Am morgigen Mittwoch, den 23. Juni, trifft sich die ehemalige Präsidentschaftskandidatin Íngrid Betancourt zum ersten Mal mit den Verantwortlichen für ihre zwischen 2002 und 2008 stattgefundene Entführung durch Einheiten der FARC-EP. Das von der kolumbianischen Wahrheitskommission organisierte Treffen soll ein Akt der Anerkennung sein, in dem die ehemalige Senatorin ihre Aussage vor den Verantwortlichen der ehemaligen Guerilla FARC-EP machen wird.
Seit ihrer Rettung bei der „Operation Jaque“ am 2. Juli 2008 ist es das erste Mal, dass sich die bekannte Politikerin mit den ehemaligen Guerilleros trifft. Lange Zeit war ein Treffen auch deshalb undenkbar, weil sie sich durch ihre Aussagen trotz ihrer widrigen erfahrenen Umstände innerhalb der aufständischen Bewegung sehr unbeliebt machte. Außerdem werden andere bekannte Personen, die sich in der Gewalt der Guerilla befunden haben, an dem Treffen teilnehmen, darunter Alan Jara, der ehemalige Gouverneur der Provinz Meta.
Von Seiten der ehemaligen Guerilla werden die in heutigen Partei Comunes aktiven Rodrigo Londoño, Pastor Álape und Carlos Antonio Lozada anwesend sein. Anfang 2020 entschuldigten sich Rodrigo Londoño und andere Politiker der Partei in einem öffentlichen Brief bei den Opfern und räumten ein, dass es sich um einen „sehr schweren Fehler“ gehandelt habe. Bereits seit dem Friedensprozess und dem Verzicht auf das revolutionäre Gesetz 002, gab es zahlreiche auch interne Debatten.
Bei dem sogenannten Gesetz 002 zur Revolutionssteuer legte die FARC-EP im März 2000 fest, dass eine Friedenssteuer den Personen oder Körperschaften aufzuerlegen sei, deren Vermögen eine Million US-Dollar übersteigt. Sollte nach einer zweiten Vorladung keine Kooperation stattfinden, sollte eine Inhaftierung erfolgen. Eine andere Form der Gefangennahme war, wie im Fall von Íngrid Betancourt, das Faustpfand zur Freilassung von politischen Gefangenen und Kriegsgefangenen der FARC-EP aus den kolumbianischen Gefängnissen.