Seit nunmehr zwei Wochen hält der indigene Streik, Minga genannt, im Südwesten des Landes, vor allem in Cauca, an. Indigene Gruppen und soziale Bewegungen demonstrieren durch Blockaden der wichtigen Panamericana sowie vielfältige andere Aktionen für das Einhalten der Verpflichtungen seitens der Regierung, die unter anderem die Regierung unter dem ehemaligen Präsidenten Santos mit der indigenen Dachorganisation CRIC und ONIC abgeschlossen hatten. Zudem demonstrieren sie für den Erhalt des Friedensabkommens und eine zügige Umsetzung, denn Cauca ist eine der am schwersten betroffenen Regionen des sozialen und bewaffneten Konfliktes.
Der aktuelle Präsident Duque hat kein Interesse an Vereinbarungen mit den indigenen Organisationen und betont, dass nicht er den Vertrag abgeschlossen hat und kein Geld vorhanden ist. Hier zeigt sich ein typisches Problem, auch in Bezug auf den derzeitigen Friedensvertrag zwischen Regierung und FARC, dass Vereinbarungen und Verträge oftmals keinen Wert haben und sie von Regierung zu Regierung unterschiedlich bewertet werden. Hier gibt es eine Diskrepanz zwischen Staat und Regierung, denn eigentlich unterzeichnen die Regierungen im Auftrag des kolumbianischen Staates ihre Vereinbarungen, die dann aber bei einem Regierungswechsel nicht anerkannt oder verändert werden.
Eine der Hauptforderungen der Indigenen ist es, mit Präsident Duque persönlich zu reden. Dieser jedoch will nicht in den Cauca, solange dort Blockaden aufrechterhalten werden. Mit dieser Pattsituation und einer Ausweitung des Streiks spitzt sich nicht nur die Versorgungslage zu, sondern auch die Spannungen im Bereich der öffentlichen Ordnung. So gab es mehrmals gravierende Angriffe der Aufstandsbekämpfungseinheit der Polizei ESMAD auf Protestierende und zuletzt gar einen Angriff auf ein Lager von Demonstrierenden, bei dem acht Personen starben, darunter mehrheitlich Indigene. Es wird vermutet, dass paramilitärische Kräfte im Auftrag der Regierung dahinterstecken. Zudem wurden mehrere Agenten der staatlichen Sicherheitskräfte unter den Demonstrierenden enttarnt.
Auch die Guerilla weitet ihre Angriffe im Cauca aus. So gab es im Cauca mehrere Anschläge in weniger als 12 Stunden, die mutmaßlich von dissidentischen Personen der ehemaligen 6. Front der FARC-EP verübt worden sind. Zum einen sollen diese Anschläge den Protest in der Region auf militante Art und Weise unterstützen und den Sicherheitskräften verdeutlichen, dass es keine ruhigen Rückzugsorte für sie gibt, zum anderen wurden diese in Erinnerung an den Todestag des FARC-Gründers Manuel Marulanda Vélez verübt, der am 26. März 2008 verstarb. In der Guerilla ist es üblich, Offensiven und militärische Aktionen in den Rahmen von Gedenktagen einzubetten.
Der erste Anschlag ereignete sich in der Gemeinde Caloto, am Montag um Mitternacht, als eine Finca mittels eines Sprengsatzes angegriffen wurde, wo Polizei und ESMAD stationiert waren. Eine halbe Stunde später gab es einen weiteren Anschlag, aber dieses Mal in der Gemeinde Santander de Quilichao, wo ein Sprengsatz an der Panamericana explodierte und die Straße zerstörte. In den frühen Morgenstunden des Dienstags explodierte in mit Sprengstoff beladenes Motorrad auf dem zentralen Platz von Miranda, direkt am Rathaus. Später, am Dienstag, um 5 Uhr morgens in der Früh wurde die Polizeistation in Toribío angegriffen und ein paar Stunden später die Polizeistation in Morales. Andere Medien berichten außerdem von einem Angriff auf die Militärbasis in Corinto. Bei den Angriffen gab es keine Toten, sondern nur Verletzte zu beklagen.
Diese Angriffe erinnerten stark an die Zeit des Krieges zwischen dem kolumbianischen Staat und der Guerilla FARC-EP. Bereits vor einer Woche starb ein Polizist der Aufstandsbekämpfungseinheit ESMAD. Hier kam es zu einem mutmaßlichen Angriff der dissidentischen FARC im Ort La Agustina, Gemeinde Mondomo, als die Polizei die Straße gewaltsam räumen wollte. Dieser Punkt gilt als strategisch wichtig, weil von hier aus ein Großteil der Panamericana kontrolliert werden kann, die die Provinzen Valle, Cauca und Nariño verbindet. Immer wieder berichten Offizielle, dass Dissidenten der FARC in die Proteste involviert sind, ohne jedoch Beweise vorlegen zu können.
Offen ist noch ein anderer Punkt, der vor allem die Beziehung zwischen den Dissidenten der FARC und den indigenen Gemeinschaften betrifft. Zuletzt gab es auch hier Spannungen, weil die indigenen Organisationen mehrmals Guerilleros der dissidentischen FARC festnahmen, weil sie in ihrem Territorium agierten. Daraufhin erklärte die 6. Front der FARC die Repräsentanten der Indigenen zum militärischen Ziel. Noch zu Zeiten der FARC-EP gab es regelmäßige Vereinbarungen zwischen Guerilla und Indigenen Organisationen, um Leben und Territorium zu respektieren. Es darf jedoch nicht vergessen werden, dass in der 6. Front und in der mobilen Kolonne „Jacobo Arenas“ viele Indigene aktiv waren und sind, obwohl es aufgrund der territorialen Lage und den verschiedenen politischen und kulturellen Auffassungen zu Interessenskonflikten zwischen beiden Akteuren kommt.