Der Frieden mit der FARC-EP, Zweites Marquetalia, die einst unter dem Kommando von Iván Márquez standen, rückt in weite Ferne. Denn zwei große Strukturen innerhalb dieser Allianz haben nun ihre Autonomie verkündet und sind nicht weiterhin Teil des Zweiten Marquetalia. Nach einem Schreiben von Iván Márquez an jene Strukturen, der nicht nur seine Unzufriedenheit im Friedensprozess verkündete, sondern ihnen auch nicht mehr erlaubte unter dem Namen des Zweiten Marquetalia aufzutreten, gaben die beiden Strukturen Comandos de la Frontera (Bolivarische Grenzkommandos) und die Coordinadora Guerrillera del Pacífico (Guerillakoordination des Pazifiks) ihre Entscheidung bekannt, unabhängig zu werden. „Wir distanzieren uns von der Bezeichnung Zweites Marquetalia und werden dieses Akronym von nun an nicht mehr verwenden“, heißt es in einem offenen Brief.
In dem Dokument weisen die Gruppen darauf hin, dass Iván Márquez, der ehemalige Kommandant der FARC-EP, der 2019 unter dem Namen „Zweites Marquetalia“ wieder zu den Waffen gegriffen hat, die Spaltung definiert hat. Sie erklären auch, dass sie die Verhandlungen mit der Regierung von Gustavo Petro fortsetzen wollen, „mit dem Ziel, ein großes Friedensabkommen zu erreichen, zusammen mit dem Volk, seinen Führern, seinen sozialen Basisorganisationen, den indigenen Völkern, den Afrokolumbianern und allen Sektoren, die sich dieser Friedensbewegung anschließen wollen“, heißt es in dem Schreiben. Die Entscheidung kommt damit nur wenige Tage nach der Veröffentlichung eines anderen Schreibens, das angeblich von Iván Márquez kommt.
Der Chefunterhändler in den Friedensgesprächen ist José Vicente Lesmes, besser bekannt als Walter Mendoza, ein ehemaliger Guerillakommandant im Westen Kolumbiens, der wie Márquez das Friedensabkommen unterzeichnet und dann wieder zu den Waffen gegriffen hat. Er gilt als großer Militärtaktiker und ist im Südwesten eine schillernde Figur, dort also, wo sich die beiden losgelösten Strukturen bewegen. Damit entfernt er sich von Iván Márquez, einst beste Freunde. Mendoza wiederum hat großen Einfluss in der Coordinadora Guerrillera del Pacífico, einer Struktur mit rund 700 bewaffneten Personen und einer starken Präsenz in der Pazifikregion der Provinz Nariño, insbesondere in Tumaco, wo sich die meisten Kämpfer dieser aufständischen Organisation aufhalten.
Seit Juni dieses Jahres, als die Gespräche offiziell begannen, war der Exekutive klar, dass es sich bei der Zweiten Marquetalia keineswegs um eine Organisation mit einem einheitlichen Kommando und einem definierten politischen Programm handelte, sondern um eine Koalition unterschiedlicher Strukturen, die sich unter einem gemeinsamen Dach zusammenfanden, um strategische Allianzen zu schmieden und sich an den Bemühungen von Präsident Gustavo Petro um einen vollständigen Frieden zu beteiligen. Im Moment herrscht Ungewissheit über die Zukunft dieses Verhandlungstisches und darüber, ob sich dadurch der Verhandlungsprozess und die Agenda für diejenigen, die am Verhandlungstisch bleiben, ändern werden.
Auch in der Provinz Cauca und in den angrenzenden Provinzen Valle del Cauca und Tolima rumort es innerhalb der FARC-EP, hier jedoch im Westblock unter dem Oberkommando von Iván Mordisco. Dieser entfernte sic ebenfalls aus dem Friedensprozess mit den Blöcken im Westen, Zentralkolumbien und im Osten. Im Krieg steht er mit den anderen Strukturen und den weiter im Friedensprozess verbleibenden Strukturen um Calarcá. Hier dividierte sich die FARC-EP ebenfalls und nun gibt es Gerüchte, dass auch ranghohe Kommandierende im West- und Zentralblock mit den Entscheidungen ihres Oberkommandierenden Mordisco unzufrieden sind. Es bleibt spannend, ob es auch hier zu einer weiteren Spaltung kommt und Strukturen ausscheren, um am Friedensprozess teilzuhaben. Mordisco entscheid sich damals für den Krieg, was zu großem Unmute in Teilen der FARC-EP, Zentraler Generalstab, führt.