und Gemeinden der Selbstbestimmung im Chocó zu sehen. Bäuerliche, afrokolumbianische und indigene Vereinigungen, Gewerkschaften und Guerillagruppen zeigen verstärkt Menschenrechtsverletzungen und ihre prekäre Situation auf, stehen dabei aber immer im Fokus von staatlichen Sicherheitskräften, Staatsanwaltschaft und paramilitärischen Gruppen, weil sie als politischer Arm der FARC-EP diffamiert werden.
Mit den Waffen um gehört zu werden
Dass der Chocó zu den vergessenen Regionen gehört, merken die Menschen in ihrem alltäglichen Kampf für Gerechtigkeit und ein besseres Leben. Bogotá ist weit weg und die Stimmen der sozialen und aufständischen Bewegungen werden nur selten gehört. So bleibt den Chocoanern oftmals nur der Weg durch außergewöhnliche Aktionen und Vernetzung mit anderen nationalen und internationalen Bewegungen. Erst im Februar wurde durch die FARC-EP ein bewaffneter Streik durchgeführt, um auf die humanitäre Krise, den Landraub und die Plünderung der natürlichen Ressourcen bei der Fischerei, im Bergbau-, Energie-, und Holzsektor durch ausländisches Kapital sowie um auf ihren Widerstand gegen die Korruption und den Terror aufmerksam zu machen. Dazu sollten einige Tage der Transport in das Nachbardepartement Risaralda und das öffentliche Leben still gelegt werden. Außerdem wurde wiederholt darauf hingewiesen, dass der Transport von staatlichen Sicherheitskräften in öffentlichen Verkehrsmitteln nicht geduldet wird und dies ein Verstoß gegen internationales Menschenrecht ist.
Guerilla
Die FARC-EP jedoch ist noch gar nicht so lange im Chocó präsent, wie man das vermuten könnte. Erst Ende der 1980er Jahre wurden die ersten politisch-militärischen Strukturen geschaffen. Unterstützung bekamen sie aus dem Osten von der Fünften Kampffront, die in Antioquia und Urabá aktiv ist und von der lokalen Bevölkerung. Zwischenzeitlich waren im Chocó, der zum Bereich des militärischen Blocks Iván Ríos (ehemals nordwestlicher Block) der FARC-EP gehört, mehrere Kampffronten der FARC-EP aktiv, darunter die 34., 47., 51. und die bis heute in der Region verankerte 57. Kampffront. Mit dem Eindringen von Militärs und Paramilitärs in den Chocó, mit dem Foltern und Ermorden von AnhängerInnen und Sympathisanten der Guerilla und ihrer nahestehenden Organisationen und mit der Verschärfung der sozialen Problematik wird auch die Guerilla nicht die Waffen niederlegen und so lange kämpfen, bis die Bedingungen und Möglichkeiten Frieden, Gerechtigkeit und politische Teilhabe erlauben.
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Zum Interview mit Tanja/Alexandra

Tanja Nijmeijer, die Guerillera aus den Niederlanden, die unter dem Namen Alexandra in der  FARC-EP kämpft, gehört bei ihrer Teilnahme zu den Friedensverhandlungen in Kuba zu den meistgefragten Interviewpartnern der kolumbianischen und internationalen Medien. Obwohl sie wiederholt die Verleumdungskampagnen und Fehlinformationen der Medien, nicht nur über sich selbst, sondern auch über die FARC-EP als politisch-militärische Organisation, anprangert, so ist sie sich dem Interesse über ihre Persönlichkeit und ihr Leben in der Guerilla natürlich bewusst und nutzt die ihr gegebenen Möglichkeiten,  um Vorurteile auszuräumen und über die aufständische Bewegung aufzuklären.
Vor drei Monaten hatte Alexandra die Möglichkeit, aus ihrer Illegalität des kolumbianischen Kampfes ein Teil der Verhandlungsdelegation der FARC-EP in Kuba zu sein. Es sei für sie eine große Umstellung gewesen, zwischen dem Leben in Kolumbien und dem Leben in Kuba. In Kuba ist sie mit Autos, Lärm und den täglichen Umgang mit der Presse konfrontiert. Aber in gewisser Weise sieht sie es als das Gleiche an, dort ein Krieg mit militärischen Mitteln und in Kuba ein Krieg auf der politischer Ebene. An beiden Fronten gibt es Scharfschützen und man muss reagieren, um nicht getötet zu werden. Dies bezieht sich sowohl auf die militärischen Auseinandersetzungen, als auch auf die politischen, denn seitens der Presse wird viel Druck aufgebaut. Den Medien fehlt der Kompromiss für den Friedensprozess, sagt sie. Die kolumbianische Presse könnte eine wichtige Rolle bei der Unterstützung in den Verhandlungen spielen und die Menschen davon überzeugen, dass der Frieden in Kolumbien erforderlich ist. Doch oft ist das Gegenteil der Fall. Als Beispiel nimmt sie die Gerüchte vom Zerfall der FARC-EP und dass die Guerilla keine Einheit mehr sei. Immer wieder wurde berichtet, dass der militärische Südblock nicht mit den Verhandlungen einverstanden sei. Doch in der Guerilla gibt es eine einheitliche Führung und alle verpflichten sich, den Prozess zu unterstützen.
Über Alexandra als Frau weiß man sehr wenig, stellt die Journalistin fest. Auf die Frage, ob sie das als das hübsche Gesicht der FARC-EP missbraucht wird, stellt sie fest, dass das Schönheitsideal in der Guerilla nicht zählt. Das schönste was sie hat, ist ihr Gehirn. Das vom Kapitalismus aufgezwungene Schönheitsideal von 90-60-90 spielt in der FARC-EP keine Rolle. Die meisten Kämpferinnen kommen vom Land, dort gelten wohlgenährte Frauen oftmals als hübscher. Alexandra kommt aus den Niederlanden, ein Land, das sich in den letzten Jahrzehnten dafür engagierte, durch Dialoge die Konflikte zu lösen. Wieso dachte sie nun sei es besser, mit Waffen für ein besseres Land zu kämpfen? Als sie nach Kolumbien kam, interessierte sie sich für die Politik. Sie verstand schnell, dass es für die Kolumbianer keine andere Möglichkeit gab, als zu den Waffen zu greifen und damit wollte sie sich solidarisieren. Da änderte es nichts, dass sie aus Europa kam. Mit Waffen zu kämpfen ist nicht der beste Weg, aber der kolumbianische Staat ließ keine andere Option.
Die Journalistin spricht weiter die Rolle der Frauen an. In der Delegation der Regierung gibt es nur wenige Frauen und sie fragt Alexandra, ob es ein Spiegelbild des Landes und der Guerilla ist. Darauf antwortet sie, dass 51 Prozent der kolumbianischen  Bevölkerung Frauen sind. Sie betrachtet sich als ein Teil des Landes und der Guerilla, die Frauen zu repräsentieren. Die Delegation der FARC-EP versucht die Stimmen der Frauen zu hören. Sie hat den Eindruck, dass sie ihre Rechte in den Foren und den Vorschlägen mit einbringen. In der Guerilla muss man nicht um Erlaubnis fragen, wenn man sich verliebt und man kann als zusammenleben. Allerding hat man immer die Verpflichtung für das Land und ihre Leute. Wenn also eine Mission ansteht, dann muss diese auch gemacht werden. So ist sie aktuell von ihrem Partner getrennt, um in Kuba mit der Regierung zu verhandeln, diese Kompromisse muss man eingehen, wenn man der Guerilla beitritt. Sie kommt aber auch darauf zu sprechen, wie groß die Unterschiede zu den Niederlanden sind. Der Machismo in der kolumbianischen Gesellschaft ist schrecklich und in der Guerilla, die ein Teil der Gesellschaft ist, ist er auch vorhanden. Auch, dass man in der Guerilla keine Kinder haben darf, versteht sie. Dies wird auch mit dem Eintritt in die FARC-EP deutlich gemacht. Ein Kind in einem Krieg ist unverantwortlich. Wenn eine Guerillera ein Kind bekommt, dann muss sie die Guerilla verlassen. Aber dort können sie verhaftet werden und die Kinder werden später stigmatisiert. Natürlich denkt Alexandra daran, mal ein Kind zu haben. Aber das Kind soll in einem Umfeld des Friedens groß werden und dafür kämpft sie.
Am Ende wird sie gefragt, wie sie die Zusammenhänge zwischen Entführungen und Drogenhandel mit der Guerilla sieht, die für große Teile der radikalen Linken nicht vereinbar sind. Es sind jene Fragen, auf die die Vertreter der Guerilla genervt reagieren. Sind es doch regelmäßig Versuche, die Guerilla zu delegitimieren. Sie betont, dass im Februar letztes Jahr die Entführungen auf ökonomischer Basis eingestellt wurden. Die FARC-EP war auch immer bemüht, Alternativen zum Drogenanbau vorzuschlagen, aber man darf auch nicht die Augen vor der Realität auf dem Land verschließen. Hier erwähnt sie die Besteuerung von Koka. Worüber man jedoch fast nie spricht, ist die Beteiligung von Akteuren aus der kolumbianischen Regierung im Drogenhandel.
Schlussendlich sagt sie, würde sie den Kampf mit Waffen auch in anderen Ländern führen. Kolumbien und Lateinamerika sind aufgrund des Reichtums und der natürlichen Ressourcen ein Zentrum im Kampf gegen den Kapitalismus. Um die Welt zu verändern muss man das System verändern, und sie fängt in Kolumbien an.
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Nächste Etappe bei Friedensverhandlungen

Derzeit laufen die Friedensverhandlungen der FARC-EP mit der Regierung Kolumbiens auf Kuba optimistisch. Allem Anschein nach soll der erste Punkt der Agenda, die Landfrage, zügig abgeschlossen werden. Trotz der Verhandlungen gibt es aber weiterhin Kämpfe.
Nach einer kurzen Pause und mehreren Vorschlägen zur landfrage in Kolumbien durch die FARC-EP, gehen die Verhandlungen auf Kuba in die nächste Runde. Humberto de la Calle, Sprecher der Verhandlungsdelegation der kolumbianischen Regierung, sagte nun am Montag, dass die Gespräche zügig fortgesetzt werden sollen. Die Verhandlungen über die Agrar- und Landfrage sollen dabei zeitnah abgeschlossen werden. Die Landfrage gehört zu den wichtigsten Punkten bei den Gesprächen, schließlich sieht sich die FARC-EP in der Tradition einer ruralen Guerilla mit immer noch währenden starken Verbindungen zur Landbevölkerung. Weitere Themen sind die politische Beteiligung der Guerilla, der Kampf gegen den Drogenanbau, die Entwaffnung der Guerilla sowie die Entschädigung der Opfer des bewaffneten Konflikts.
Vorrangig geht es bei der Landfrage um eine Agrarreform, die sich auf verschiedene Punkte stützt. Als elementar gilt, den Großgrundbesitz aufzulösen, denn in Kolumbien besitzen 0,4 Prozent der Bevölkerung rund 65 Prozent der Landfläche. Dabei soll insbesondere der unproduktive und der unangemessen genutzte Teil an die verarmte Landbevölkerung verteilt werden. Generell soll die Lebens- und Arbeitssituation der Bauern verbessert werden, dies schließt den Zugang zu Land, die Finanzierung von Projekten, Kleinkredite und die Stärkung der kleinbäuerlichen Landwirtschaft mit ein. Des Weiteren sollen die Opfer von Landvertreibungen entschädigt, es sollen Gesetze zum Schutz der Ökosysteme erlassen und ethnische Gruppen und Minderheiten unter einen besonderen Schutz gestellt werden. Auch die Nahrungsmittelsouveränität, die Eingrenzung der Viehzucht und die Verminderung des Raubbaues an der Natur durch Bergbau sind wichtige Bestandteile in der Landfrage.
Die Frage nach Alternativen im Umgang mit dem Anbau von Drogenpflanzen war erneut Thema im Zuge der Verhandlungen. Auch bei Gesprächen mit verschiedenen kolumbianischen Parlamentariern, die letzte Woche die Verhandlungsdelegation der FARC-EP in Kuba besuchten, wurde das Thema angeschnitten. Die FARC-EP stellt sich auf die Seite der Legalisierung von Drogen und Drogenanbau in Kolumbien. Die Repression und Kriminalisierung von Bauern, die Marihuana und Koka anbauen, führe nicht automatisch zu Alternativlösungen. Stattdessen solle der Staat  den Anbau zu medizinischen, industriellen und kulturellen Zwecken erlauben und gegebenenfalls Alternativen für die Bauern suchen, um deren Lebenssituation zu verbessern. Während die USA und Europa Hauptabsatzmarkt der Drogen sind und dort bereits in vielen Ländern und US-Bundesstaaten Debatten um die Legalisierung von Marihuanakonsum geführt werden, dürfen die kolumbianischen Bauern nicht für den überlebenswichtigen Anbau zur Rechenschaft gezogen werden.
Mittlerweile berichten selbst die traditionell konservativen Medien in Kolumbien über die Fortschritte bei den Verhandlungen.  Der Besuch der kolumbianischen Parlamentarier in Kuba gilt als optimistisches Signal für einen eventuellen Abschluss des ersten Punktes innerhalb der Verhandlungsagenda. Der zweite Punkt beschäftigt sich mit der FARC-EP als politische Bewegung und deren Partizipation im politischen System. Hierfür sollen Rahmenbedingungen erörtert werden, ob und wie es möglich sei, eine politische Partei zu gründen und wie deren Sicherheit gewährleistet werden kann. Von der FARC-EP gibt es seit jeher die Bestrebungen, legal an der kolumbianischen Politik mitzuwirken. Die bisherigen historischen Erfahrungen mit einem systematischen Massenmord an Mitgliedern und Sympathisanten bei von der FARC-EP geschaffenen politischen Bewegungen und Parteien zeugen jedoch von Skepsis und legitimieren bis heute das Existenzrecht der Guerilla.
Neben den Verhandlungen in Kuba kommt es in Kolumbien immer wieder zu Kämpfen zwischen Guerilla und den staatlichen Sicherheitskräften. Von mehreren militärischen Einheiten der FARC-EP gab es wiederholt Kritik, dass die Militäroperationen während der Verhandlungen sogar zugenommen haben. Während in der Presse die abgestürzten Hubschrauber (u.a. am 21.02. in Vistahermosa/Meta und wenige Tage später in Tibú/Norte de Santander) auf Unglücke und die Wetterlage reduziert wurden, sprechen militärische Einheiten der FARC-EP von Abschüssen bzw. Abstürzen durch Gefechte. Von Verlusten ist in den offiziellen Stellungnahmen der Armee nichts zu finden, so soll das heldenhafte und unverwundbare Gesicht der Armee nicht belastet werden. Auch in Sumapaz, in der Nähe der Hauptstadt Bogotá, gibt es wieder vermehrt Kämpfe zwischen der Guerilla und dem Militär. Hier hat die FARC-EP nach deren Vertreibung in den Jahren 2002 bis 2005 in den letzten Jahren wieder Fuß gefasst und militärische Strukturen aufgebaut. Dies war der oligarchischen Presse „El Tiempo“ und „Semana“ sogar Artikel wehrt, in denen sie die Ängste der Bevölkerung schürt.
Die FARC-EP ist jedoch nicht in Kuba, um ihre Demobilisierung und Vernichtung zu verhandeln, sondern bemüht um wirkliche Veränderungen im Land mit Demokratie und sozialer Gerechtigkeit. Das Kolumbien in eine soziale Schieflage geraten ist, zeigen nicht nur die massenhaften sozialen Proteste von Bauern, Studierenden, Arbeitnehmern, Basisorganisationen und Gewerkschaftern. Auch die bis heute andauernde Präsenz der Guerilla hat ihre historische Berechtigung. In einem Land, in dem Andersdenkende und Linke aufgrund ihrer politischen Gesinnung und Betätigung niedergemetzelt werden, dient die Waffe in der Hand nicht nur der Selbstverteidigung, sondern auch als Druckmittel gegenüber der sich an der Macht klammernden Oligarchie und dem Wunsch nach einem dauerhaften Frieden.
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Internationaler Frauentag

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Sozialer Protest der Bauern

In Kolumbien regt sich der soziale Protest. Besonders im landwirtschaftlichen Bereich erleben wir in vielen Landesteilen die Organisierung und Mobilisierung von Bauern sowie kleinen und mittleren Agrarbetrieben, um für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen zu kämpfen. Dies betrifft unter anderem die Bauern von Produkten wie Mais, Baumwolle, Milch, Kakao, Zuckerrohr, Bananen und vor allem aktuell die seit dem 25. Februar in einen landesweiten Streik getretenen Kaffeebauern. Mit der Umsetzung des Freihandelsabkommens haben sich die Bedingungen für Arbeit und Leben für die Bauern und die Familien nochmals verschlechtert. Seit der Einführung des neoliberalen Modells in Kolumbien vor rund 15 Jahren änderten sich die Verhältnisse und Arbeits- und Lebensumstände besonders auf dem Land rapide zum Schlechten. Der soziale Protest, der in einigen Regionen Formen eines Aufstandes angenommen hat, zeugt von der Wut und Trauer derjenigen, die in immer ärmeren Verhältnissen leben müssen, während die Reichen und Großgrundbesitzer die Gewinner von heute sind.
Der soziale Protest der Kaffeebauern, dem sich die Bauern aus anderen Bereichen angeschlossen haben, reiht sich historisch ein in die Aufstände der Kommunarden in Santander 1789, den der Bauern in den 30er und 40er Jahren des letzten Jahrhunderts, als mehrere sogenannte unabhängige Bauernrepubliken wie die von Tequendama entstanden, den Widerstand der Bauern gegen die Aggression der Armee in Marquetalia von 1964 aus denen die Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens entstanden (FARC) oder den Demonstrationen und Widerstandskämpfen der indigenen Landbevölkerung in Cauca, die alle gegen die feudale und imperiale Herrschaft der Oligarchie aufbegehrten. Es ist eine kraftvolle Mobilisierung, die sowohl von den Bauernverbänden und sozialen Bewegungen unterstütz wird, als auch von der Guerilla, die, wie das Beispiel der FARC zeigt, ruralen Ursprungs sind und auch heute noch die soziale Basis auf dem Land haben.
In den Dörfern und Kleinstädten von Cauca, Huila, Caldas, Antioquia, Tolima, Quindío, Nariño, Santander, Cesar und Magdalena Medio gibt es Protestcamps und Demonstrationen. In vielen Gebieten wurden Straßensperren errichtet, zum einen, um als Teil der Strategie eines Streiks die Wirtschaft lahmzulegen, zum anderen, um die Polizei und Armee daran zu hindern, die Dörfer, Protestcamps und Demonstrationen anzugreifen. Die bisherigen Auseinandersetzungen und Angriffe der Polizei, vorgetragen durch die berüchtigten Aufstandsbekämpfungseinheiten ESMAD, sind brutal und führten zu vielen Verletzten. Immer wieder werden die Demonstrationen, die sich regional in den Gemeindebezirken und Kleinstädten bilden und von Tausenden Teilnehmern getragen werden, von der Polizei angegriffen und die Protestcamps niedergebrannt. Die Polizei setzt Wasserwerfer ein und schießt mit Gasgranaten direkt auf die protestierenden Bauern.
Doch die Bauern lassen sich nicht einschüchtern. Es gibt große Versammlungen, in denen die Arbeits- und Lebensbedingungen sowie Lösungsvorschläge thematisiert werden. Es gibt Konzerte, Theaterstücke und verschiedene Foren, an denen sich Teile der Bevölkerung beteiligen. Die 350.000 Kaffeebauern sind müde geworden, von der Bürokratie und ihrer angeblichen Vertretung durch die Nationale Kaffeeföderation, die mehr und mehr die Interessen der Konzerne vertreten als die der Bauern. So sank der Verkaufspreis für Kaffee über die Jahre, während der Produktionspreis und die Lebenserhaltungskosten stetig steigen. Außerdem werden Hilfen für Umwelt- und Wetterschäden und eine Regelung für die Landvergabe gefordert. 512.000 Pesos kosten 125 Kilo Kaffee im Verkauf, die Produktion der gleichen Summer beläuft sich auf rund 700.000 Pesos (rund 300 Euro). Der von der Regierung bestimmte Kaffeepreis liegt also deutlich unter den Kosten, die für die Produktion von Nöten sind.
Die Landfrage und die Arbeits- und Lebensbedingungen sind nicht nur historisch gesehen ein wichtiger Bestandteil in der politischen Programmatik der FARC-EP, sondern noch immer ist die Guerilla klar auf rurale Themen verortet und sieht sich als eine Interessensvertretung der Bauern und ländlichen Bevölkerung. In den Friedensverhandlungen ist die Frage einer Agrarreform deshalb der erste Punkt auf der Agenda. Noch immer ist die große Mehrheit des kolumbianischen Landbesitzes in den Händen weniger Großgrundbesitzer oder transnationaler Konzerne konzentriert. Durch massive Vertreibungen der Landbevölkerung, die unrechtmäßige Aneignung des Landes und die Interessen der transnationalen Konzerne an den natürlichen Ressourcen Kolumbiens ist die Landfrage mehr denn je von enormer Bedeutung. In zivilgesellschaftlichen Foren und Vorschlägen der FARC-EP wurde bereits mehrmals über die Neuordnung und Nutzung des Bodens, Nahrungsmittelsouveränität, Umweltschutz und finanzielle Hilfen diskutiert.
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Kampf gegen Megaprojekte

Am 25. Februar 2011 wurden die Arbeiten zu dem gigantischen Infrastrukturprojekt des Staudamms von El Quimbo durch Präsident Santos offiziell eröffnet. Doch schon Jahre davor und bis jetzt regt sich Widerstand gegen dieses Projekt, dass die einzigartige Flusslandschaft des Magdalena zerstört.
Der Kampf gegen die Megaprojekte in Kolumbien ist derzeit im ganzen Land in vollem Gange. Als ein Sprachrohr und eine Interessensvertretung der ländlichen Bevölkerung versuchen auch die aufständischen Bewegungen wie die FARC-EP die Bevölkerung zu mobilisieren und auf die Nachteile dieser Politik aufmerksam zu machen. Von Bildungsveranstaltungen, Flugblättern und Beiträgen in Zeitschriften oder Radiosendungen, bis hin zu Kundgebungen, Protestmärschen und direkten Angriffen auf die beteiligten und bauausführenden Firmen reichen hierbei die Aktionen.
Erst kürzlich haben ELN und FARC-EP in der Provinz Antioquia beschlossen, gemeinsam den Kampf gegen die Megaprojekte zu führen. Dazu trafen sich die Kommandierenden der militärischen Strukturen im Nordwesten Kolumbiens in den ersten Februartagen. In einem Kommuniqué werden am Raubbau und der Ausplünderung der natürlichen Ressourcen vor allem die Bergbauunternehmen, Betreiber von Staudammprojekten und die Firmen und Großgrundbesitzer für  Monokulturen der Holzwirtschaft Agrotreibstoffe erwähnt, die die Bevölkerung vertreiben, nicht an den Erlösen teilhaben lassen und für immense ökologische Schäden sorgen. Das Projekt des Staudamms El Quimbo am Fluss Magdalena im Süden Kolumbiens steht exemplarisch für die Megaprojekte.
Der Fluss Magdalena ist das vielleicht authentischste Symbol von Kolumbien. Er durchfließt fast das gesamte Land von Süden nach Norden und sammelt sein Wasser aus dem ihm umgebenden Kordilleren der Anden, den anderen Wahrzeichen Kolumbiens. Aus den mit Schnee bedeckten Bergen kommt das Wasser, schlängelt sich durch die Berge und Täler, wird zu einem immer größer werdenden Fluss, zieht durch die Savannen, Wald- und Agrargebiete bis in das Delta in der Nähe der Sierra Nevada. Schließlich endet der Fluss Magdalena im Karibischen Meer.
Vor der Eroberung Lateinamerikas war der Fluss Lebensraum der verschiedenen indigenen Völker. Sie nannten ihn „Yuma“, Fluss des freundlichen Landes. Auf und an dem Fluss fand ein reger Austausch und Handel der Kulturen statt. Hier trafen die Indígenas aus dem Hochland auf die Indígenas, die im Küstengebiet lebten. Aber auch die Eroberer nutzten später den Fluss für ihre Erkundungstouren. Mit dem Fluss und entgegen der Strömung stießen sie bis in das Landesinnere vor und kamen zum Hochland, wo später die Hauptstadt Bogotá gegründet werden sollte.
Der Fluss hat seine eigene Geschichte. Diese wird in Liedern, Sagen und Geschichten transportiert. Diese erzählen von dem leben am Fluss, von seinem Reichtum, von den Fischern und vom Stolz der Leute.  Ein Kolumbien ohne den Fluss Magdalena ist nicht vorstellbar. Er ist Bestandteil des Landes und seine wohl wichtigste Arterie, er verknüpft die Regionen, versorgt die Menschen mit Nahrung und bildet ihr Heiligtum. Auch Gabriel García Márquez beschrieb den Fluss in seinen mit Weltruhm erlangten literarischen Erzählungen.
Nun ist der Fluss in Lebensgefahr durch die Politik von Präsident Santos mit seinem Wirtschaftsmodell der „locomotoras“, den großindustriellen Projekten die durch die transnationalen Konzerne finanziert werden. So soll im Süden der Provinz Huila ein solches Megaprojekt, ein Staudamm, entstehen, der den Fluss in seinem natürlichen Verlauf stört und eine ganze Region einbetoniert wird. Seit mehreren Jahren gibt es Proteste der lokalen Bevölkerung und Aufklärung darüber, was dieses neoliberale Infrastrukturprojekt für verheerende Auswirkungen auf die Natur und die Bevölkerung hat, während die Macher des Projekts die große Erzeugung von Energie, die Erlöse des Verkaufs der Energie ins Ausland und die Steigerungsraten des Inlandsproduktes lobpreisen.
Der Staudamm von El Quimbo, entwickelt und erbaut durch Emgesa/Endesa, einem kolumbianisch-spanischem Elektrizitätsunternehmen, wird Tausende von Hektar Land überfluten, die Bevölkerung von sechs Gemeinden vertreiben und eine Region von ihren alten Verkehrs- und Handelswegen abschneiden. Wie so häufig bei Megaprojekten wird die örtliche Bevölkerung von den Gewinnen der Konzerne nicht profitieren, sondern in ihrem sozialen und wirtschaftlichen Leben eingeschränkt. Hinzu kommen die ökologischen Schäden, durch aktuelle Arbeiten und den Staudamm selbst. Das Zerstören von Flora und Fauna, aber auch die Errichtung des Dammes in einem Erdbebengebiet birgt Risiken, die bisher noch nicht einzuschätzen sind.
Die Entwicklung der Region und der Wohlstand der Bauern, die mit diesem Projekt versprochen wurden, wird in Wirklichkeit nur ein Riesengeschäft für die ausländischen Investoren und die kolumbianische Oligarchie sein. Der Kampf der sozialen Bewegungen, der Bauernverbände und der FARC-EP gegen den Staudamm El Quimbo wird weitergehen. Es gibt Heiligtümer, die dürfen nicht angetastet werden. Für die Kolumbianer ist der Fluss Magdalena ein solches. Nein zum Staudamm El Quimbo!
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Für den Austausch der Gefangenen

Bezüglich der Nachrichten über die einseitige und humanitäre Freilassung der kriegsgefangenen Soldaten und Polizisten durch die FARC-EP in den letzten Tagen, zeigen sich die Notwendigkeit eines Austauschs der Gefangenen und ein Blick hinter die Kulissen. 

Freilassung der beiden Polizisten am Freitag in Cauca durch Guerilleros der FARC-EP

Am vergangenen Freitag wurden durch die FARC-EP die beiden Polizisten Cristian Yate und Víctor González in den Bergen der Gemeinde Miranda im Norden von Cauca an eine humanitäre Kommission übergeben. Beide wurden am 26. Januar zwischen den Gemeinden Pradera und Florida in der Provinz Valle del Cauca gefangen genommen. Zuvor gab es, wie bei anderen unilateralen Freilassungen auch, die Bedingung, dass militärische Operationen für eine befristete Zeit in dem Gebiet der Übergabe zu unterlassen sind. An eine humanitäre Kommission unter Führung des Internationalen Roten Kreuzes und der Organisation Kolumbianer und Kolumbianerinnen für den Frieden werden dann von Seiten der FARC-EP die Koordinaten für den Ort der Freilassung benannt. Wie häufig zuvor wurde die Freilassung auch diesmal von der örtlichen Bevölkerung und einigen Medien begleitet. Es ist eine der wenigen Möglichkeiten, in der die Aufständischen und die Bevölkerung auf Probleme aufmerksam machen und ihre politischen Ziele nach außen tragen können. Am Samstag wurde schließlich der Soldat Josué Álvarez Meneses in den Bergen der Provinz Nariño freigelassen. Er wurde bei Kämpfen der Armee mit der 29. Kampffront der FARC-EP am 30. Januar gefangen genommen. Seit Freitag durften deshalb keine militärischen Operationen mehr in der Region stattfinden.

Zum einen muss man feststellen, dass seitens der kolumbianischen Massenmedien ein Krieg um die Begrifflichkeit geführt wird. Diese berichten in ihren Nachrichten von „Entführten“, was den Zweck einer Delegitimierung des revolutionären Kampfes und einer Entpolitisierung der Guerilla zur Folge haben soll. Mit der Begrifflichkeit von „Entführungen“ wird ein bewaffneter Konflikt negiert und die „Entführung“ von Soldaten und Polizisten verkommt zu einem kriminellen Akt. In Kolumbien gibt es aber einen bewaffneten Konflikt bzw. ein Bürgerkrieg. Und nach dem humanitären Völkerrecht werden Soldaten und Polizisten, die im Kampf gefangen genommen werden als Kriegsgefangene bezeichnet und auch so behandelt. Generell bleibt festzustellen, dass das Festsetzen von Guerilleros in den Massenmedien als Gefangennahme bezeichnet wird, während gefangengenommene Sicherheitskräfte aus Armee und Polizei durch die Guerilla als „Entführte“ tituliert werden.

In den Medien wird mit nicht einer Silbe erwähnt, dass die Freilassungen von den im Kampf festgenommenen Soldaten und Polizisten durch die FARC-EP einen unilateralen Charakter haben, auf Freiwilligkeit beruhen und eine Geste des guten bzw. humanitären Willens sind. Die kolumbianische Oligarchie mit ihren Medien verschweigt dies aus gutem Grund, wird so doch der humanitäre und politische Charakter der FARC-EP vernebelt und das sonst so grauenvolle Bild der Terroristen könnte aufbrechen. Auf der anderen Seite kommt es für die Regierung nicht in Frage, sich mit dem Thema der politischen Gefangenen und Kriegsgefangenen der sozialen Bewegungen und der Guerilla in den staatlichen Gefängnissen zu befassen, sonst könnte man ja eine Verbesserung ihrer unmenschlichen Situationen oder gar einen humanitären Austausch verlangen. Die Medien verzerren so die Realität und helfen der Oligarchie, ihren Krieg nicht nur mit der Armee, sondern auch in den Gefängnissen zu führen.

Warum die einseitigen Freilassungen ebenfalls nicht in einem politischen und humanitären Kontext erwähnt werden, hängt auch damit zusammen, dass im Falle einer Erwähnung zugleich Druck auf die Regierung aufgebaut werden würde. Während die FARC-EP immer wieder die kriegsgefangenen Soldaten und Polizisten freilässt, wird über die mehr als 9500 politischen Gefangenen, darunter 1000 Guerilleros der FARC-EP, keine Debatte geführt, ob ein Austausch stattfinden könnte. Während sich die freigelassenen Kriegsgefangenen in einem guten gesundheitlichen Zustand befinden, es kommt regelmäßig zu Untersuchungen durch das Internationale Rote Kreuz bei der Freilassung, werden die politischen Gefangenen und Kriegsgefangenen in den staatlichen Gefängnissen misshandelt und fristen ein unwürdiges Dasein. Selbst Kommissionen, unter anderem des Roten Kreuzes, zur Begutachtung der Lebensumstände in den Gefängnissen werden häufig nicht zugelassen. Anscheinend verdienen die politischen Gefangenen und die politischen Gefangenen des Krieges keine Humanität.

Diese Doppelmoral verdient es näher beleuchtet zu werden. Warum sollen also die einseitigen und humanitären Freilassungen zukünftig fortgesetzt werden, während die mehr als 9.500 politischen Gefangenen (Gewerkschafter, Studenten, Journalisten, Bauern) und politische Gefangene des Krieges, also die Kriegsgefangenen aus den Reihend er Guerilla, ein politischer Status seitens des Staates aberkannt wird? Das Versagen einer Klassifizierung der Gefangenen ist eine Verletzung des internationalen Menschenrechts. Die politische Gefangene leiden unter den gerichtlichen Anordnungen und Verzögerungen ihrer oftmals konstruierten Verfahren. Sie leiden unter den unmenschlichen Haftbedingungen und der systematischen Folter. Ihnen wird die medizinische Versorgung verweigert, besonders kriegsgefangene Aufständische mit Schussverletzungen, die im Kampf festgenommen wurden, werden nicht versorgt, die Wunden verheilen nicht, es kommt zu Amputationen oder zu Todesfällen.

Hinzu kommt eine ethische Frage. Sind bestimmte menschliche Wesen wertvoller als andere? Fast erscheint es so, dass Guerilleros und politische Gefangene von der Regierung anders gesehen und anders behandelt werden. Für die Regierung ist das Leben eines Soldaten oder Polizisten mehr wert als jenes eines Guerilleros oder Gewerkschafters. Die einen stehen im Dienst eines neoliberalen Systems und versuchen die Interessen der Regierung und der Konzerne zu schützen, die anderen kämpfen gegen diese soziale Ungerechtigkeit, gegen die Ausplünderung des Landes und gegen die staatliche Repression. Und hierin zeigt sich auch für die Regierung der politische als auch humane Unterschied. Wenn bei Kämpfen Soldaten ihr Leben verlieren, dann spricht man in den Massenmedien von ermordeten Soldaten, während Guerilleros von Armee und Polizei immer getötet werden. Gefangenengenommene oder getötete Guerilleros werden der Presse vorgeführt und als Trophäen präsentiert.

In der zurückliegenden Zeit gab es über 14 einseitige Freilassungen der FARC-EP. Teilweise wurden Dutzende Soldaten und Polizisten freigelassen. Diese Gesten des guten Willens und humanitären Charakters wurden von der Regierung nie beantwortet. Deshalb rumort es innerhalb der kolumbianischen Linken und der Guerilla, denn diese Ungleichbehandlung ist nicht fair. Gefangengenommene Guerilleros werden kaum wahrgenommen und es tut weh, um ihre Leiden und die ungleiche Bewertung menschlichen Lebens zu wissen. Ein humanitärer Austausch ist die einzig wirklich gerechte und humane Achtung von menschlichen Leben. Auch wenn bei den Freilassungen der Guerilla mittlerweile versucht wird, medial auf Missstände in der kolumbianischen Politik und Gesellschaft hinzuweisen, so kommt die Komponente der Notwendigkeit eines humanitären Austauschs der Gefangenen zu kurz.

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Camilo – Tod eines Revolutionärs

Der Tod von Camilo Torres Restrepo stellte im Jahr 1966 einen schweren Schlag für die revolutionäre Bewegung dar. Doch bis heute ist sein Leben und Wirken unvergessen, nicht nur in der klassischen castristischen Guerilla ELN, sondern auch in der gesamten revolutionären Bewegung Kolumbiens. 

Hommage
47 Jahre nach seinem Tod bei einem Kampf in Patio Cement, Provinz Santander, erinnern wir an einen unserer Vorbilder und unermüdlichen Kämpfer für die revolutionäre Sache und für die Unterdrückten Lateinamerikas. Camilo stellt nicht nur für die Kolumbianer eine Figur dar, der für die Gerechtigkeit kämpfte, sondern seine Person wurde über die Grenzen hinweg bekannt, bei Christen und Nichtchristen, bei Afrikanern und Europäern, bei den Armen und Reichen.
Als Konsequenz seiner Prinzipien, die er als revolutionärer Christ erlangt und gesehen hatte, waren die christliche Nächstenliebe, Solidarität und Mitgefühl nicht nur leere Worthülsen. Den Katholizismus, den er während seines Priestertums und seiner intellektuellen Laufbahn verinnerlichte, wandte er an die Bedürfnisse des Volkes an. Er kritisierte die Hierarchien der Kirche und die damalige gängige Praxis der Ausbeutung der einfachen Leute. Er sah die soziale Realität in den Ländern und wollte diese zum Wohle der Mehrheit verändern.
Als Konsequenz dessen, versuchte er die marxistische Theorie mit den besten Prinzipien des Christentums miteinander zu vereinen. Er entschied sich, mit der Waffe für das Ende von Ausbeutung und Unterdrückung zu kämpfen, denn er sah in dem Staatsterrorismus, den Eingriff der USA in die kolumbianische Politik und der immer größer werdenden Kluft zwischen den Armen und den in Reichtum lebenden Menschen keine andere Möglichkeit. Zuvor waren politische Projekte wie die der Einheitsfront der Linken in Kolumbien aufgrund von brutaler Repression gescheitert.
Sein Beispiel des Kampfes, seine Verpflichtung den Menschen gegenüber, die Verbindung seiner Worte mit seinen Taten, seine Bemühungen zur Schaffung einer gemeinsamen Front der Jugend und Studenten und sein Antlitz eines revolutionären Guerilleros sind Vorbild für alle, die für ein neues bolivarisches Kolumbien und für eine bessere Welt kämpfen. Wir verstehen uns als Erben dieser Grundsätze und appellieren an die Organisationen und Zellen, die sich in den Dörfern, den Städten, den Stadtteilen, den Straßen, den Schulen und den Universitäten vereinen und für ein humanistisches und gerechtes Kolumbien kämpfen.

Sein Leben
Camilo Torres Restrepo wurde am 3. Februar 1929 in Bogotá geboren und stammte aus einer der vornehmsten Familien Kolumbiens. Camilos Vater war Arzt, Professor für Medizin an der Nationaluniversität und einige Zeit ihr Rektor. Zudem war der Vater im diplomatischen Dienst tätig, so zum Beispiel in den 1930er Jahren als Konsul in Berlin. Die Mutter kommt ebenso aus einer angesehenen Familie wie der Vater.
Camilo lebte als Kind einige Jahre in Europa, zurück in Bogotá besuchte er das Colegio Aleman in Bogotá und absolvierte sein Abitur an einer Privatschule. An der Nationaluniversität begann er das Studium der Rechtswissenschaften, brach es jedoch nach einem Semester wieder ab. Stattdessen trat er dem Priesterseminar bei, studierte Theologie und wurde im Jahr 1954 zum Priester geweiht. Er blieb nicht lange in Bogotá, sondern wurde zur Vervollständigung seiner Studien nach Europa geschickt.
An der Katholischen Universität in Löwen (Belgien) studierte er Soziologie und Politikwissenschaft. Seine zahlreichen Reisen und Arbeitsaufenthalte machten ihn mit dem gesellschaftlichen Leben in den europäischen Ländern bekannt. Unter anderem arbeitete er als Seelsorger in Berlin. 1959 kehrte Camilo nach Kolumbien zurück. Erneute an der Nationaluniversität angekommen, wurde er deren Universitätspfarrer und gründete mit anderen Sozialwissenschaftlern, erwähnt sei hier Orlando Fals Borda, die Fakultät für Soziologie, wo er vier Jahre lang Professor war.
In jener Zeit wandte er sich mehr und mehr der Politik zu. Er war Teil des Instituts für gesellschaftliche Agrarreform und versuchte mit der Gründung einer Zeitung und einer Partei, die unterprivilegierte Bevölkerungsmehrheit zu mobilisieren. Die politische Betätigung führte zum Bruch mit der Institution Kirche und er verlor alle seine Ämter. Mit der Partei Frente Unido fand er in der Bevölkerung, besonders in den immer schneller wachsenden Elendsquartieren der großen Städte, großen Anklang. Doch mit der Popularität der Frente Unido wuchs auch die Repression des Staates, die alle Veranstaltungen und ihre Zeitung verbot. Ihn blieb keine andere Möglichkeit, als sich der Guerilla anzuschließen und mit der Waffe für seine Ziele zu kämpfen. Bei einem Gefecht mit der Armee wird er heute vor 47 Jahren getötet.
Camilo verband seine christliche Soziallehre mit der Analyse der sozialen Wirklichkeit in den Ländern des Trikont. Er kam zu dem Entschluss, dass der Kampf um soziale Emanzipation die Befreiung der strukturellen Abhängigkeit sein muss. Der bestehende Zustand eines Systems kann nur durch eine sozialistische Revolution erreicht werden. Er gilt somit als klassischer Befreiungstheologe, der sich in den letzten Jahren seines Lebens jedoch von einer aufklärerischen und reformistischen Art hin zu einer Person entwickelte, die den politischen und sogar bewaffneten Kampf befürwortete, nachdem er die politischen Spielregeln und dessen Fragwürdigkeit durchschaute.

Strategische Aspekte
Doch wir wollen Camilo nicht nur hochloben lassen, sondern auch nur kurz strategische Aspekte seines Wirkens für die Revolution betrachten. Als die Nachricht vom Tod Camilos die Kolumbianer erreichte, machte sich Trauer und Enttäuschung breit. Nicht nur die Anhänger der Guerilla ELN und die Sympathisanten der ehemaligen Frente Unido, auch die Menschen der unteren Bevölkerungsschichten verfielen in eine lähmende Frustration. Die verfestigten Strukturen der Oligarchie konnten nicht einfach besiegt werden, zu groß schien die Macht der Oligarchie und bestehenden Herrschaftsklasse in Kolumbien. Der Tod von Camilo war sinnbildlich das Scheitern des Versuchs, Bevölkerungsschichten für den politischen Kampf zu mobilisieren. Das Charisma seiner Person war für viele Menschen das Symbol eines sich abzeichnenden Erfolges eines politischen Umsturzes. Doch weder mit der Frente Unido, noch mit der Guerilla konnte dieses Ziel erreicht werden. Zu fest war das starre und korrupte System in Kolumbien.
Auch wenn sich die politische Bewegung und alle Guerillagruppen erst nach einiger Zeit sowohl politisch als auch militärisch erholen konnten, so war mit Camilo Torres eine Person entstanden, die Signalwirkungen für den gesamten Kontinent hatte. Camilo als Priester und Christ, Camilo als Revolutionär und politischer Kämpfer, hatte enorme Auswirkungen auf die Bewusstseinsbildung für Christen und die armen Menschen. Camilo verstand, dass die herrschende Klasse ihre Macht nicht abgeben wollte und die mittlere Klasse nur daran interessiert war, mehr an der Macht teilhaben zu wollen, nicht aber um strukturelle Veränderungen herbei zu führen. Es ging hier quasi um die Bewahrung des Status quo, während Camilo erkannte, dass die Beseitigung von Armut, Unterdrückung und die Unwissenheit der Bevölkerungsmehrheit nur mit den betroffenen Schichten zu ermöglichen sei.
Dieser Versuch drückte sich in der Gründung der Einheitsfront Frente Unido aus. Das Bewusstsein der Massen sollte geweckt und vereint werden. Zuerst sollte der Kampf auf demokratische Weise erfolgen, nach dem Erkennen der Ausweglosigkeit radikalisierten sich jedoch seine Ansichten. Die vereinzelten Guerilla-Aktionen führten aber selten zu dem gewünschten Ergebnis, um die Massen zu mobilisieren. Letztendlich dauerte der Kampf von Camilo in der Guerilla nur vier Monate. Seine strategischen Konzepte wurden zwar in den kommenden Jahren mehr und mehr von den christlichen Inhalten bereinigt, doch mit Camilo entstand einer der großen revolutionäre des Jahrhunderts. Viel mehr als seine theoretischen Leistungen blieben die Merkmale seines Charakters in den Köpfen der Bevölkerung haften, die Konsequenz seines Handelns und die Erkenntnis, dass auf demokratischem Weg ein struktureller Wandel nicht vollzogen werden kann.

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Santrich: Thema der politischen Gefangenen

Jesús Santrich, einer der Delegierten der Verhandlungskommission der FARC-EP in Kuba berichtet ausführlich über die unmenschliche und extreme Situation der politischen und sozialen Gefangenen in den kolumbianischen Gefängnissen. Er sagt dazu: „Die kolumbianischen Gefängnisse sind menschliche Mülldeponien.“ Folter, medizinische Unterversorgung, Verstümmelungen und Überbelegung ist Teil der systematischen Verletzungen der Menschenrechte, klagte er in einem Interview an. 
 
Gegenüber Journalisten klagt Jesús Santrich die unmenschliche Situation der politischen Gefangenen in Kolumbien und die Zensur durch die Medien an. Nur selten berichten die Medien über die Zustände in den Gefängnissen Kolumbiens. Es gibt keine sozialen Dienstleistungen und nur ungenügende Versorgung mit allen zum Leben notwendigen Dingen, keinen regelmäßigen Zugang zu Trinkwasser, eine schlechte Qualität des Essens und verdorbene Lebensmittel, viele Krankheiten, kaum ärztliche Versorgung und somit einen schleichenden Tod auf Raten, es gibt Folter und Bedrohungen durch das Personal und Überbelegung und fehlender privater Rückzugsraum führen zu psychologischen Schäden. Zudem stehen die Gefängnisse teilweise unter Kontrolle von Mafiagruppen, die mit dem staatlichen Sicherheitspersonal (Inpec) zusammenarbeiten. Die Inhaftierten müssen oftmals jahrelang in den Gefängnissen ausharren, bevor der Prozess beginnt. Die Prozesse selbst sind jedoch häufig eine Farce und werden willkürlich und ohne Zugang zu anwaltlichen Beistand durchgeführt.
Die Gefängnisse sind dabei ein Spiegelbild der kolumbianischen Politik, die durch Repression und eine Politik auffällt, die sich nicht an den Bedürfnissen der einfachen Leute und Mehrheit des Landes orientiert, sondern an die Interessen der Oligarchie und transnationalen Konzerne. Die Situation in den Gefängnissen verdeutlicht die soziale und politische Misere des ganzen Landes. So ist es nicht verwunderlich, dass unter den Tausenden politischen Gefangenen viele aus den Gewerkschaften, den sozialen Bewegungen und Bauernverbänden kommen. Neben den politischen Gefangenen und Kriegsgefangenen der Guerilla bilden diese den größten Anteil. Schätzungen gehen von mindestens 7500 und bis zu 9500 politischen Gefangenen und Kriegsgefangenen aus, einen der höchsten Anteile in der Welt. In diesem Jahr wird wohl eine Zahl von insgesamt 130.000 Inhaftierten in den kolumbianischen Gefängnissen erreicht werden.
Der Willkürlichkeit der Festnahmen und Gerichtsprozesse sind dabei keine Grenzen gesetzt. Unter dem Ex-Präsident Uribe manifestierte sich eine Politik der Repression, Gefangennahme und Verurteilung von politisch und sozial engagierten Menschen, Kritikern und Gewerkschaftern. Die politische und soziale Opposition sollte durch diese Maßnahmen eingeschüchtert und zerstört werden. Es begann ein Krieg ohne Waffen, in dem sich das oligarchische System ihrer halblegalen Mittel bediente. Die Zahl der Gefangenen stieg enorm und neue Gefängnisse wurden gebaut. Diese Repression drückt sich auch in aktuellen Zahlen aus. So gehen offizielle Statistiken von einer Überbelegung von 33 Prozent aus, das heißt, dass die Zahl der überbelegten Inhaftierten bei 43.000 liegt.
Doch nicht nur die Gefangenen selbst sind den unmenschlichen Bedingungen und Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt. Auch die Familien und Freundeskreise der Gefangenen werden systematisch bedroht und unter Druck gesetzt. Besonders Angehörige und Familien von oppositionellen Kräften und der aufständischen Bewegung FARC-EP gehören zu den Opfern. Staatliche Sicherheitskräfte in Zusammenarbeit mit paramilitärischen Gruppen schüchtern die Familien und Angehörigen ein, Besuche werden nicht erlaubt, sie werden in der Öffentlichkeit als Guerilleros denunziert und im schlimmsten Fall umgebracht. Die Art der Repression im und außerhalb des Gefängnisses ist ein Mechanismus der sozialen Kontrolle des Staates seinen Feinden gegenüber.
Für die FARC-EP ist das Thema der politischen Gefangenen stetig präsent. Mehr als 1000 Guerilleros aus der politisch-militärischen Organisation sind inhaftiert. Immer wieder, wie aktuell durch Jesús Santrich, wird versucht, das Thema in die Öffentlichkeit zu tragen. In seinem Aufruf appelliert er an die kolumbianische Regierung und die Vereinigten Staaten, die menschlichen Werte der Gesellschaft zu respektieren. Santrich erinnert daran, dass an den Verhandlungen weiterhin der Kommandant Simón Trinidad fehlt, der in einem Gefängnis in den USA einsitzt. Bereits Ende des vergangenen Jahres gab es einen Bericht einer Kommission von Menschenrechtsgruppen und Kongressabgeordneten, die sich mit den Haftbedingungen der politischen Gefangenen und Kriegsgefangenen der FARC-EP auseinandersetzte. Daraufhin wurde zwar bekannt, dass es regelmäßige Treffen zwischen der Kommission und dem kolumbianischen Ministerium für Justiz geben werde, weitere Schritte wurden jedoch nicht genannt.  

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Desinformation der Medien

Im Zuge der Friedensverhandlungen in Havanna zwischen der Regierung und der aufständischen Bewegung FARC-EP fällt wieder einmal auf, auf wessen Seite die großen Medienkonzerne stehen. Hier wird eine permanente Anti-Stimmung zu den Verhandlungen geschürt und eine Meinung suggeriert, dass diese im Sinne des Landes hoffentlich platzen werden. Die Massenmedien veröffentlichen Stellungnahmen der kolumbianischen Politik, von Militärgenerälen und großen Wirtschaftsunternehmen, die alle eine kritische bis pessimistische Haltung an den Tag legen. Dass dabei nicht nur die Interessen der Oligarchie und Wirtschaftsunternehmen vertreten werden, sondern auch Pessimismus und Skepsis in die Bevölkerung transportiert wird, dürfte mit einkalkuliert sein. Großgrundbesitzer und Narcopolitiker wie der Ex-Präsident Uribe können unbehelligt ihre Propaganda und Feindbilder schüren. Währenddessen werden Stellungnahmen der FARC-EP gar nicht veröffentlicht oder verfälschend dargestellt. Außerdem wird in den Nachrichten ein permanentes Bedrohungsklima durch die Guerilla geschaffen, obwohl das Militär ihre Aktionen immer weiter ausweitet. Aktuell wird mit dem zehnten Jahrestag des Bombenanschlags auf den Nachtclub „Nogal“ eine Hysterie des Terrors verbreitet. Bis heute wird die FARC-EP für den Anschlag auf den noblen Nachtclub in Bogotá verantwortlich gemacht, in dem Politiker und Paramilitärs ein- und ausgingen und die dort ihre Geschäfte planten. Generell wird die FARC-EP als politische Organisation delegitimiert, auch wenn sie sich in Friedensverhandlungen befindet.

In Kolumbien gehören die Massenmedien den großen Unternehmen und Banken und befinden sich in den Händen der dominierenden Klasse. „El Tiempo“, die größte landesweit erscheinende Tageszeitung, gehört zum Beispiel der Familie des jetzigen Präsidenten Santos. Semana, Caracol und RCN gehören ebenfalls großen Medienkonzernen. Die Pressefreiheit ist jedoch in Gefahr, wenn die Massenmedien beeinflusst werden, um bestimmte Bilder und Nachrichten zu transportieren. Hier kann von Informationsmonopolen geredet werden, die sich in den Dienst des neoliberalen Wirtschaftsmodells stellen. Maßnahmen der Regierung und ihrer zugehörigen Klassen werden legitimiert. Die Demokratie ist in Gefahr, wenn kleine Radiosender, Zeitungen oder Internetseiten, aber auch Journalisten und kritikäußernde Personen staatlicher Repression ausgesetzt sind. Regelmäßig werden soziale und politische Bewegungen, bzw. generell sozialer Protest stigmatisiert. Für die Friedensverhandlungen, aber auch für das gesellschaftliche Klima in Kolumbien ist eine objektive Berichterstattung notwendig. Eine voreingenommene Sichtweise durch die Medien wird den Konflikt nicht entschärfen, sondern weiterhin Missgunst und Hass säen. Die FARC-EP und die sozialen Bewegungen des Landes, die an einem Frieden interessiert sind, betonen die Notwendigkeit für einen Dialog zwischen den Verhandlungspartnern, sowie in den Medien.
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Kampagne der FARC-EP für Verhandlungen

Die Verhandlungen auf Kuba zwischen der FARC-EP und der kolumbianischen Regierung haben diese Woche wieder begonnen. Doch momentan stehen die Verhandlungen unter keinem guten Stern, da die Regierung die Verhandlungsbereitschaft vermissen lässt und ihre Militäroperationen weiter ausbaut.

Am Donnerstag gab die Verhandlungsdelegation der FARC-EP ein Kommuniqué heraus, in der sie nochmalig auf die Notwendigkeit eines beidseitigen Waffenstillstandes hinwiesen. Bisher ist es so, dass die Verhandlungen in einem Klima der militärischen Aggression stattfinden. Verhandlungsführer der Regierung, Humberto de la Calle, lässt nicht aus zu betonen, dass die staatlichen Sicherheitskräfte weiter Operationen gegen die FARC-EP im gesamten nationalen Territorium durchführen werden, auch wenn es gleichzeitig zu Gesprächen zwischen den beiden Delegationen kommt. Die FARC-EP machte daraufhin erneut das Angebot, den Verteidigungsminister Pinzón und den General Navas zu diesen Themen einzuladen, um eine humane Lösung zu finden. Schließlich ist das Thema der Opfer ein zentrales in der Agenda der Verhandlungen. Doch genau in dieser Zuspitzung des Konfliktes gibt es zahlreiche Opfer. Es liege nun an der Regierung sich für den Frieden einzusetzen.
Am Freitag veröffentlichte die Verhandlungsdelegation der FARC-EP eine Liste mit Forderungen, die bisher von der Regierung abgelehnt wurden. Dazu sagte Iván Márquez, dass die Regierung Kolumbiens folgende Punkte negierte:
  1. Dass die Gespräche in Kolumbien stattfinden, also im Zentrum des Konfliktes.
  2. Dass Simón Trinidad an den Gesprächen teilnimmt.
  3. Ein bilateraler Waffenstillstand.
  4. Die politische und militärische Regulierung des Konfliktes, falls es zu keinem Waffenstillstand kommt.
  5. Die Teilnahme des Landwirtschaftsministers im sehr wichtigen Punkt der Agrarfrage.
  6. Die Teilnahme des Verteidigungsministers, um eine Waffenruhe zu diskutieren.
  7. Die Teilnahme der Zivilbevölkerung an den Friedensgesprächen.
  8. Eine verfassungsgebende Versammlung.
Der derzeitige Schwerpunkt der Guerilla ist es, eine Kampagne zum Schutz für die Friedensverhandlungen zu initiieren und die Öffentlichkeit über die aktuelle Situation aufzuklären.
In einem anderen Kommuniqué der Verhandlungsdelegation der FARC-EP wurde der Ex-Präsident Uribe kritisiert. Er gilt als ein Verfechter der militärischen Lösung des Konflikts, zu dem sprach er sich gegen Friedensverhandlungen mit der Regierung aus. Diese Ziele betont er auch in Bezug auf die Rückkehr in die kolumbianische Politik. Die FARC-EP bezeichnete ihn als eine unheilbringende Person, der einen Krieg gegen viele unschuldige und einfache Menschen führte. Er war verantwortlich für Krieg, Terror und den Tod von Tausenden von jungen Menschen im Zusammenhang mit den „falsos positivos“, Uribe sei ein Mafiosi und Paramilitär, seine Wahlkämpfe finanzierte er mit Drogengeldern und seine alten Freunde sitzen nun in den Gefängnissen in den Vereinigten Staaten. In dem Kommuniqué werden das Leben und seine Verantwortlichkeiten kurz skizziert. Außerdem rief die FARC-EP die Bevölkerung dazu auf, die Friedensgespräche zu verteidigen und solchen Torpedierungen keine Chance zu geben.
Für Diskussionsstoff sorgte weiterhin eine Erklärung der FARC-EP, dass sie sich weiterhin das Recht eingestehen, Kriegsgefangene zu nehmen. Dabei machte die Guerilla klar, dass es sich hierbei nicht um Entführungen handelt, sondern Polizisten und Soldaten in den Kämpfen festgenommen werden. Dies sei normal in jedem vergleichbaren militärischen Konflikt in der Welt. Schon seit Jahren macht die FARC-EP auf ihre politischen Gefangenen und Kriegsgefangenen in den kolumbianischen Gefängnissen aufmerksam, ein Austausch von Gefangenen wurde mehrmals seitens der Regierung abgelehnt. Stattdessen kommt es immer wieder zu einseitigen Freilassungen von Mitgliedern der staatlichen Sicherheitskräfte aus den Händen der Guerilla. Nun gab das Sekretariat des Zentralen Generalstabs der FARC-EP, das höchste Gremium der Guerilla, in einem Kommuniqué vom 1. Februar bekannt, dass sie zwei gefangengenommene Polizisten in Valle del Cauca und einen Soldaten, der in Nariño gefangengenommen wurde, mit Hilfe des Internationalen Roten Kreuzes freilassen werden.
Unterdessen gehen die Kämpfe in Kolumbien weiter. Mitte der Woche wurden mindestens vier Soldaten bei einem Angriff der 29. Kampffront der FARC-EP in der Provinz Nariño getötet, dazu konnte militärisches Material erbeutet werden. Ein Soldat wurde festgenommen, wird nun aber freigelassen werden. Die kolumbianische Armee tötete durch einen Bombenangriff auf ein Camp in der Region Córdoba den Kommandierenden der 5. Kampffront und weitere Guerilleros der FARC-EP. Am Freitag starben drei Polizisten bei einem Angriff der Guerilla in La Guajira. Aktuell gibt es Meldungen von Kämpfen aus der Region La Macarena, in der Provinz Meta. Hierbei sollen mindestens drei Guerrilleros getötet worden sein.
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Paramilitärischer Terror im Norden Kolumbiens

Während sich die Medien und große Teile der Öffentlichkeit auf den Friedensprozess zwischen FARC-EP und Regierung konzentrieren und dabei in jeder zweiten Nachricht die FARC-EP als verhandlungsunwillig kritisiert wird, können in vielen Teilen des Landes staatliche Sicherheitskräfte und paramilitärische Einheiten die Bevölkerung terrorisieren. Schon bei früheren Verhandlungen zwischen Guerilla und Regierung wurde die Situation von Militärs und Paramilitärs ausgenutzt, um die Durchsetzung ihrer Interessen zu verstärken (z.B. Militäroperationen oder Einschüchterungen durch Paramilitärs) oder gar die Verhandlungen zu torpedieren.
Auch aktuell gibt es aus dem ganzen Land Meldungen von Militäroperationen und Aktionen paramilitärischer Einheiten. Sowohl im Westen (Valle del Cauca), der Süden (Putumayo) als auch der Norden (Bolívar, Córdoba, Urabá) sind betroffen. Im Süden der Provinz Bolívar gibt es Berichte, dass es gemeinschaftliche Operationen von Militärs und paramilitärischen Gruppen gibt. Am 18. Januar wurden durch das ELN sechs Personen festgenommen, die nun in den Fokus von militärischen Operationen rücken. Staatliche Sicherheitskräfte, die jedoch zu keiner militärischen Einheit identifiziert werden können, sind von Antioquia aus in die Provinz Bolívar eingedrungen. Hier findet nun eine Zusammenarbeit mit örtlichen paramilitärischen Einheiten statt. Es ist kein Einzelfall, dass das staatliche Militär mit paramilitärischen Gruppen kooperiert und gemeinsame Aktionen durchführt. Leidtragend ist die Bevölkerung, die vertrieben, eingeschüchtert und bedroht werden. Nicht selten werden Bauern und andere Menschen der Zusammenarbeit mit den Guerillagruppen bezichtigt, was den Tod zur Folge haben kann. Einige Beispiele der Menschenrechtsverletzungen werden nun kurz dargestellt.

In der Gemeinde Tiquisio wuchs die Präsenz der Paramilitärs stetig und sorgte für Angst unter den Bewohnern, weil sie das soziale und ökonomische Leben beeinträchtigen. Es wurden verschiedene Kontrollpunkte auf Wegen und Straßen zwischen den Gemeinden und Dörfern errichtet, um die Mobilität der Menschen kontrollieren zu können. Es gibt Meldungen, dass Personen die einen Kontrollpunkt passieren wollen, die aber nicht bekannt sind, spurlos verschwinden. Außerdem werden Regeln (Ausgangssperre, Passierscheine) an die lokale Bevölkerung auferlegt und wenn man sich nicht daran hält, dann wird man bestraft. Auch von Formen der sozialen Säuberung wird berichtet. Am 14. Dezember vergangenen Jahres versammelten die Paramilitärs lokale Händler und Taxifahrer (in der Mehrheit Mototaxifahrer) auf einer Finca außerhalb der Gemeinde und sagten, dass sie von nun an das machen sollten, was sie sagen. Dies betrifft vor allem den kostenlosen Transport der Paramilitärs an jeden Ort.

Aus der Gemeinde Arenal werden vor allem Verstöße gegen die Menschenrechte seitens der staatlichen Sicherheitskräfte gemeldet. Der lokale Radiosender „Negrita Estéreo“ wird zum Beispiel dafür genutzt, um Informationen zu bekommen, eigene Programme zu senden und Kampagnen und Drohungen, vor allem gegen lokale Führer der sozialen Bewegungen, zu verbreiten. Weiter wird berichtet, dass eine Vielzahl unbekannter ambulanter Verkäufer, die nicht in der Region bekannt sind, den Handel übernommen hat. Dabei gibt es Verdächtigungen, dass sie auch in kriminelle Aktivitäten verwickelt sind. Auch zahlreiche Morde wurden in der letzten Zeit bekannt. Zwar werden dieser unter gewöhnlicher Kriminalität geführt, doch einige Fakten lassen daran Zweifel aufkommen. So wurden einer der Ermordeten zuvor von der Polizei festgenommen und verdächtigt ein Guerillero zu sein. Andere Bewohner wurden von maskierten unbekannten Personen erschossen und die Polizei weigerte sich trotz brauchbarer Hinweise, die Verfolgung aufzunehmen bzw. zu ermitteln. Zudem gab es einen Brandanschlag auf eine Farm einer sozialen Organisation, die sich sehr für die soziale Inklusion von benachteiligten Familien und Vertriebenen einsetzt, Einschüchterungen und Bedrohungen und eine stetige Präsenz von bewaffneten Kräften (Militärs und Paramilitärs) in den Straßen.

In der Gemeinde Santa Rosa del Sur sind die Streitkräfte ebenfalls verantwortlich für Belästigungen und Ängste gegenüber der Bevölkerung. So wurden im Dezember und Januar vier Menschen festgenommen, denen Terrorismusakte vorgeworfen werden. Es waren Minenarbeiter, die kleine Stangen Dynamit bei sich hatten, die gerade dafür ausreichten, um im Bergwerk Arbeiten verrichten zu können. Nach einer Zahlung von Bestechungsgeldern wurden alle freigelassen. Zeugenaussagen zufolge mussten sie jeweils fünf bis sechs Millionen Pesos an Militärs und Justizbeamte zahlen, dass sie nicht weiter belangt werden. Zwei Absichten liegen bei solchen willkürlichen Verhaftungen. Zum einen die Belästigung und Einschüchterung der Leute und zum anderen das lukrative finanzielle Geschäft auf Kosten anderer. Ähnliche Vorfälle gab es auch bei anderen Personen bzw. Händlern in der Gemeinde. Ihnen wurde vorgeworfen mit der Guerilla zu kollaborieren, auch sie mussten Geldzahlungen leisten.

Berichte über paramilitärischen Terror kommen nicht nur aus Bolívar. Ende Januar wurde ein Massaker aus der Provinz Córdoba bekannt, die als eine der Hochburgen der Paramilitärs gilt. Hier wurden sechs Bauern ermordet und vier weitere verschleppt. Die Bauern holte man aus ihren Häusern, entführte sie und tötete sie anschließend. Der Gouverneur der Provinz verharmloste wie so oft den paramilitärischen Terror und sprach von Streitigkeiten zwischen Gruppen von Drogenhändlern. Zu diesem Zeitpunkt wurden auch Anzeigen aus der Friedensgemeinde San José de Apartadó in der Provinz Urabá laut. Dort sollen am 27. Januar rund 50 Paramilitärs in verschiedene Dörfer der Gemeinde eingedrungen sein. Drei Bauern wurden verschleppt und einige Familien von ihren Grundstücken vertrieben. Immer wieder kommt es zu Vorwürfen über das Eindringen und Errichten von Stützpunkten der paramilitärischen Gruppen, ohne dass die Regierung dies verhindere. Rund 200 Menschen wurden seit der Bekanntgabe als Friedensgemeinde ermordet.
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