FARC-EP Historie

SELBSTDARSTELLUNG FARC-EP

Wer ist die FARC-EP?

Die Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens – Volksarmee (FARC-EP) ist eine politisch-militärische Organisation, kolumbianische Aufständische, stolze Subversive. Wir haben nichts mit Kriminalität oder Banditen zu tun.

Wir sind marxistisch-leninistisch und bolivarisch, Kommunisten, nicht „pro-sowjetisch“ oder „pro-castristisch“, obwohl wir uns mit den Grundsätzen der beiden Revolutionen identifizieren, insbesondere mit der kubanischen Revolution, die die Welt mit Stolz und Würde erleuchtete. Darüber hinaus sind diese Begrifflichkeiten Teil der Kalten Krieg Terminologie.

Wir verwenden Pseudonyme als unsere „Kampfnamen“, was in der Regel der Name eines hervorragenden Kameraden oder geliebten Menschen ist. Der Begriff „alias“, wie er von der bürgerlichen Presse verwendet wird, hat negative Konnotationen und bezieht sich auf Banditen oder Kriminelle, die wir nicht sind.

Wir haben nie entführt. Wenn wir eine Person festgenommen haben, dann in der Regel wegen seiner Weigerung, revolutionäre Steuern zu zahlen, wir nennen es eine „finanzielle Inhaftierung“, nicht Entführung. Im Februar 2012 trafen wir die souveräne Entscheidung diese finanziellen Verhaftungen zu beenden.

Die Verhaftungen aus politischen Gründen können ebenso wenig als Entführung angesehen werden, sie sind Formen der Ausübung von Volksjustiz, vor allem gegen korrupte Politiker. Es ist die Umsetzung unseres Gesetzes 003 gegen die Korruption.

Im Kampf festgenommene Militärs und Polizisten werden auch nicht entführt, sondern sie werden nach den internationalen Gesetzen Kriegsgefangene genannt.

Als Volksarmee führen wir Militäraktionen gegen den Klassenfeind und seinen Repressionsapparat durch. Unsere Maßnahmen zielen nie darauf ab, die Zivilbevölkerung zu schaden. Generell werden unsere Aktionen als Teil ihrer kriegerischen Desinformation durch die Massenmedien als Angriffe gegen die Bevölkerung präsentiert.

Es ist bemerkenswert: Für die Massenmedien gibt es zwei Klassen von im Kampf Gefallenen, unsere sind Opfer, im Kampf gefallen, während ihre ermordet oder getötet werden.

Wir haben eine Gesetzgebung, die Unterordnung unter dem höheren Befehl und eine feste Befehlskette, diese Struktur und all die Eigenschaften legitimieren uns als kriegführende Kraft, abgesehen von der Unterstützung der Bevölkerung, die wir haben. Es ist absolut falsch, dass wir isoliert sind oder dass wir unsere politische Linie verloren haben.

Der Drogenhandel ist ein tödliches Problem für die Allgemeinheit, eine Eigenheit des Kapitalismus, in dem es darum geht, einfach und schnell Geld zu verdienen. Unsere Theorie und unsere Praxis zeigen, dass wir damit nichts zu tun haben. Aus dem Pentagon, verfolgen die Nordamerikaner eine Politik ihrer lokalen Vasallen und nutzen den Drogenhandel als eine Entschuldigung für ihre neuen Kolonisierungspläne.

Ein weiteres wiederkehrendes Thema in den desinformierenden Medien ist der Terrorismus. Es gibt keine Definition davon. Der große spanische Dramatiker und Schriftsteller Alfonso Sastre definiert die Situation sehr gut, wenn er sagt, dass der Widerstand der schwachen Terrorismus genannt wird, während die Empörung der Mächtigen als Gerechtigkeit benannt wird.

Der Guerillakampf ist ein legitimer Weg für die der Eroberung der Rechte von Menschen. In unserem Fall, hat der gewalttätige und repressive Charakter der Regierung, auf Befehl der Vereinigten Staaten, uns keine andere Wahl gelassen und seit dem Moment, als wir unseren Kampf begannen, haben sich die Gründe für die Auseinandersetzung nicht nur noch nicht gelöst, sondern sie sich erhöht.

Unser Ziel ist nicht der Krieg. Das ist es, warum wir immer unser Banner und unsere Vorschläge für den Frieden hochgehalten haben. Der Staat, die herrschende Klasse, das Weiße Haus und die verschiedenen Regierungen haben immer wieder die Versuche, den Frieden durch einen Dialog zu finden, unterbrochen, wenn ihnen bewusst wurde, dass eine bedingungslose Kapitulation der Guerilla, wie sie es vorgeben, nicht möglich geworden ist.

Nun gibt es einen neuen Versuch. Wir unterstützen ihn mit Sicherheit und Glauben. Es ist möglich eine Lösung zu finden, wenn die Ursachen des Krieges gelöst werden.

Friedensdelegation der Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens – Volksarmee

 

Was ist die Nationalkonferenz der Guerilleros?

Die Konferenz, das heißt der Kongress der FARC-EP übt die revolutionäre Demokratie, die proletarische Demokratie aus, nicht die Demokratie des revolutionären Kleinbürgertums, sondern die Demokratie der revolutionären Proletarier, die heute das bilden, was wir sind. In den Konferenzen stellt sich alles auf der Grundlage der These und des Studiums der aktuellen Phänomene die die kolumbianische Gesellschaft beeinflussen ein. Mit dieser Grundlage erarbeiten wir die Schlussfolgerungen, um zu wissen, was wir tun können, wie wir den revolutionären Prozess vorantreiben und wie die Konfrontation der militärischen Ordnung und natürlich auch der politischen Ordnung sein wird.

Für die FARC-EP sind die politischen und militärischen Aktivitäten durch die Ergebnisse ihrer nationalen Konferenzen geregelt, durch ihre Verordnungen, Statuten, Befehlsregeln und die von der Konferenz verabschiedeten Leitlinien des Strategieplans. Das bedeutet folgendes, dass das, was getan wird oder nicht muss unbedingt dazu beitragen das Ziel zu erreichen.

Es ist notwendig, dass die Entwicklung des strategischen Plans als Aufgabe der ganzen Bewegung gesehen werden muss und nicht nur der Direktion. Die Unterordnung zu den Befehlen und Bestimmungen der höheren Befehlsstellen und dem Oberbefehlshaber, ist eine Standard-Pflicht für alle Kämpfer.

Bisher wurden neun nationale Konferenzen abgehalten.

Link zur spanischen Beschreibung

 

KURZE HISTORIE DER FARC-EP

Diese Geschichte stellt subjektiv, aber kritisch die Entwicklung der FARC-EP dar, soll aber andererseits keinen Anspruch auf Vollständigkeit beinhalten.

LA VIOLENCIA UND NATIONALE FRONT

Nach der Ermordung des linkspopulistischen Politikers Jorge Eliecer Gaitán im Jahr 1948, brach eine Gewaltwelle über das Land hinein, was als „Violencia“ („Die Gewalt“), bezeichnet wurde. Diese Phase der Gewalt dauerte bis 1958 an, wenn gleich die letzten Jahre eher als Verteilungskämpfe um Macht und Boden stattgefunden haben. Mehr als 300.000 Menschen wurden in dieser Zeit getötet, die große Mehrheit von ihnen waren Bauern und Tagelöhner die in ländlichen Gebieten lebten. Ziel der konservativen Kräfte war die Vernichtung der Liberalen und der Bauern, die sich in Landbewegungen zusammengeschlossen hatten. Diese hatten letztendlich auch die meisten Opfer zu beklagen. Die Militärdiktatur von Rojas Pinilla ab 1953 konnte die Gewalt zwar dämpfen, ein Ende fand diese jedoch erst 1958.

Im Jahr 1958 handelten die Eliten von der liberalen und konservativen Partei, zusammen mit Kirche und Wirtschaft, eine Vereinbarung aus, so dass ein politischer Pakt geschlossen werden konnte, in dem sich beide Parteien abwechselnd die Macht sichern sollten. Dieser Pakt wurde als „Nationale Front“ bezeichnet. Die beiden Parteien einigten sich zwar Wahlen abzuhalten, die Wahlergebnisse hatten jedoch keinen Einfluss auf den Pakt und das nun starre politische System. Beide Parteien entschieden, dass der Pakt die nächsten 16 Jahre laufen, also bis zum Jahr 1974 andauern sollte. Faktisch gesehen hatten beide Parteien auch darüber hinaus die politische Stellung gesichert. Dies ermöglichte eine Konsolidierung der Macht zwischen kolumbianischen konservativen und liberalen Eliten, bei gleichzeitiger Stärkung des Militärs und der Verhinderung von politischen Alternativen und notwendigen Reformen.

In den 1960er Jahren begann die kolumbianische Regierung mit der Politik zur Förderung von großindustriellen Betrieben, welche für den Export produzierten, anstatt kleinere Betriebe zu fördern, die für den lokalen Verbrauch produzierten. Die Regierung subventionierte Großgrundbesitzer, während kleine Bauern auf dem Land um ihre Existenz kämpften und sich so dem Großgrundbesitz unterwerfen sollten. Eine sehr große Zahl von Kleinbauern wurde von ihrem Land verdrängt und gezwungen, in die städtischen Zentren zu gehen, wo sie als billige Arbeitskräfte für die wachsende industrielle Wirtschaft in den kolumbianischen Städten zu arbeiten hatten. Bis 1969 gab es über 400.000 landlose Familien in Kolumbien, mit einer jährlichen Steigerung von 40.000 Familien. Bis 1970 waren rund 77% des Landes in Kolumbien in der Hand von Großgrundbesitzern, so dass ca. 70% der Anbauflächen in Kolumbien nur 5,7% der Bevölkerung gehörten. Die soziale Situation der Bauern war mehr als prekär, Unterernährung und mangelnde medizinische Grundversorgung waren unter Landarbeitern in den frühen 1960er Jahren Gang und Gebe, was zu vielen Krankheiten und einer hohen Kindersterblichkeit führte. Hinzu kam die Unzufriedenheit mit dem politischen System, welches aufgrund des Paktes eine Partizipation ausschloss.

KOMMUNISTEN UND SELBSTVERTEIDIGUNG

Kommunisten waren im ländlichen und städtischen Kolumbien unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg aktiv. Die kolumbianische Kommunistische Partei (Partido Comunista Colombiano, PCC) wurde offiziell in den 1930er Jahren gegründet. Die PCC begann schließlich mit der Gründung von Bauernvereinigungen in ländlichen Gebieten und forderte bessere Lebens-und Arbeitsbedingungen, mehr Bildung und Rechte für die Arbeiterklasse. Im Programm war ständig die Forderung nach einer gerechten Agrarreform zu vernehmen. Diese Bauernvereinigungen begannen sich zu vernetzen um eine Abwehrfront gegen die staatlich geförderte Gewalt der Großgrundbesitzer zu bilden. Die Mitglieder organisierten Streiks, Proteste, Landbesetzungen und organisierten die Selbstverteidigung der Gemeinden, besonders im zentralen Süden Kolumbiens. Sie verteidigten sich gegen die staatliche konservative Aggression und versuchten gleichzeitig für den Lebensunterhalt und die Bedürfnisse der Bevölkerung zu sorgen. Ziel war es in Ruhe und Selbstorganisation in jenen Gemeinschaften leben zu wollen. Der Geheimdienst des US-Militärs ging davon aus, dass im Jahr 1962 die Größe der PCC auf 8.000 bis 10.000 aktive Mitglieder gewachsen war und zusätzlich 28.000 Unterstützer auf dem Land vorhanden waren.

Die konservative Lleras-Regierung wollte mit den „unabhängigen Republiken“ ein für alle Mal brechen und versuchte unter anderem auf die „Republik Marquetalia“ einen Angriff loszuschlagen. In der Regierung und bei den USA gab es Befürchtungen, dass nach der kubanischen Revolution weitere Länder dem Beispiel folgen könnten. In Marquetalia, der angeblich bekanntesten „Republik“, lebten einige Familien und der Anführer Manuel Marulanda Vélez.

PLAN LAZO (Laso)

Schon im Oktober 1959 schickten die Vereinigten Staaten eine Sondereinheit der Aufstandsbekämpfung nach Kolumbien, um die innere Sicherheit Kolumbiens und die politisch-militärische Situation zu untersuchen. Im Februar 1962, drei Jahre nach der ersten Untersuchung, kam es zu einer zweiten Untersuchung unter dem US-Militär. In einer geheimen Erklärung zum Bericht ermutigte man die Politik und die kolumbianischen Militärs zur Aktionen und zu paramilitärischer Gewalt gegen die Kommunisten auf dem Land.

Die neue Aufstandsbekämpfungs-Politik wurde als Plan Lazo/Laso im Jahr 1962 eingeleitet und nachdem bereits unter dem Diktator Rojas Pinilla erste Militäraktionen stattgefunden hatten, so sollte nun der große Schlag erfolgen. Neben dem Militär sollten auch zivile „Selbstschutz-Gruppen“ die Armee unterstützen. Diese dienten vor allem der Infiltrierung, der Spionage und um Informationen über die Guerillaaktivitäten zu sammeln. Mittlerweile hatten sich auch die Bauern organisiert, da von Angriffen des Staates auszugehen war. Von einer offiziellen Guerilla konnte hier aber noch keine Rede sein.

Auf Geheiß der Vereinigten Staaten begann die kolumbianische Regierung die Gemeinden, die sich in den 50er und 60er Jahren gegründet hatten und die Gebiete wieder unter „staatliche“ Kontrolle zu bringen. Die FARC wurde im Mai 1964 von Manuel Marulanda Vélez und anderen PCC Mitglieder und Bauern, nach einem militärischen Angriff auf die Gemeinschaft der Bauern in Marquetalia gebildet. 16.000 kolumbianische Truppen, unterstützt von den USA, griffen die „Republik“ an, nur 48 von ihnen waren als Selbstverteidigungsgruppe bewaffnet. Marulanda und 47 andere zogen sich in die Berge zurück um den Kämpfen zu entgehen. Diese 48 Männer bildeten den Kern der FARC, die im Laufe der Zeit nach mehreren Konferenzen und Zusammenschlüssen wuchs. Bereits kurz nach Militäroperation wurde ein revolutionäres Agrarprogramm verabschiedet und die Selbstverteidigungsgruppe wurde zu einer mobilen Guerilla mit nationalen Zielen.

SIEBTE KONFERENZ DER FARC

Im Jahr 1982 hielten die FARC ihre Siebte Guerilla-Konferenz ab, die für eine große Veränderung in der Strategie sorgen sollte. Historisch betrachtet war diese Konferenz ein Meilenstein in der weiteren Geschichte der FARC. Bisher beschränkten sich die FARC auf kleine Aktionen gegen die Streitkräfte in den ländlichen Gebieten. Ab 1982 wurden Steuern aus dem Koka-Geschäft erhoben und weitere Finanzierungsquellen gesucht. Aus der kleinen Bauernguerilla sollte nun ein Volksheer entstehen und die militärischen Operationen verstärkt werden. Zudem wurde die politische Arbeit mit der Bevölkerung erweitert. Strategisch wurden nun die Städte und Provinzen, die reich an natürlichen Ressourcen waren, in das Konzept mit eingebunden. Die Zahl der Kämpfer_innen wuchs von nun rapide an. In jener Konferenz wurde der Namenszusatz „EP“ für „Ejército del Pueblo“ (Volksheer) hinzugefügt, um der neuen Stärke und Strategie Ausdruck zu verleihen.

„KOKA-HANDEL“

Zunächst lehnten die FARC-EP jede Arbeit und Verwicklung in den Koka-Anbau ab, da dies als Ausdruck des krankhaften Kapitalismus betrachtet wurde. Um aber die Basis der Bauern nicht zu verlieren, die nun vom Koka-Boom profitieren wollten, und weil mit dem Koka auch ein gutes Geschäft zu machen war, entschieden sich die FARC-EP 1982 zur Besteuerung und Kontrolle des Anbaus und Handels. So mussten Bauern und Käufer eine prozentuale Steuer für Koka erbringen. Auf der anderen Seite gab es durch die Kontrolle der FARC-EP eine gerechte Arbeitsteilung, Löhne und Sicherheit für die Koka-Bauern. Dies jedoch führte zu Konflikten mit Paramilitärs und Regierung, die ihrerseits sehr stark im Koka-Handel vertreten waren. Entgegen den allgemeinen Vorstellungen kontrollieren jedoch die Paramilitärs die Exportrouten und einen Großteil des Handels in Kolumbien.

VEREINBARUNG VON LA URIBE UND UP

In den frühen 1980er Jahren begann Präsident Belisario Betancur Verbindung mit den FARC-EP aufzunehmen um die Möglichkeit von Friedensgesprächen mit der Guerilla zu erörtern. Letztlich wurde mit dem Abkommen im Jahr 1984 von La Uribe (benannt nach dem Ort) zu einem Waffenstillstand aufgerufen, der auch einige Jahre halten sollte.

Im Jahr 1985 bildeten die Mitglieder der FARC-EP zusammen mit einer großen Anzahl anderer linker und kommunistischer Gruppen eine politische Partei, die „Union Patriótica“ (UP). Die UP suchte politische Reformen wie eine Verfassungsreform, mehr Demokratie bei den Kommunalwahlen, politische Dezentralisierung und die Beendigung der politischen und wirtschaftlichen Elite durch die liberale und konservative Partei. Darüber hinaus wurden sozio-ökonomischen Reformen wie die Umverteilung von Land und mehr Gesundheits- und Bildungsausgaben in das Programm aufgenommen. Auch Forderungen wie die Verstaatlichung von ausländischen Unternehmen, kolumbianische Banken, Transport und Verkehr, und einen besseren Zugang zur kritischen Medienlandschaft fanden ihren Platz im politischen Programm. Nur wenige der UP-Mitglieder und Repräsentanten kamen direkt aus den FARC-EP, die meisten von ihnen kamen aus einer Vielzahl von Gruppen, Initiativen, Gewerkschaften und sozialistischen Parteien wie der PCC. Auf dem Land und in den Städten fanden Diskussionen statt und es konnte ein politischer Frühling gespürt werden.

Die UP erreichte als eine linke Partei die besten je erreichten Wahlergebnisse in der kolumbianischen Geschichte. 1986 gewann UP Kandidaten 350 lokale Ratssitze in den Gemeinden, mehrere Bürgermeister, diverse Sitze im Unterhaus und 6 Sitze im Senat. Der Präsidentschaftskandidat von 1986, Jaime Pardo Leal, gewann 4,6% der Stimmen.

Zwischen 1986 und 1990 wurden Tausende von Mitgliedern der UP und anderer linker Parteien ermordet (die Schätzungen reichen von 4.000 bis 6.000). Im Jahr 1987 wurde der Präsidentschaftskandidat der UP, Jaime Pardo Leal, ermordet. Im Jahr 1989 hatte ein einziger Großgrundbesitzer samt Paramilitärs über 400 UP Mitglieder ermordet. Mit dem Terror hörte die Partei in den 90er Jahren auf zu bestehen und die FARC-EP änderten ihre Strategie hin zu mehr militärischen Aktionen. Der Versuch für eine politische Lösung war an staatlicher und paramilitärischer Gewalt und Hilflosigkeit gescheitert.

CGSB

Bis 1985 hatten sich fast alle wichtigen Guerillagruppen (EPL, M-19, und ELN) gemeinsam unter einer Dachorganisation, der Coordinadora Nacional Guerillera (CNG) zusammen gefunden. Die FARC-EP war zu jener Zeit in den Friedensverhandlungen mit der Regierung Betancur, außerdem war eine Gruppe in der CNG dabei, die kurz vorher aus der FARC-EP ausgetreten war. Mit dieser Gruppe (Frente Ricardo Franco) lag man nun im Kampf. Die CNG wurde 1987 in die Coordinadora Guerilla Simón Bolívar (CGSB) umgewandelt, um sowohl politisch als auch militärisch stärker gegenüber der Regierung auftreten zu können. So wurden zum Beispiel Verhandlungen zwischen den zahlreichen Guerilla-Gruppen und der Regierung geführt. Die Erfolge der CGSB waren jedoch sehr begrenzt, zu weit entfernt waren oft die unterschiedlichen Forderungen der verschiedenen Gruppen. Einzig und allein der Friedensprozess mit der M-19 und anderen kleinen Guerilla-Gruppen hatte 1990 Erfolg. Die FARC-EP und ELN beschlossen ihren Kampf weiter fort zu setzen.

1990 BIS 1998

Von den Gruppen, die sich neben dem M-19 demobilisieren ließen, waren auch EPL, ERP, und Quintín Lame, während FARC-EP und ELN den bewaffneten Kampf weiter fortsetzten. Aufgrund der Erfahrungen der letzten Jahre, darunter die Vernichtung der Unión Patríotica, setzten die FARC-EP nun mehr auf die militärische Komponente.

Gegen Ende des Jahres 1990 griff die Armee ohne Vorwarnung und das Hauptquartier „Casa Verde“ der FARC-EP in Meta an wo das Sekretariat der Guerilla ihr Büro hatte. Die kolumbianische Regierung argumentierte, dass der Angriff auf das Hauptquartier der FARC-EP ihre eigene Schuld gewesen sei, da nicht mehr richtig mit der Regierung verhandelt wurde.

Am 10. August 1990 starb der zweite FARC-EP Chef Jacobo Arenas, der ideologische Führer und Gründer der FARC-EP, an einem Herzinfarkt.

Im Juni 1991 wurde der Dialog zwischen den verbliebenen Guerillas in der CGSB und der Regierung auf neutralem Boden in Caracas, Venezuela und Tlaxcala (Mexiko) fortgesetzt. Doch die Zuspitzung des Krieges war nicht zu stoppen und bewaffnete Angriffe von beiden Seiten wurden wieder aufgenommen bzw. verstärkt. Der Guerilla-Zusammenschluss CGSB wurde nun endgültig aufgelöst und läutete eine neue Phase des Bürgerkrieges ein. Auch ein Brief von kolumbianischen Intellektuellen konnte die Situation zur friedlichen Lösung des Konflikts nicht ändern.

Ab 1995 begannen die FARC-EP eine neue militärische Strategie mit dem Ziel weite Landstriche und Bogotá zu erobern. Mittlerweile war die Anzahl der Guerillakämpfer_innen stark angestiegen. Die politisch-militärische Arbeit auf dem Land und in der Stadt wurde intensiviert und neue Waffen kamen zum Einsatz.

Im August 1996 inszenierte die FARC-EP einen Überraschungsangriff auf eine kolumbianische Militärbasis in Las Delicias in der Provinz Putumayo. Innerhalb von 15 Stunden wurde die Basis völlig zerstört und es wurden 54 kolumbianische Soldaten getötet, 17 verwundet und 60 Geiseln genommen. Im März 1998 griffen FARC-EP-Einheiten mit der Hilfe von örtlichen Sympathisanten eine Elite-Einheit der kolumbianischen Armee an. Dutzende Elitesoldaten wurden von den 600-800 Guerilleros getötet. Im November 1998 griffen Kräfte der FARC-EP die Provinzhauptstadt Mitú in der Provinz Vaupés nahe der Grenze zu Brasilien an und besetzten diese für drei Tage. Erst nach mehr als drei Tagen konnte das kolumbianische Militär die Stadt zurückerobern. Mit diesen Angriffen und der Strategie zum Bewegungskrieg war die Guerilla gefürchtet und ein ernst zu nehmender Feind geworden.

Auch in jenem Zeitraum wurde Kolumbien zu einem großen Kokaanbaugebiet und die FARC-EP hatten in den Kokabauern eine soziale Basis gefunden. So gab es Märsche und Demonstrationen der Kokabauern für ein würdiges Leben, für Alternativen in der Landwirtschaft und gegen die Militärpräsenz in den Regionen. Ein Großteil dieser Basis befand sich im Süden von Kolumbien, wo die FARC-EP traditionell stark vertreten war. Die Guerilla versuchte diese Märsche zu vereinnahmen und hatte auch Erfolg damit, sich als politische Alternative auf dem Land darzustellen.

FRIEDENSVERHANDLUNGEN 1999 BIS 2002

Zum Beginn der Friedensverhandlungen am 7. November 1998 gewährte der neugewählte Präsident Andrés Pastrana den FARC-EP ein ca. 42.000 Quadratkilometer großes Gebiet (ungefähre Größe der Schweiz oder Dänemarks) als entmilitarisierte Zone, in der die FARC-EP schließlich die Macht übernahmen. Diese Zone war eine der Bedingungen für einen Friedensprozess und sollte eine vertrauensbildende Maßnahme sein, um die Verhandlungen in Ruhe führen zu können.

Die Verhandlungen kamen jedoch in den Jahren immer wieder ins Stocken, wohl weil keine der beiden Parteien ein großes Interesse an einem Abkommen hatte. Die Guerilla war auf dem Höhepunkt der Macht und die Regierung Pastrana wollte keine Kompromisse eingehen sondern trieb mit dem Plan Colombia die militärische Aufrüstung. Zudem nahmen in jener Zeit die Aktivitäten der Paramilitärs stark zu, die als verlängerter Arm der Armee dienten und nun zur Ruhe befohlen waren.

Nach einer Reihe von militärischen Aktionen der Guerilla, einschließlich der Entführung eines Flugzeugs, den Angriff auf mehrere kleine Städte und die Entführung von mehreren politischen Persönlichkeiten, beendete Pastrana die Friedensgespräche im Februar 2002 und wies die Streitkräfte an mit der Rückeroberung der von der FARC-EP kontrollierten Zone zu beginnen. Eine 48-Stunden-Frist, die zuvor die Regierung an die FARC-EP gestellt hatte wurde nicht eingehalten, auch sonst war das Klima für weitere Verhandlungen in der kolumbianischen Gesellschaft nicht mehr vorhanden. Der scheidende Präsident Pastrana hatte sein Ansehen in der Bevölkerung verloren. Kurz nach dem Ende der Gespräche, entführte die FARC-EP die Präsidentschaftskandidatin der Grünen Partei Ingrid Betancourt, die im Guerilla-Gebiet unterwegs war. Betancourt wurde erst im Juli 2008 von der kolumbianischen Regierung gerettet.

2002 BIS HEUTE

Der neugewählte Präsident Alvaro Uribe begann sofort mit der Umsetzung des „Plan Patriota“, eine militärische Intensivierung des Kampfes gegen die FARC-EP, getreu seiner Auffassung, dass es in Kolumbien keinen bewaffneten Konflikt, sondern eine terroristische Bedrohung gibt. Die FARC-EP beschloss nun eine Rückkehr zur ursprünglichen Strategie der Guerilla und zog sich in die entlegenen Gebiete zurück. Auf diese Weise konnte die politisch-militärische Struktur bewahrt werden. Trotzdem kam es im Laufe der Zeit zu hohem militärischen Druck und zu einer hohen Anzahl von Deserteuren. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass jene die den FARC-EP den Rücken kehrten als wenig politisch geschult galten, wodurch der Guerilla ein Kern von Tausenden ideologischen Kämpfer_innen erhalten blieb. Die Organisation musste einige Verluste in Regionen wie Cundinamarca (Nahe Bogotá) und in Antioquia (Nahe Medellín) hinnehmen.

Bis zum Jahr 2002 waren mehr als 20.000 Guerilleros in den Reihen der FARC-EP, hinzu kommen tausende Milizionäre auf dem Land und in den Städten, die auf Abruf bereit stehen oder logistische Arbeit übernehmen. Eine genaue Zahl von Guerilleros gibt es nicht, Schätzungen gehen aber aktuell von rund 10.000 Revolutionären in der Organisation aus.

Während der ersten Präsidentschaft von Alvaro Uribe (bis 2006) gab es keine ernsthaften Kontakte zwischen den FARC-EP und der Regierung um Friedensgespräche zu initiieren. Einzig und allein einige diplomatischen Bemühungen für die Realisierung eines humanitären Abkommens zum Austausch zwischen Kriegsgefangenen und Häftlingen zwischen der Guerilla und der Regierung wurden bemüht. Letztendlich waren die Fronten zwischen dem Präsidenten, dem Verbindungen zu den Paramilitärs nachgesagt werden, der für die Verletzung der Grundrechte und einen harten Kurs gegenüber sozialen Bewegungen steht, aber so verhärtet, dass sich beide Parteien nicht einigen konnten. Die Aufforderung der FARC-EP, alle inhaftierten Guerilleros im Tausch gegen Geiseln und andere Häftlinge freizulassen wurde nicht nachgekommen.

Am 1. März 2008 erlitten die FARC-EP einen der härtesten Schläge in ihrer Geschichte, der Tod von Luis Edgar Devia Silva alias Raul Reyes bei einem rechtswidrigen Bombenangriff durch das kolumbianische Militär auf ein Guerilla-Lager in Ecuador, nahe der kolumbianischen Grenze.Dieser Angriff löste im Gegenzug eine diplomatische Krise zwischen Kolumbien, Ecuador und Venezuela aus. Am 7. März 2008 wurde bekannt, dass ein anderes Mitglied des Sekretariats der FARC-EP, Ivan Rios, von seinem Leibwächter wurde getötet wurde und als Beweis die Hand des Getöten übergeben wurde. Am 26. März 2008 starb schließlich, Manuel Marulanda Veléz, der Gründer und Anführer der FARC-EP, so dass in weniger als einem Monat die Spitze der Organisation stark geschwächt war. Sein Nachfolger wurde Alfonso Cano.

Da die Verhandlungen für eine „humanitäre Übereinkunft“ zwischen FARC-EP und Regierung wegen der anhaltenden Repression gegenüber der Guerilla und der sozialen Bewegungen im ganzen Land stagnierten, führten die Streitkräfte Kolumbiens am 2. Juli 2008 eine Rettungsaktion im Dschungel von Guaviare durch, um eine Gruppe Gefangener zu befreien. Dieser Vorgang, genannt „Operation Jaque“, wurde deshalb bekannt, weil das Militär über Jahre in der Guerilla infiltriert war, bei der Aktion das Hoheitszeichen des Roten Kreuzes missbraucht wurde und die ehemalige Präsidentschaftskandidatin, US-Bürger und Soldaten befreit. Auch in der Folgezeit wurden zum Beispiel die beim dem Bombardement in Ekuador gefundenen Daten, deren Wahrheitsgehalt allerdings bezweifelt werden muss und mit dem unliebsame Gegner ausgeschaltet oder diskreditiert werden sollen (z.B. der venezolanische Präsident Hugo Chavéz, der ekuadorianische Präsident Correa, Abgeordnete die sich für eine friedliche Lösung des Konflikts aussprechen) für weitere Aktionen und Repressionen genutzt.

NEUE STRATEGIE

Ab dem Jahr 2009 folgte eine Konsolidierung der Kräfte der FARC-EP. Zwar wurde am 22. September 2010 der Militärchef und zweite Mann der FARC-EP Victor Julio Suarez, alias Jorge Briceño oder Mono Jojoy, in der Provinz Meta getötet, doch die letzten Jahre zeigen einen Strategiewandel, hin zu einem verstärkten politischen Engagement und zu einem militärischen Wandel vom Bewegungskrieg hin zu einem Krieg der Guerilla, die dem Militär und der Polizei schwere Niederlagen in den letzten Jahren zufügen konnte.

Die Ideen des Militärstrategen Mono Jojoy mit der Konzentrierung der Kräfte im Bloque Oriental (östlicher Militärblock) in großen Bataillonen und in den östlichen Kordilleren war fehlgeschlagen. Diese Strategie der Guerilla, im Jahr 1995 entworfen und mit der Höchstzeit bis zum Jahr 2002; in welcher der Bloque Oriental lange Zeit die Geschichte der FARC-EP mitbestimmt hat (z.B. die Verhandlungen in San Vicente del Caguán) wurden nun aufgegeben. Mit dem Tod von Mono Jojoy im September 2010 erfolgten der Tiefpunkt und das endgültiges Scheitern. Bereits seit 2008 gab es Änderungen in der Strategie und seit dem Tod von Mono Jojoy die Initiative von Alfonos Cano und Pablo Catatumbo (Plan 2010) mit der Dezentralisierung der Einheiten und dem Verzichten auf große Camps und große Einheiten. Die neue und eigentlich typische Guerilla-Strategie ist es, Einheiten zu Angriffen zusammen zu ziehen, zuzuschlagen und um dann wieder blitzschnell zu verschwinden. Heute ist der Bloque Occidental (westlicher Militärblock) unter anderem die aktivste Einheit der FARC-EP. Die militärische und politische Neustrukturierung im ländlichen Gebiet erfolgt unter anderem durch den Aufbau und die Zusammenarbeit einer neuen sozialen Basis mit Kampagnen wie die zum 1. Mai (Kooperation mit Bauernbewegungen und sozialen Bewegungen), aber auch durch Hilfeleistungen in der Infrastruktur oder sozialen Diensten (Gesundheitsbrigaden).

 

Die andere Geschichte der Guerilla Kolumbiens

Die Guerilla in Kolumbien hat einen schlechten Ruf. Sowohl bei der Mainstream-Bevölkerung, als auch bei der Linken in Deutschland gibt es die weit verbreitete Ansicht, dass es sich bei der Guerilla in Kolumbien um eine Organisation handelt, die einzig und allein aufgrund ihrer finanziellen Aktivitäten existiert. Es gibt kaum Presseberichte, in denen die FARC-EP nicht mit einem Drogenkartell gleichgesetzt wird. Selbst scheinbar unabhängige Journalisten oder Linke übernehmen kritiklos die Propaganda der Regierungsmedien, die seit dem Bestehen der aufständischen Bewegung versuchen, die Guerilla politisch zu delegitimieren.

Dabei sind die FARC-EP eine der wenigen letzten und großen Organisationen in Lateinamerika, die eine sozialistische Orientierung haben und entgegen der allgemeinen Annahme über eine weite soziale Verankerung im Land verfügen. Im Folgenden wird auszugweise Bezug auf einen Artikel von Raúl Zelik genommen, in dem er die Entstehung und Entwicklung der Guerilla aufzeigt. [„Die etwas andere Geschichte der Guerillas in Kolumbien“ in Lateinamerika Nachrichten Nr. 286 vom April 1998]

Die Desinformation über die Guerilla in Kolumbien reicht schon so weit, dass viele nicht einmal über die Entstehung dieser Organisation Bescheid wissen. Während ein Großteil der revolutionären Bewegungen auf dem lateinamerikanischen Kontinent im Zuge der kubanischen Revolution entstanden ist, haben die FARC-EP eine Geschichte, die bis in die Bauernbewegungen der 1930er und 1940er Jahre zurückreichen. Raúl Zelik sah einen engen Zusammenhang zwischen der 200-jährigen Historie der Bauernaufstände in Kolumbien und der Guerilla und formulierte dies einst in oben genannten Artikel über die Geschichte der FARC-EP so: „Wer García Márquez´`100 Jahre Einsamkeit´ gelesen hat, weiß von den zahllosen Bemühungen des Generals Aureliano Buendía, der sich 17 Mal erhob und immer wieder scheiterte. Diese Aufstände werden, wie auch der Bürgerkrieg 1948, oft als liberal-konservative Konflikte interpretiert. Die kritische Sozialforschung hat sich dagegen immer verwehrt: So wie auch Aureliano Buendía (eine trotz „magischer“ Verfremdung recht reale Person) kämpften die Aufständischen des 19. und 20. Jahrhunderts zwar unter dem Banner der liberalen Partei, aber sie waren keine Parteigänger. Ihre Rebellion richtete sich vielmehr allgemein gegen die oligarchische Land- und Machtkonzentration. Die Tatsache, dass ihr Widerstand fast immer bewaffnet war, hatte damit zu tun, dass der soziale und politische Protest von der Oberschicht eigentlich immer mit Waffengewalt beantwortet wurde. Obwohl es seit der Unabhängigkeit nur zwei Militärputsche in Kolumbien gab, wurde die Opposition immer in die Illegalität gedrängt.“

An diesem Fakt hat sich bis heute nicht viel geändert. Die Repression des Staates und die Einschüchterung und Verbreitung von Terror durch staatlich unterstützte Paramilitärs hält weiterhin an. Die Zahl an getöteten Linken und Gewerkschaftern zählt zu den höchsten der Welt. Friedensprozesse und Versuche der Demobilisierung von Guerillagruppen führten zur zielgerichteten Vernichtung ehemaliger Guerilleros. Soziale und politische Proteste werden auch heute noch versucht zu diskreditieren, weil diese von angeblichen Terroristen unterwandert wären.

Doch zurück zur Geschichte. Wie in vielen anderen Ländern auch, entstanden kommunistisch beeinflusste Organisationen in den 20er und 30er Jahren. Überhaupt hatten damals gewerkschaftliche Ideen einen großen Einfluss in der politischen Diskussion. So war das Jahr 1928 ein Jahr der Streikkämpfe, zugleich aber mit einem wichtigen Einschnitt in der politischen Geschichte. Im Dezember wurden bei einem Streik auf den Plantagen der United Fruit Company mehr als 2000 Personen von der Armee ermordet, die sich friedlich zu einer Protestkundgebung am Bahnhof versammelt hatten. Neben diesem Ereignis in der Region Urabá, hatte auch das Jahr 1948 großen Einfluss auf die weitere Geschichte Kolumbiens.

Konservative Kräfte der Elite ließen den im Volk wegen seiner linken Reformpolitik beliebten liberalen Präsidentschaftskandidaten Jorge Eliécer Gaitán ermorden. Daraufhin kam zuerst in der Hauptstadt und später im ganzen Land zu Aufständen, in dem sich die Opposition gegen die Konservativen bewaffnete. Die als „Violencia“ bekannten Jahre bis 1953 hinterließen ca. 250.000 Menschenleben, darunter ein Großteil aus Bauern, Liberalen und Oppositionellen. Während sich die Eliten beider Parteien zu einer Aufteilung der Macht verständigten, wurden Oppositionelle weiter verfolgt, schließlich sah man in ihnen eine Gefährdung ihrer Machtposition. In der Zeit der Violencia entstanden auch Gruppen, die sich in den ländlichen Regionen als Selbstverteidigungsgruppen gegen die ausufernde Gewalt sahen. Diese Gruppen waren zum Teil kommunistisch beeinflusst und praktizierten ein System der bäuerlichen Selbstverwaltung. Diese trauten dem Friedensschluss der Oligarchie im Jahr 1953 nicht und behielten ihre Waffen. So entstanden in den 1950er und 1960er Jahren sogenannte „unabhängige Republiken“ von Bauern. Anfang der 1960er Jahre verstärkte der Staat die militärischen Aktionen gegen diese autonom agierenden Flecken. Wenn auch keine militärische Gefahr von ihnen ausging, so fühlte sich der Staat in seiner Autorität als Zentralmacht bedroht. 1964 wurde die Republik „Marquetalia“ von tausenden Soldaten angegriffen und die wenigen Bauern zogen sich zurück und gründeten schließlich mit Bauernverbänden und Selbstverteidigungsgruppen aus anderen Regionen die FARC. Von einer revolutionären Avantgarde kann also keine Rede sein, eher von zu Guerillers gezwungenen Bauern, die Unterstützung durch die kolumbianische kommunistische Partei erhielten. Die Selbstverteidigungsgruppen wurden nun zu einer bewaffneten Opposition, die politische Ziele zur Veränderung des bestehenden Systems nach außen trug.

Im Laufe des folgenden Jahrzehnts entstand eine Vielzahl von politischen Gruppen, die teilweise auch den bewaffneten Kampf propagierten. Sieben große Guerillagruppen gab es in den 1970er Jahren, darunter die FARC, das ELN, die EPL und die nationalistische linke Stadtguerilla M-19. Durch spektakuläre Aktionen, besonders durch das M-19, gewannen die Guerillagruppen an Popularität in der Bevölkerung und wuchsen in ihrer Mitgliederzahl rapide an. Der Staat fühlte sich nun ernsthaft bedroht und die repressiven Maßnahmen der Regierungen schienen keinen Erfolg zu haben. Diese neue Phase beschreibt Raúl Zelik wie folgt: „Daraufhin kam es zu einer dramatischen Wende. Der neue Präsident Belisario Betancur (1982-86) erließ eine Generalamnestie und fädelte Friedensverhandlungen ein, die 1984 in einen Waffenstillstand mit FARC, M-19 und EPL mündeten; die ELN verweigerte sich damals den Gesprächen. Aber erneut wiederholte sich die Geschichte: Die legalisierten UntergrundkämpferInnen wurden zur Zielscheibe des schmutzigen Krieges. Ab 1983 entstanden unter der Schirmherrschaft der Armee im ganzen Land mehr als 150 paramilitärische Gruppen, die die nun offen auftretende Opposition regelrecht ausmerzte. Dörfer wurden überfallen, Gewerkschafter erschossen, zahlreiche Massaker mit bis zu 50 Toten verübt. Der Waffenstillstand zerbrach 1985, der schmutzige Krieg aber ging weiter.“

Soziale Säuberungen und politische Morde waren an der Tagesordnung, Mitglieder und Sympathisanten der Partei von FARC und KP, die „Unión Patriótica“, wurden systematisch ermordet. Auch wenn Guerillagruppen wie EPL und M-19 mit der Regierung weiterhin verhandelten und sich in legale Parteien umwandelten, so zeigte die Geschichte der UP und die andauernde Ermordung legaler Aktivisten, dass der offene politische Kampf gescheitert war. Die übriggebliebenen Guerilleros des M-19 waren auf sich alleine gestellt und am Mord von Präsidentschaftskandidaten Carlos Pizarro sah man, wie gefährlich eine Eingliederung in das bestehende System war. Die Partei des M-19 verschwand in der politischen Versenkung.

Die FARC versuchten zusammen mit dem ELN weitere Verhandlungen mit der Regierung zu führen, denn mit dem Zusammenbruch des real existierenden Sozialismus zeigte sich auch in Kolumbien eine politische Orientierungslosigkeit und Skepsis gegenüber sozialistischer Ideen. Und auch, wenn es zunächst schien, dass die Guerilla politisch an Boden verlieren würde, so profitierte sie von der Repression seitens der Regierung und der Paramilitärs. Viele Leute haben sich aus Sicherheitsgründen lieber der Guerilla angeschlossen, als einer legalen politischen Organisation, denn hier hatten sie bessere Chancen zu überleben. Mit dem Tod vom Chefideologen Jacobo Arenas, der von der KP Kolumbiens kam, mit der politischen Entfernung von den Zielen der KP Kolumbiens, die sich im Zuge des Zusammenbruchs des real existierenden Sozialismus zunehmend sozialdemokratischen Ideen zuwandte und mit der ohne Vorwarnung durchgeführten Bombardierung des Hauptquartiers der FARC vollzog sich eine weitere Militarisierung. Zynischer weise fand die Bombardierung just an jenem Tag statt, an dem die neue Verfassung Kolumbiens verabschiedet wurde. Die Fronten der FARC samt ihrer Kommandierenden verteilten sich im ganzen Land und waren näher an die Hauptstadt Bogotá herangerückt. Mit dem Wegfall von UP und KP fehlte jedoch der politische Arm der Guerilla. So gründeten sie klandestine Organisationen wie eine eigene kommunistische Partei und die plattformähnliche Bewegung „Movimiento Bolivariano“, um den Protest auch nach außen tragen zu können. Die Guerilla wuchs von Jahr zu Jahr und stand Ende der 1990er Jahre kurz vor den Stadtgrenzen Bogotás. Es entwickelte sich eine Pattsituation zwischen Regierung und Guerilla, militärisch und politisch waren beide nicht zu besiegen. Neben der wachsenden staatlichen Repression kam die rasante Ausbreitung des Paramilitarismus hinzu. So ging es bei den nun vereinbarten Friedensverhandlungen von 1998 bis 2002 nicht mehr um eine Machtübernahme, sondern um pragmatische Ziele.

„In diesem Zusammenhang ist das Interesse der Guerilla zu sehen, über konkrete Regelungen mit der Regierung zu verhandeln. Es geht nicht um eine Demobilisierung, sondern um punktuelle Vereinbarungen: Einhaltung der Genfer Menschenrechtskonventionen, Schutz der Zivilbevölkerung und der legalen Opposition, Demobilisierung der Paramilitärs, Nationalisierung der Bodenschätze, Stop der Privatisierungen und Wiedereinführung von Arbeits- und Kündigungsschutzgesetzen.“

Das die FARC in Europa einen schlechten Ruf haben, liegt zum einen an der zugegebenermaßen manchmal etwas tölpelhaft erscheinenden Außendarstellung und ihren Versuchen der Kommunikation mit der Linken, zum anderen aber an der rigorosen Repression von Medien und staatlichen Sicherheitsorganen. Fast jeder Überfall, jedes Massaker und jede Entführung wird zu allererst den FARC zugeschrieben. Wenn später herauskommt, dass das Militär, paramilitärische Gruppen oder kriminelle Banden dafür verantwortlich waren, dann findet dies keine Erwähnung mehr in den Medien oder interessiert wegen dem zeitlichen Faktor einfach keinen mehr.

Mit der Einstufung zu einer „terroristischen Organisation“ im Zuge des 11. September 2001 ist es für die FARC schwer geworden, die Menschen zu erreichen. Jegliche Sympathie oder Solidaritätsarbeit wird mit Härte geahndet. Dennoch suchen die FARC Kontakt zu anderen revolutionären und linken Gruppen und haben durchaus gute Beziehungen zu den sozialen Bewegungen, nicht nur in Kolumbien selbst. Sie sind auch keine „Steinzeit-Kommunisten“ und/oder eine „superrevolutionäre“ Organisation. Nein, die FARC denken eher pragmatisch, wenn man an die Notwendigkeit zur Durchführung sozialer Reformen und Friedensverhandlungen denkt. Mit „Narco-Guerillas“, übrigens ein von den USA geprägter Begriff, und mit „Stalinismus“ hat das Ganze nichts zu tun.

Das es bei den FARC kritikwürdige Punkte gibt ist nicht von der Hand zu weisen. Die vordergründig militärische statt politische Arbeit hängt aber auch mit den Reaktionen der Regierung zusammen. Raul Zelik dazu: „Natürlich gibt es in Kolumbien (wie in der FMLN und FSLN) Militarismus und Autoritarismus von links. Das ist anzugreifen, aber bei einer Militarisierung des Konflikts, wie er von der kolumbianischen Oberschicht in den letzten 50 Jahren betrieben wurde, nicht besonders verwunderlich. Mit den Organisationsführungen und –positionen hat das auf jeden Fall wenig zu tun.“ Und weiter: „Ein weiteres Mittel ist die Strategie, die Aufständischen in den internationalen Medien als `kriminelle Narco-Guerilla´ zu stigmatisieren. Dabei werden vor allem Entführungen und Verbindungen zum Drogenhandel aufgeführt. Ein genauerer Blick macht jedoch auch dieses Argument zunichte: Was die Entführungen von ausländischen Technikern und Großgrundbesitzern angeht, bewegen sich diese auf der gleichen Ebene wie Haftstrafen für Steuerbetrüger in einem bürgerlichen Rechtsstaat, denn die Guerilla übt in vielen Regionen de facto Regierungsfunktionen aus, und treibt daher Steuern ein. Man muss begreifen, dass es sich bei der kolumbianischen Guerilla nicht um eine privat agierende Minitruppe sondern um eine aufständische Gegenautorität handelt. Wer sich über diese Entführungen empört, darf über staatliche Gefängnisse nicht schweigen.“

In der Drogenpolitik wird auf ähnlicher Weise mit Vorurteilen argumentiert. Die FARC sind vor 30 Jahren dazu übergegangen, Abnahme- und Aufkaufpreise zu besteuern, weil sie ihre soziale Basis der Bauern nicht verlieren wollten. Zuerst waren die FARC gegen jeden Anbau von Koka. Das Schließen der Augen vor der Realität führte dazu, dass die Paramilitärs immer weiter auf dem Vormarsch waren, die Bauern sich der Guerilla abwendeten und eine damals noch nicht vorhandene Kontrolle über die Anbautätigkeiten dazu führte, dass kaum Lebensmittel in einigen Regionen für die einfache Landbevölkerung vorhanden waren und die Preise dafür immens stiegen.

Es ist wichtig, Aktionen und Programmatik der FARC kritisch zu begleiten. Es ist aber auch wichtig, Aktionen und die Realität der kolumbianischen Politik und Gesellschaft kritisch zu begleiten. So manch ein Linker denkt, Lateinamerika und Kolumbien zu kennen, übernimmt aber leider viel zu oft die unreflektierte Propaganda der Staats- und Massenmedien, ohne auch nur einmal die Realität jenseits von Bogotá, Medellín und der Karibikküste gesehen zu haben.

„So wie es in den 80ern falsch war, FSLN und FMLN unkritisch abzufeiern, ist es heute unmöglich, sich eine Emanzipation Kolumbiens ohne die Guerilla vorzustellen. Man muss nicht gleich in ehrfurchtsvolle Bewunderung verfallen, um die aufständische Bewegung politisch ernst nehmen zu können.“