Mittlerweile wird das Ausmaß der Angriffe der ELN in der Provinz Norte de Santander und der Region Catatumbo deutlich. Zum Ende der letzten Woche gab es koordinierte Angriffe der ELN auf vermeintliche Strukturen der 33. Front der FARC-EP und alle, die nach ihrer Ansicht mit der FARC-EP kollaboriert haben. Momentan wird geschätzt, dass etwa 80 Menschen ums Leben gekommen sind, 20 verletzt wurden und rund 5.000 Menschen durch die Angriffe und Kämpfe vertrieben wurden. Die Auseinandersetzungen, die vor allem die Gemeinden Tibú, El Tarra und Teorama betroffen haben, haben sich in der Nacht von Freitag auf Samstag verschärft und führten zu Kriegsszenen, wie sie an paramilitärische Angriffe in den 1990er Jahren erinnern.
Vor allem ist die Zivilbevölkerung und soziale Anführer betroffen, die von der ELN ermordet und bedroht worden sind. Hierbei gehen sie der Auffassung nach, wer nicht mit der ELN zusammenarbeitet, ist automatisch ihr Feind. So sind Aktivisten und auch Friedensunterzeichner der ehemaligen FARC-EP betroffen, die sich in der Vergangenheit gegen den Konflikt gestellt haben und auf die massiven Bedrohungen der ELN aufmerksam gemacht haben. Es sind Aktivisten, die Mitteilungen und Mobilisierungen organisierten, in denen die ständigen Angriffe der ELN in der Region gegen die soziale Bewegung angeprangert wurden.
In einem Kommuniqué der ELN bezeichnet sie die ermordeten Friedensunterzeichen der ehemaligen FARC-EP als Milizionäre der 33. Front. Beweise werden nicht vorgelegt Es wird jedoch deutlich, dass alle, die sich für Frieden wie im Zuge des Friedensprozesses der FARC-EP mit der Regierung oder für andere Positionen einsetzen, automatisch als Feind deklariert werden. So ist auch die Vielzahl an ermordeten sozialen Aktivisten zu sehen. Bereits seit Herbst letztes Jahr hatten mehrere Menschenrechtsorganisationen der Region Warnungen vor möglichen gewalttätigen Angriffen ausgegeben. Das Aufbrechen des Krieges ist eine Entscheidung der ELN gewesen, um den Einfluss der FARC-EP in der Region zu brechen.
So soll die ELN ihre Kommandierenden in der Provinz Norte de Santander abgezogen und andere Leute entsandt haben, um den Krieg auszulösen. Zuvor soll es ein Abkommen zwischen der FARC-EP und der ELN gegeben haben. Doch der Einfluss des Generalstabs der Blöcke und Fronten der FARC-EP, die sich in Friedensverhandlungen mit der kolumbianischen Regierung befindet und dadurch auch große Versammlungen mit der Zivilbevölkerung durchführte sowie generell großen Einfluss in der Region hat. All dies führte zu einem Kontrollverlust der ELN, die bereits in den letzten Monat die Zivilbevölkerung massiv bedrohte und häufig nicht mehr als politisch-militärischer Akteur wahrgenommen wurde.
Es passt in die Gesamtstrategie der ELN, nun ihre letzten Territorien massiv mit Gewalt unter ihre Kontrolle zu bringen. Im Süden von Nariño im Südwesten Kolumbiens hat die ELN mit der Abspaltung der Comuneros eine gesamte Front verloren. Auch im Chocó, im Nordwesten Kolumbiens, hat die ELN an großen Einfluss verloren, da hier die paramilitärischen Kräfte des sogenannten Golfclans an Boden gewinnen konnten. Im Cauca konnte die FARC-EP unter Iván Mordisco und seinem Westblock die Dominanz ausbauen und auch im Magdalena Medio konnte die FARC-EP unter Calarcá und dem Block der FARC-EP mit der 33. Front und anderen Strukturen ihren politisch-militärischen Einfluss ausbauen, wobei vor allem die soziale und politische Tätigkeit der FARC-EP zugenommen hatte.
Wie weit der Krieg noch gehen wird, ist derzeit nicht klar. Bisher hielt sich die 33. Front der FARC-EP unter ihrem Kommandanten Andrey sehr ruhig, trotz der Angriffe der ELN. Auch ein Lager der FARC-EP wurde angegriffen und 7 Guerilleros getötet. Schwerwiegender dürften jedoch die zivilen Verluste sein, da alle die mit der Regierung, der FARC-EP oder mit Menschrechtsorganisationen zusammenarbeiten als Feinde und Infiltrierte bezeichnet werden. Ein Ende ist derzeit nicht absehbar, doch der politische Schaden an der ELN dürfte enorm sein. Die Frage bleibt, wie sich die FARC-EP verhält und ob die Friedensverhandlungen mit der Regierung fortgesetzt werden, auch wenn diese nicht in der Lage scheint, für Sicherheit zu sorgen. Aber auch dies könnte eine Strategie der ELN gewesen sein.