Algeciras in der Spirale der Gewalt

Als Ende Mai, also vor einer Woche, in der ländlich geprägten Gemeinde Algeciras neun Personen auf einer Kaffeefinca ermordet wurden, zeigte sich die schwierige Sicherheitslage und die prekäre Situation dieser Gemeinde, die im Südosten der Provinz Huila liegt. Seit 2020 wurden bereits über 40 Einwohner getötet und Hunderte vertrieben. Auch wenn die Landwirtschaft hier stark vertreten ist, so zählt Algeciras zu den ärmeren Gemeinden in Huila. Und wie so häufig ist der Staat, außer in seinen staatlichen Sicherheitskräften mitsamt ihrer Repression, kaum präsent. Dabei hegte die lokale Bevölkerung nach dem Abschluss des Friedensabkommens zwischen der FARC-EP und der Regierung große Hoffnungen auf Frieden und Entwicklung, doch sie wurden bitter enttäuscht. Zudem verdeutlicht Algeciras einmal mehr, wie wichtig es gewesen wäre, die vom Konflikt betroffenen Gemeinden stärker politisch und wirtschaftlich zu unterstützen.

Leider ist Gewalt und der bewaffnete Konflikt in dieser Gemeinde nichts Neues. Die geographischen Bedingungen und seine Lage im nationalen Territorium machen Algeciras zu einem strategischen Korridor zwischen Caquetá und dem Osten des Landes mit dem Zentrum und dem Westen des Landes. Algeciras war in Zeiten der sogenannten Violencia in den 1950er Jahren Schauplatz von Konfrontationen und wurde mit dem Entstehen der Guerilla FARC-EP in den 1960er Jahren zu einer Bastion der aufständischen Bewegung. Die Bevölkerung akzeptierte die Schutzmacht gegen repressiven Staat und Paramilitärs und die Guerilla hatte mit der östlichen Kordillere eine bergige Region mit vielen Unterschlupfmöglichkeiten. Von 1965 bis 2013 griff der militärische Ostblock der FARC-EP zwölfmal die Gemeinde an und nahm die Stadt viermal ein. Besonders stark waren hier die 3. Front und vor allem die mobile Kolonne Teófilo Forero.

Nachdem im Rahmen der Waffenniederlegung zuerst Ruhe in die Gemeinde einkehrte, ist nun die Gewalt erneut zurück. Dabei ist manchmal nicht ganz klar, wer hier für die Gewalt verantwortlich ist, denn paramilitärische Strukturen schüren im Rahmen von Massakern, Bedrohungen und falschen Informationen Angst und nutzen dabei häufig die Namen von Strukturen der neuentstandenen FARC-EP. Fakt ist aber auch, dass sich neue Strukturen der FARC-EP in der Gemeinde positionierten. Seit 2018 und vor allem im letzten Jahr zeigten sich Strukturen wie eine Einheit Manuel Marulanda Vélez, eine Kommission der 62. Front, eine Einheit Óscar Mondragón der Kolonne Teófilo Forero der FARC-EP, Zweites Marquetalia, aber auch Personen aus der ehemaligen mobilen Kolonne Teófilo Forero, die sich nicht der FARC-EP, Zweites Marquetalia zugehörig fühlen.

Es folgte, wie so häufig in Kolumbien, eine Militarisierung der Gemeinde, jedoch ohne den Konflikt damit lösen zu können. Zum einen sind Armee und Polizei nur an wenigen Punkten stationiert und haben aufgrund der geographischen Bedingungen keinen Überblick über die Gemeinde. Vor allem jedoch muss der Konflikt politisch und ökonomisch gelöst werden, durch Investitionen in die Gemeinden, in die Infrastruktur und sozialen Dienstleistungen. Solange hier keine Entwicklungen stattfinden, solange der Konflikt, die Ungleichheit, die Korruption und die Umsetzung des Friedensabkommens nicht stattfinden, solange wird der strukturelle Konflikt auch nicht gelöst werden. In die Umsetzung zählen zum Beispiel die 170 Gemeinden, darunter Algeciras, die gemäß dem Abkommen mit einem Entwicklungsprogramm mit territorialem Ansatz (PDET) priorisiert wurden. Dies bedeutet Investitionen in den am stärksten vom Krieg betroffenen Gemeinden.

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