Demobilisiert, aber nicht entwaffnet – kolumbianische Paramilitärs existieren weiter

Die letzten Wochen zeigen es deutlich. Der Paramilitarismus existiert weiterhin mit starken Strukturen in Kolumbien, sowohl auf dem Land als auch in der Stadt. Während auf dem Land vor allem lokale Anführer*innen, Ex- Guerilleros oder linke Aktivisten die Opfer sind, machen die Paramilitärs in der Stadt Jagd auf Demonstrierende. Immer wieder sind Fotos von zivilen Personen mit Schusswaffen neben Polizeieinheiten aufgetaucht. Dies verdeutlicht die engen Verbindungen der staatlichen Sicherheitskräfte zu paramilitärischen Einheiten.

Auch andere paramilitärische Strukturen sind im Land präsent. Sie agieren losgelöst von einander und doch konzentriert gemeinsam. Zum einen geht es darum, ein Klima der Angst und des Durcheinanders zu schüren. Ziel ist dann die Militarisierung und die Vernichtung des politischen linken Gegners. Zum anderen gibt es auch Strukturen, die oftmals auch im Namen der Guerilla Terror schüren oder Personen erpressen. Und im Zuge des nationalen Streiks und der vielseitigen Massenproteste wurden regionale neue Selbstverteidigungstruppen in der Tradition der alten paramilitärischen Strukturen gebildet.

Immer wieder werden von der kolumbianischen Justiz aus diesen Einheiten Personen festgenommen, die vorher schon in paramilitärischen Einheiten aktiv waren. Dies zeigte sich bei der Festnahme der Staatsanwaltschaft von sechs Personen der sogenannten „Marqueteños“ in der Provinz Caldas, wo ein Teil der Festgenommenen zu den demobilisierten Vereinigten Selbstverteidigungskräften Kolumbiens (Autodefensas Unidas de Colombia – AUC) gehörten. Sie war eine große paramilitärische Armee, die während des bewaffneten Konflikts des Landes Zehntausende von Menschen tötete. Bei den Festgenommenen handelte es sich um Personen, die zudem am Gerechtigkeits- und Friedensprogramm für AUC-Mitglieder teilnahmen.

Im Mai wurde aber auch eine bekannte Person in der Provinz Meta festgenommen, die dort mit einer paramilitärischen Struktur in der Region von Puerto Lleras aktiv war. Der Norden von Meta war schon immer ein Epizentrum des Paramilitarismus. Andere Regionen waren Antioquia, aber auch der weite Norden Kolumbiens. Während also mit dem moralischen Finger auf die Guerilla gezeigt wird, sollte sich der Staat auch mit dem weiterhin existenten Problem des Paramilitarismus auseinandersetzen, der zunehmend an Stärke gewinnt. Gefördert wird er durch die Polemik der Regierung unter Duque, die den Frieden permanent angreift und eine linke castrochavistische Gefahr beschwört.

Große Strukturen existieren mit den „Caparros“ die nach der Entwaffnung der FARC-EP und dem Aufhören der 18. und 36. Front vor allem in Antioquia und Córdoba aktiv sind. Sie gehörten zuerst den „Urabeños“ an, lösten sich dann aber von ihnen ab. Die größte nationale Struktur ist der sogenannte „Clan del Golfo“, auch unter dem Namen der bereits erwähnten Urabeños sowie Autodefensas Gaitanistas de Colombia bekannt. Sie sind ebenso aus den demobilisierten rechtsgerichteten Paramilitärs entstanden und ausgehend vom Nordwesten in vielen Provinzen des Landes aktiv. Der Struktur gehören bis zu 4000 Personen an.

Mehr als 15 Jahre nach der Verabschiedung des Gesetzes über Gerechtigkeit und Frieden von 2005 – dem Rechtsrahmen, unter dem die AUC-Paramilitärs demobilisiert wurde – terrorisieren weiterhin Kriminelle, die in der Vergangenheit paramilitärischen Gruppen angehören, Kolumbien. Damals wurden nur ganz wenige zu im Vertrag vereinbarten verkürzten Haftstrafen verurteilt, stattdessen wurde die Mehrheit begnadigt und mit finanziellen Mitteln und Stipendien zur vermeintlichen Wiedereingliederung ausgestattet. Es ist eine Farce, wenn viele der ehemaligen Anführer heute wieder in diesen Strukturen auftauchen und Gewalt säen oder die Politik mit den Paramilitärs kooperiert.

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