In einem Kommuniqué des Zentralen Generalstabs der FARC-EP vom 30. Mai erkennt die Guerilla den Tod ihres ermordeten Kommandierenden Gentil Duarte an. Dabei wird Wert daraufgelegt, dass es nicht nur ein schwerer Schlag gegen die FARC-EP ist, sondern aufgrund der 41jährigen Erfahrung in der aufständischen Bewegung ein Schlag gegen alle Guerillas auf nationaler und internationaler Ebene. Gentil Duarte gehörte zu jenen Personen, die den mobilen Guerillakrieg perfektionierten, so das Kommuniqué.
„Der Zentrale Generalstab der FARC-EP grüßt herzlich und brüderlich das ganze kolumbianische Volk, alle Revolutionäre in der Welt, populäre und soziale Organisationen, progressive Parteien, Gewerkschaften, Studierende, Arbeitende, Frauen und Männer im Allgemeinen, unsere Guerilla-Einheiten im gesamten ausgebreiteten nationalen Territorium, Bolivarischen Milizen, die Zellen der PCCC, Bolivarische Bewegung für das Neue Kolumbien, an unsere politischen Gefangenen und an jeden, der bereit ist, gegen die ungerechten Irrtümer an jedem Ort der Welt zu kämpfen.
Wir bedauern, Ihnen mitteilen zu müssen, dass der kolumbianische Staat zusammen mit der Botschaft der Vereinigten Staaten am 4. Mai um 1:30 Uhr unter Ausnutzung des schmutzigen Krieges und auf niederträchtige Weise unser Kommandanten und Kamerad Gentil Duarte, feige ermordet wurde, während er mit seiner Partnerin in seinem Bett schlief (…)“ heißt es im Kommuniqué.
In dem Kommuniqué gibt es allerdings keinen Hinweis darauf, dass Iván Mordisco der neue Oberkommandierende ist. Allerdings hatte er bereits vor Tagen in einer Mitteilung an die Einheiten der Guerilla seine Befehlsgewalt kundgetan. Auch die verfeindete Guerilla ELN meldete sich zu Wort und gab bekannt, dass sie nichts mit dem Tod des Oberkommandierenden zu tun haben. Als Antwort auf den Mord an den Oberkommandierenden Gentil Duarte gab es mehrere Angriffe der Guerilla, vor allem im Südosten des Landes, wo die FARC-EP auch ihre Bastion hat. Die Angriffe ereigneten sich trotz eines zuvor am 24. Mai erlassenen einseitigen Waffenstillstandes im Zuge der Präsidentschaftswahlen.
So fanden Angriffe in den Provinzen Caquetá, Guaviare und Meta statt. Besonders im Fokus waren die Gemeinden Cartagena del Chairá, Caquetá, die Gemeinde San José del Guaviare in der gleichnamigen Provinz sowie in La Macarena und Vistahermosa in der Provinz Meta. Dabei gab es Verletzte auf Seiten der staatlichen Sicherheitskräfte, die im Mittelpunkt der Angriffe standen.
Während der Präsidentschaftswahlen konnte der fortschrittliche Kandidat Gustavo Petro zwar im ersten Wahlgang gegenüber den anderen Kandidaten gewinnen, doch in der notwendig gewordenen zweiten Runde kann Rodolfo Hernández, der von den Rechten unterstützt wird, rechnerisch die Mehrheit erlangen. Zuvor betonte die FARC-EP bereits im Kommuniqué zum Waffenstillstand: „Wir laden das gesamte kolumbianische Volk ein, für die Kandidaten zu stimmen, die bewiesen haben, dass sie dem Regime entgegentreten und mit voller moralischer und ethischer Autorität echte und programmatische wesentliche Veränderungen vorschlagen.“
Und weiter: „Das kolumbianische Volk zeigte seine Entscheidung zum Wandel während der gewaltigen und kämpferischen Demonstrationen im Zuge des nationalen Streiks im Jahr 2021. Das war eine tägliche Botschaft an die rückwärtsgewandte Oligarchie, wozu ein Volk, das des Elends, des Hungers und der Rückständigkeit überdrüssig ist, die uns der kolumbianische Staat unterworfen hat.
Die FARC-EP, die sich keiner Vereinbarung über Täuschung und Verrat unterworfen hat, setzt ihre Überzeugung fort, unblutige Lösungen zu suchen, die der großen Mehrheit echte Lösungen bieten. In diesem Sinne begleiten wir alle Bürger, um bei den Wahlen noch einmal zu zeigen, dass ihr Wunsch nach Veränderung und einer vielversprechenden Zukunft für alle Kolumbianer uns nicht aufhalten kann.“
Somit bleibt es auf politischer Ebene weiterhin interessant. Zum einen, wie die Guerilla den Wechsel ihres Oberkommandierenden vollziehen wird, der vor allem charakterlich und aufgrund seiner Kampferfahrungen eine schillernde Figur war. Zum anderen auch, ob es einen politischen Machtwechsel gibt und wenn nicht, ob es dann Auswirkungen auf die politisch-militärische Arbeit der Guerilla hat, wenn es grundlegendes Potenzial der unzufriedenen Menschen im Land gibt, aufgrund eines gescheiterten politischen Neuanfangs.